spielte mit einer Bleifeder, während er Melitta, in Ge¬ danken verloren, anschaute.
"Wollen Sie mich zeichnen?" rief Melitta.
"Ich wollte, ich könnte."
"Warum nicht, da liegt mein Album."
"Das hilft mir nichts. Lehren Sie mich erst die Kunst, unmittelbar mit den Augen malen zu können."
"Sehen Sie, das ist es gerade, was ich immer wünsche. Wie oft, wenn mich eine Landschaft, eine Gestalt, ein Gesicht interessiren, denke ich: jetzt mußt du's treffen; und will ich nun auf das Papier bannen, was mir so klar vor den Augen steht, wird's eine Stümperei."
"Ich bin überzeugt, Ihr Album wird das Gegen¬ theil beweisen; darf man es besehen?"
"Nein, man darf es nicht; aber Sie dürfen es. Im Grunde hat es nur Werth für mich; denn für mich steht nicht nur das darin, was ich gezeichnet habe, sondern auch, was ich habe zeichnen wollen. Ueber¬ dies ist mir mein Album eine Art von Tagebuch. Dieses hier werde ich kurz vor meiner italienischen Reise angefangen haben."
"So waren Sie in Italien?"
"Vor zwei Jahren mit meinem Vetter Barnewitz und seiner Frau. Ich wollte, Sie wären auch von
ſpielte mit einer Bleifeder, während er Melitta, in Ge¬ danken verloren, anſchaute.
„Wollen Sie mich zeichnen?“ rief Melitta.
„Ich wollte, ich könnte.“
„Warum nicht, da liegt mein Album.“
„Das hilft mir nichts. Lehren Sie mich erſt die Kunſt, unmittelbar mit den Augen malen zu können.“
„Sehen Sie, das iſt es gerade, was ich immer wünſche. Wie oft, wenn mich eine Landſchaft, eine Geſtalt, ein Geſicht intereſſiren, denke ich: jetzt mußt du's treffen; und will ich nun auf das Papier bannen, was mir ſo klar vor den Augen ſteht, wird's eine Stümperei.“
„Ich bin überzeugt, Ihr Album wird das Gegen¬ theil beweiſen; darf man es beſehen?“
„Nein, man darf es nicht; aber Sie dürfen es. Im Grunde hat es nur Werth für mich; denn für mich ſteht nicht nur das darin, was ich gezeichnet habe, ſondern auch, was ich habe zeichnen wollen. Ueber¬ dies iſt mir mein Album eine Art von Tagebuch. Dieſes hier werde ich kurz vor meiner italieniſchen Reiſe angefangen haben.“
„So waren Sie in Italien?“
„Vor zwei Jahren mit meinem Vetter Barnewitz und ſeiner Frau. Ich wollte, Sie wären auch von
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ſpielte mit einer Bleifeder, während er Melitta, in Ge¬
danken verloren, anſchaute.
„Wollen Sie mich zeichnen?“ rief Melitta.
„Ich wollte, ich könnte.“
„Warum nicht, da liegt mein Album.“
„Das hilft mir nichts. Lehren Sie mich erſt die
Kunſt, unmittelbar mit den Augen malen zu können.“
„Sehen Sie, das iſt es gerade, was ich immer
wünſche. Wie oft, wenn mich eine Landſchaft, eine
Geſtalt, ein Geſicht intereſſiren, denke ich: jetzt mußt
du's treffen; und will ich nun auf das Papier bannen,
was mir ſo klar vor den Augen ſteht, wird's eine
Stümperei.“
„Ich bin überzeugt, Ihr Album wird das Gegen¬
theil beweiſen; darf man es beſehen?“
„Nein, man darf es nicht; aber Sie dürfen es.
Im Grunde hat es nur Werth für mich; denn für
mich ſteht nicht nur das darin, was ich gezeichnet habe,
ſondern auch, was ich habe zeichnen wollen. Ueber¬
dies iſt mir mein Album eine Art von Tagebuch.
Dieſes hier werde ich kurz vor meiner italieniſchen
Reiſe angefangen haben.“
„So waren Sie in Italien?“
„Vor zwei Jahren mit meinem Vetter Barnewitz
und ſeiner Frau. Ich wollte, Sie wären auch von
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/183>, abgerufen am 16.02.2025.
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