Herrn Doctor Stein nicht gleich an dem ersten Abend, den er unter unserm Dache ist, das Schauspiel der Uneinigkeit zweier Ehegatten geben. Ueberdies wird Herr Doctor Stein der Ruhe bedürfen. Mademoiselle, wollen Sie die Güte haben, zu klingeln."
Diese letzten Worte wurden in französischer Sprache an die junge Dame gerichtet, welche während dieser ganzen Unterredung unbeweglich, ohne auch nur die Augen nach dem Ankömmling aufzuschlagen, das Buch, aus dem sie vorgelesen haben mochte, noch immer in der Hand haltend, an dem Tische gesessen hatte. Jetzt erhob sie sich und schritt nach der Thür, neben der sich der Klingelzug befand. Oswald kam ihr mit einem: "Erlauben Sie, mein Fräulein," zuvor. Das Mädchen sah ihn aus großen braunen Augen mit einem halb verwunderten und halb erschrockenen Blicke an, der deutlich genug verrieth, wie wenig sie an dergleichen Aufmerksamkeiten gewöhnt war, und ging dann, die langen Wimpern schnell wieder senkend, zu ihrem Platz am Tische zurück,
Ein Diener trat ein und erhielt den Auftrag, Os¬ wald nach dem für ihn bestimmten Zimmer zu bringen.
"Ich hoffe, daß Sie vorläufig Alles nach Wunsch finden werden," sagte die Baronin, als Oswald sich mit einer stummen Verbeugung verabschiedete; "wenn
Herrn Doctor Stein nicht gleich an dem erſten Abend, den er unter unſerm Dache iſt, das Schauſpiel der Uneinigkeit zweier Ehegatten geben. Ueberdies wird Herr Doctor Stein der Ruhe bedürfen. Mademoiſelle, wollen Sie die Güte haben, zu klingeln.“
Dieſe letzten Worte wurden in franzöſiſcher Sprache an die junge Dame gerichtet, welche während dieſer ganzen Unterredung unbeweglich, ohne auch nur die Augen nach dem Ankömmling aufzuſchlagen, das Buch, aus dem ſie vorgeleſen haben mochte, noch immer in der Hand haltend, an dem Tiſche geſeſſen hatte. Jetzt erhob ſie ſich und ſchritt nach der Thür, neben der ſich der Klingelzug befand. Oswald kam ihr mit einem: „Erlauben Sie, mein Fräulein,“ zuvor. Das Mädchen ſah ihn aus großen braunen Augen mit einem halb verwunderten und halb erſchrockenen Blicke an, der deutlich genug verrieth, wie wenig ſie an dergleichen Aufmerkſamkeiten gewöhnt war, und ging dann, die langen Wimpern ſchnell wieder ſenkend, zu ihrem Platz am Tiſche zurück,
Ein Diener trat ein und erhielt den Auftrag, Os¬ wald nach dem für ihn beſtimmten Zimmer zu bringen.
„Ich hoffe, daß Sie vorläufig Alles nach Wunſch finden werden,“ ſagte die Baronin, als Oswald ſich mit einer ſtummen Verbeugung verabſchiedete; „wenn
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Herrn Doctor Stein nicht gleich an dem erſten Abend,
den er unter unſerm Dache iſt, das Schauſpiel der
Uneinigkeit zweier Ehegatten geben. Ueberdies wird
Herr Doctor Stein der Ruhe bedürfen. Mademoiſelle,
wollen Sie die Güte haben, zu klingeln.“
Dieſe letzten Worte wurden in franzöſiſcher Sprache
an die junge Dame gerichtet, welche während dieſer
ganzen Unterredung unbeweglich, ohne auch nur die
Augen nach dem Ankömmling aufzuſchlagen, das Buch,
aus dem ſie vorgeleſen haben mochte, noch immer in
der Hand haltend, an dem Tiſche geſeſſen hatte. Jetzt
erhob ſie ſich und ſchritt nach der Thür, neben der
ſich der Klingelzug befand. Oswald kam ihr mit
einem: „Erlauben Sie, mein Fräulein,“ zuvor. Das
Mädchen ſah ihn aus großen braunen Augen mit einem
halb verwunderten und halb erſchrockenen Blicke an,
der deutlich genug verrieth, wie wenig ſie an dergleichen
Aufmerkſamkeiten gewöhnt war, und ging dann, die
langen Wimpern ſchnell wieder ſenkend, zu ihrem Platz
am Tiſche zurück,
Ein Diener trat ein und erhielt den Auftrag, Os¬
wald nach dem für ihn beſtimmten Zimmer zu bringen.
„Ich hoffe, daß Sie vorläufig Alles nach Wunſch
finden werden,“ ſagte die Baronin, als Oswald ſich
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/18>, abgerufen am 16.07.2024.
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