Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

sie wollte. Ich stellte ihr frei, ihr Leben nach ihrem
Belieben einzurichten, und bat sie nur, zu bleiben.
Aber es war die alte Geschichte von dem Frosch
und dem goldenen Stuhl. Ein paar Wochen hielt sie
das zahme Leben aus; und eines schönen Morgens
war sie verschwunden -- sie und die Czika. Später
sind sie wiederholt in diese Gegend gekommen, aber
hierher zu mir kommen sie nicht mehr. Die Isabel
grollt mir entweder noch, oder sie ist eifersüchtig auf
mich und fürchtet, ich werde ihr die Czika stehlen.
Und doch muß sie einsehen, daß ich es gut mit ihr
meine. Die Leute im Dorf haben Befehl, ihr, wenn
sie vorspricht, jede Gefälligkeit zu erweisen, der Förster
hat den Auftrag, sie unbelästigt im Walde zu lassen;
und ich versage mir das Vergnügen, sie aufzusuchen,
weil ich fürchte, sie ganz zu verscheuchen. Das ist
meine Geschichte von der braunen Gräfin. Sind Sie
mir noch bös?"

"Welches Recht hätte ich dazu?"

"Nun, Sie machten vorher ein so finsteres Gesicht,
daß ich mich ganz als arme Sünderin fühlte."

"Sie belieben zu scherzen. Was kann Ihnen an
meinem Urtheil gelegen sein?"

"Mehr, als Ihre jedenfalls halb erkünstelte Be¬
scheidenheit zu glauben vorgiebt. Eine Frau hält stets

ſie wollte. Ich ſtellte ihr frei, ihr Leben nach ihrem
Belieben einzurichten, und bat ſie nur, zu bleiben.
Aber es war die alte Geſchichte von dem Froſch
und dem goldenen Stuhl. Ein paar Wochen hielt ſie
das zahme Leben aus; und eines ſchönen Morgens
war ſie verſchwunden — ſie und die Czika. Später
ſind ſie wiederholt in dieſe Gegend gekommen, aber
hierher zu mir kommen ſie nicht mehr. Die Iſabel
grollt mir entweder noch, oder ſie iſt eiferſüchtig auf
mich und fürchtet, ich werde ihr die Czika ſtehlen.
Und doch muß ſie einſehen, daß ich es gut mit ihr
meine. Die Leute im Dorf haben Befehl, ihr, wenn
ſie vorſpricht, jede Gefälligkeit zu erweiſen, der Förſter
hat den Auftrag, ſie unbeläſtigt im Walde zu laſſen;
und ich verſage mir das Vergnügen, ſie aufzuſuchen,
weil ich fürchte, ſie ganz zu verſcheuchen. Das iſt
meine Geſchichte von der braunen Gräfin. Sind Sie
mir noch bös?“

„Welches Recht hätte ich dazu?“

„Nun, Sie machten vorher ein ſo finſteres Geſicht,
daß ich mich ganz als arme Sünderin fühlte.“

„Sie belieben zu ſcherzen. Was kann Ihnen an
meinem Urtheil gelegen ſein?“

„Mehr, als Ihre jedenfalls halb erkünſtelte Be¬
ſcheidenheit zu glauben vorgiebt. Eine Frau hält ſtets

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0167" n="157"/>
&#x017F;ie wollte. Ich &#x017F;tellte ihr frei, ihr Leben nach ihrem<lb/>
Belieben einzurichten, und bat &#x017F;ie nur, zu bleiben.<lb/>
Aber es war die alte Ge&#x017F;chichte von dem Fro&#x017F;ch<lb/>
und dem goldenen Stuhl. Ein paar Wochen hielt &#x017F;ie<lb/>
das zahme Leben aus; und eines &#x017F;chönen Morgens<lb/>
war &#x017F;ie ver&#x017F;chwunden &#x2014; &#x017F;ie und die Czika. Später<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;ie wiederholt in die&#x017F;e Gegend gekommen, aber<lb/>
hierher zu mir kommen &#x017F;ie nicht mehr. Die I&#x017F;abel<lb/>
grollt mir entweder noch, oder &#x017F;ie i&#x017F;t eifer&#x017F;üchtig auf<lb/>
mich und fürchtet, ich werde ihr die Czika &#x017F;tehlen.<lb/>
Und doch muß &#x017F;ie ein&#x017F;ehen, daß ich es gut mit ihr<lb/>
meine. Die Leute im Dorf haben Befehl, ihr, wenn<lb/>
&#x017F;ie vor&#x017F;pricht, jede Gefälligkeit zu erwei&#x017F;en, der För&#x017F;ter<lb/>
hat den Auftrag, &#x017F;ie unbelä&#x017F;tigt im Walde zu la&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
und ich ver&#x017F;age mir das Vergnügen, &#x017F;ie aufzu&#x017F;uchen,<lb/>
weil ich fürchte, &#x017F;ie ganz zu ver&#x017F;cheuchen. Das i&#x017F;t<lb/>
meine Ge&#x017F;chichte von der braunen Gräfin. Sind Sie<lb/>
mir noch bös?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Welches Recht hätte ich dazu?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun, Sie machten vorher ein &#x017F;o fin&#x017F;teres Ge&#x017F;icht,<lb/>
daß ich mich ganz als arme Sünderin fühlte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie belieben zu &#x017F;cherzen. Was kann Ihnen an<lb/>
meinem Urtheil gelegen &#x017F;ein?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mehr, als Ihre jedenfalls halb erkün&#x017F;telte Be¬<lb/>
&#x017F;cheidenheit zu glauben vorgiebt. Eine Frau hält &#x017F;tets<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0167] ſie wollte. Ich ſtellte ihr frei, ihr Leben nach ihrem Belieben einzurichten, und bat ſie nur, zu bleiben. Aber es war die alte Geſchichte von dem Froſch und dem goldenen Stuhl. Ein paar Wochen hielt ſie das zahme Leben aus; und eines ſchönen Morgens war ſie verſchwunden — ſie und die Czika. Später ſind ſie wiederholt in dieſe Gegend gekommen, aber hierher zu mir kommen ſie nicht mehr. Die Iſabel grollt mir entweder noch, oder ſie iſt eiferſüchtig auf mich und fürchtet, ich werde ihr die Czika ſtehlen. Und doch muß ſie einſehen, daß ich es gut mit ihr meine. Die Leute im Dorf haben Befehl, ihr, wenn ſie vorſpricht, jede Gefälligkeit zu erweiſen, der Förſter hat den Auftrag, ſie unbeläſtigt im Walde zu laſſen; und ich verſage mir das Vergnügen, ſie aufzuſuchen, weil ich fürchte, ſie ganz zu verſcheuchen. Das iſt meine Geſchichte von der braunen Gräfin. Sind Sie mir noch bös?“ „Welches Recht hätte ich dazu?“ „Nun, Sie machten vorher ein ſo finſteres Geſicht, daß ich mich ganz als arme Sünderin fühlte.“ „Sie belieben zu ſcherzen. Was kann Ihnen an meinem Urtheil gelegen ſein?“ „Mehr, als Ihre jedenfalls halb erkünſtelte Be¬ ſcheidenheit zu glauben vorgiebt. Eine Frau hält ſtets

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/167
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/167>, abgerufen am 22.11.2024.