"Besagte Spötter könnten behaupten, daß, sich selbst und Anderen einen romantischen blauen Dunst vorzumachen, allerdings ein wesentlicher Zug germani¬ scher, besonders christlich-germanischer Natur sei."
Der Pfarrer sah Oswald mit einem schnellen, lauernden Blick halb über die Brillengläser hinweg an, als hätte er gern auf einmal herausgebracht, wie weit er seinem Gaste trauen dürfe. Da er es aber für einen Mann von klassischer Bildung unschicklich fand, auf einen Scherz, auch wenn derselbe an's Frivole streifte, nicht einzugehen, so antwortete er mit sauer¬ süßem Lächeln: "Nicht übel, nicht übel! Aber was wäre vor den Spöttern sicher? Freilich, wir könnten antworten: ex fumo lucem! ex fumo lucem! Licht aus dem Rauche! -- Aber setzen wir uns, lieber Freund, setzen wir uns! Wie befindet sich denn der gute, liebe Baron und die gnädige Baronin? Ach! Sie können sich glücklich schätzen, lieber Freund, in solchem Hause leben zu dürfen unter so vortrefflichen Menschen, die mit dem Geburtsadel den wahren Adel der Seele verbinden -- vor Allem die gnädige Baroneß, eine fromme und sehr gebildete Dame, die Alles ex fundamento kennen lernen will. Sie liest jetzt Schleier¬ machers Reden über die Religion --"
„Wie das, Werthgeſchätzteſter?“
„Beſagte Spötter könnten behaupten, daß, ſich ſelbſt und Anderen einen romantiſchen blauen Dunſt vorzumachen, allerdings ein weſentlicher Zug germani¬ ſcher, beſonders chriſtlich-germaniſcher Natur ſei.“
Der Pfarrer ſah Oswald mit einem ſchnellen, lauernden Blick halb über die Brillengläſer hinweg an, als hätte er gern auf einmal herausgebracht, wie weit er ſeinem Gaſte trauen dürfe. Da er es aber für einen Mann von klaſſiſcher Bildung unſchicklich fand, auf einen Scherz, auch wenn derſelbe an's Frivole ſtreifte, nicht einzugehen, ſo antwortete er mit ſauer¬ ſüßem Lächeln: „Nicht übel, nicht übel! Aber was wäre vor den Spöttern ſicher? Freilich, wir könnten antworten: ex fumo lucem! ex fumo lucem! Licht aus dem Rauche! — Aber ſetzen wir uns, lieber Freund, ſetzen wir uns! Wie befindet ſich denn der gute, liebe Baron und die gnädige Baronin? Ach! Sie können ſich glücklich ſchätzen, lieber Freund, in ſolchem Hauſe leben zu dürfen unter ſo vortrefflichen Menſchen, die mit dem Geburtsadel den wahren Adel der Seele verbinden — vor Allem die gnädige Baroneß, eine fromme und ſehr gebildete Dame, die Alles ex fundamento kennen lernen will. Sie lieſt jetzt Schleier¬ machers Reden über die Religion —“
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„Wie das, Werthgeſchätzteſter?“
„Beſagte Spötter könnten behaupten, daß, ſich
ſelbſt und Anderen einen romantiſchen blauen Dunſt
vorzumachen, allerdings ein weſentlicher Zug germani¬
ſcher, beſonders chriſtlich-germaniſcher Natur ſei.“
Der Pfarrer ſah Oswald mit einem ſchnellen,
lauernden Blick halb über die Brillengläſer hinweg an,
als hätte er gern auf einmal herausgebracht, wie weit
er ſeinem Gaſte trauen dürfe. Da er es aber für
einen Mann von klaſſiſcher Bildung unſchicklich fand,
auf einen Scherz, auch wenn derſelbe an's Frivole
ſtreifte, nicht einzugehen, ſo antwortete er mit ſauer¬
ſüßem Lächeln: „Nicht übel, nicht übel! Aber was
wäre vor den Spöttern ſicher? Freilich, wir könnten
antworten: ex fumo lucem! ex fumo lucem! Licht
aus dem Rauche! — Aber ſetzen wir uns, lieber
Freund, ſetzen wir uns! Wie befindet ſich denn der
gute, liebe Baron und die gnädige Baronin? Ach!
Sie können ſich glücklich ſchätzen, lieber Freund, in
ſolchem Hauſe leben zu dürfen unter ſo vortrefflichen
Menſchen, die mit dem Geburtsadel den wahren Adel
der Seele verbinden — vor Allem die gnädige Baroneß,
eine fromme und ſehr gebildete Dame, die Alles ex
fundamento kennen lernen will. Sie lieſt jetzt Schleier¬
machers Reden über die Religion —“
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/114>, abgerufen am 28.11.2024.
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