ein fester Punkt ist, um den sich möglicherweise etwas krystallisiren könnte; nichts von jener Käferphilosophie, die jeden Fremden höflich umsummt, in der Hoffnung, die verborgene Blüthe zu finden, aus der sich eine Nahrung saugen ließe. Der kluge Kaufmann schifft der Küste vorüber, die zu arm zum Tauschhandel ist; und kommen doch die Worte: wer nicht für mich ist, der ist wider mich -- aus dem erhabenen Munde, der die Liebe gepredigt hat."
Oswald war, Dies und Aehnliches bei sich überden¬ kend, auf's Gerathewohl, wie es seine Gewohnheit war, wenn ihn etwas lebhaft beschäftigte, in dem ihm un¬ bekannten Dorfe, wo Häuser und Scheunen und Ställe, Mauern und Gärten, dem Fremden unentwirrbar, durcheinander lagen, umhergewandert, und wollte eben aus einem schmalen Gange an der Seite eines statt¬ lichen Hauses auf eine breitere Straße einbiegen, als ihm der Pfarrer, der aus der Kirche kam, gegenüber¬ stand. An ein Ausweichen war nicht zu denken, und Oswalds Versuch, höflich grüßend vorbeizukommen, mißlang gänzlich, denn der Pfarrer hatte ihn kaum er¬ blickt, als er ihm im eigentlichsten Sinne den Weg vertrat, und ihn, als ein geschworner Anhänger der Käferphilosophie, sofort also anredete:
"Ach! ich habe gewiß die Ehre und das Vergnügen
ein feſter Punkt iſt, um den ſich möglicherweiſe etwas kryſtalliſiren könnte; nichts von jener Käferphiloſophie, die jeden Fremden höflich umſummt, in der Hoffnung, die verborgene Blüthe zu finden, aus der ſich eine Nahrung ſaugen ließe. Der kluge Kaufmann ſchifft der Küſte vorüber, die zu arm zum Tauſchhandel iſt; und kommen doch die Worte: wer nicht für mich iſt, der iſt wider mich — aus dem erhabenen Munde, der die Liebe gepredigt hat.“
Oswald war, Dies und Aehnliches bei ſich überden¬ kend, auf's Gerathewohl, wie es ſeine Gewohnheit war, wenn ihn etwas lebhaft beſchäftigte, in dem ihm un¬ bekannten Dorfe, wo Häuſer und Scheunen und Ställe, Mauern und Gärten, dem Fremden unentwirrbar, durcheinander lagen, umhergewandert, und wollte eben aus einem ſchmalen Gange an der Seite eines ſtatt¬ lichen Hauſes auf eine breitere Straße einbiegen, als ihm der Pfarrer, der aus der Kirche kam, gegenüber¬ ſtand. An ein Ausweichen war nicht zu denken, und Oswalds Verſuch, höflich grüßend vorbeizukommen, mißlang gänzlich, denn der Pfarrer hatte ihn kaum er¬ blickt, als er ihm im eigentlichſten Sinne den Weg vertrat, und ihn, als ein geſchworner Anhänger der Käferphiloſophie, ſofort alſo anredete:
„Ach! ich habe gewiß die Ehre und das Vergnügen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0110"n="100"/>
ein feſter Punkt iſt, um den ſich möglicherweiſe etwas<lb/>
kryſtalliſiren könnte; nichts von jener Käferphiloſophie,<lb/>
die jeden Fremden höflich umſummt, in der Hoffnung,<lb/>
die verborgene Blüthe zu finden, aus der ſich eine<lb/>
Nahrung ſaugen ließe. Der kluge Kaufmann ſchifft<lb/>
der Küſte vorüber, die zu arm zum Tauſchhandel iſt;<lb/>
und kommen doch die Worte: wer nicht für mich iſt,<lb/>
der iſt wider mich — aus dem erhabenen Munde, der<lb/>
die Liebe gepredigt hat.“</p><lb/><p>Oswald war, Dies und Aehnliches bei ſich überden¬<lb/>
kend, auf's Gerathewohl, wie es ſeine Gewohnheit war,<lb/>
wenn ihn etwas lebhaft beſchäftigte, in dem ihm un¬<lb/>
bekannten Dorfe, wo Häuſer und Scheunen und Ställe,<lb/>
Mauern und Gärten, dem Fremden unentwirrbar,<lb/>
durcheinander lagen, umhergewandert, und wollte eben<lb/>
aus einem ſchmalen Gange an der Seite eines ſtatt¬<lb/>
lichen Hauſes auf eine breitere Straße einbiegen, als<lb/>
ihm der Pfarrer, der aus der Kirche kam, gegenüber¬<lb/>ſtand. An ein Ausweichen war nicht zu denken, und<lb/>
Oswalds Verſuch, höflich grüßend vorbeizukommen,<lb/>
mißlang gänzlich, denn der Pfarrer hatte ihn kaum er¬<lb/>
blickt, als er ihm im eigentlichſten Sinne den Weg<lb/>
vertrat, und ihn, als ein geſchworner Anhänger der<lb/>
Käferphiloſophie, ſofort alſo anredete:</p><lb/><p>„Ach! ich habe gewiß die Ehre und das Vergnügen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[100/0110]
ein feſter Punkt iſt, um den ſich möglicherweiſe etwas
kryſtalliſiren könnte; nichts von jener Käferphiloſophie,
die jeden Fremden höflich umſummt, in der Hoffnung,
die verborgene Blüthe zu finden, aus der ſich eine
Nahrung ſaugen ließe. Der kluge Kaufmann ſchifft
der Küſte vorüber, die zu arm zum Tauſchhandel iſt;
und kommen doch die Worte: wer nicht für mich iſt,
der iſt wider mich — aus dem erhabenen Munde, der
die Liebe gepredigt hat.“
Oswald war, Dies und Aehnliches bei ſich überden¬
kend, auf's Gerathewohl, wie es ſeine Gewohnheit war,
wenn ihn etwas lebhaft beſchäftigte, in dem ihm un¬
bekannten Dorfe, wo Häuſer und Scheunen und Ställe,
Mauern und Gärten, dem Fremden unentwirrbar,
durcheinander lagen, umhergewandert, und wollte eben
aus einem ſchmalen Gange an der Seite eines ſtatt¬
lichen Hauſes auf eine breitere Straße einbiegen, als
ihm der Pfarrer, der aus der Kirche kam, gegenüber¬
ſtand. An ein Ausweichen war nicht zu denken, und
Oswalds Verſuch, höflich grüßend vorbeizukommen,
mißlang gänzlich, denn der Pfarrer hatte ihn kaum er¬
blickt, als er ihm im eigentlichſten Sinne den Weg
vertrat, und ihn, als ein geſchworner Anhänger der
Käferphiloſophie, ſofort alſo anredete:
„Ach! ich habe gewiß die Ehre und das Vergnügen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/110>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.