Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Pia Desideria. Frankfurt (Main), 1676.

Bild:
<< vorherige Seite

betrübnuß meiner seelen ich offt hieran ge-
dencke/ und jetzo dieses schreibe: Daß ich
gleichwol nicht anders sagen kan/ als daß
wir prediger in unserm stande so viele re-
formation
bedürffen/ als immer einiger
stande bedürffen mag. Wie gemeiniglich
GOTT/ so offt er eine reformation, zum
exempel in dem Alten Testament durch die
gottselige könige/ vorgehabt/ solche an dem
geistlichen stand hat lassen anfangen. Jch
nehme mich auch nicht auß der zahl der
jenigen/ welche in unserm stand bißher deß
ruhms manglen/ den wir vor Gott und der
kirchen haben solten/ sondern sehe mehr und
mehr/ woran es mir auch selbst mangele/
bereit auch von andern fernere erinnerungen
brüderlich anzunehmen. Ja/ es betrübt
mich nichts mehr/ als daß ich fast nicht sehe/
wie in solcher greulicher verderbnuß unser
einer sein gewissen retten möge.

Wir müssen ja bekennen/ daß nicht nur
in unserm stande hin und wieder leute ge-
funden werden/ die gleichwol auch von
offentlichen ärgernussen nicht frey sind/ son-
dern/ daß etwa der jenigen viel weniger
sind/ als das erste ansehen zeigen solte/

welche

betruͤbnuß meiner ſeelen ich offt hieran ge-
dencke/ und jetzo dieſes ſchreibe: Daß ich
gleichwol nicht anders ſagen kan/ als daß
wir prediger in unſerm ſtande ſo viele re-
formation
beduͤrffen/ als immer einiger
ſtande beduͤrffen mag. Wie gemeiniglich
GOTT/ ſo offt er eine reformation, zum
exempel in dem Alten Teſtament durch die
gottſelige koͤnige/ vorgehabt/ ſolche an dem
geiſtlichen ſtand hat laſſen anfangen. Jch
nehme mich auch nicht auß der zahl der
jenigen/ welche in unſerm ſtand bißher deß
ruhms manglen/ den wir vor Gott und der
kirchen haben ſolten/ ſondern ſehe mehr und
mehr/ woran es mir auch ſelbſt mangele/
bereit auch von andern fernere eriñerungen
bruͤderlich anzunehmen. Ja/ es betruͤbt
mich nichts mehr/ als daß ich faſt nicht ſehe/
wie in ſolcher greulicher verderbnuß unſer
einer ſein gewiſſen retten moͤge.

Wir muͤſſen ja bekennen/ daß nicht nur
in unſerm ſtande hin und wieder leute ge-
funden werden/ die gleichwol auch von
offentlichen aͤrgernuſſen nicht frey ſind/ ſon-
dern/ daß etwa der jenigen viel weniger
ſind/ als das erſte anſehen zeigen ſolte/

welche
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0038" n="12"/>
betru&#x0364;bnuß meiner &#x017F;eelen ich offt hieran ge-<lb/>
dencke/ und jetzo die&#x017F;es &#x017F;chreibe: Daß ich<lb/>
gleichwol nicht anders &#x017F;agen kan/ als daß<lb/>
wir prediger in un&#x017F;erm &#x017F;tande &#x017F;o viele <hi rendition="#aq">re-<lb/>
formation</hi> bedu&#x0364;rffen/ als immer einiger<lb/>
&#x017F;tande bedu&#x0364;rffen mag. Wie gemeiniglich<lb/>
GOTT/ &#x017F;o offt er eine <hi rendition="#aq">reformation,</hi> zum<lb/>
exempel in dem Alten Te&#x017F;tament durch die<lb/>
gott&#x017F;elige ko&#x0364;nige/ vorgehabt/ &#x017F;olche an dem<lb/>
gei&#x017F;tlichen &#x017F;tand hat la&#x017F;&#x017F;en anfangen. Jch<lb/>
nehme mich auch nicht auß der zahl der<lb/>
jenigen/ welche in un&#x017F;erm &#x017F;tand bißher deß<lb/>
ruhms manglen/ den wir vor Gott und der<lb/>
kirchen haben &#x017F;olten/ &#x017F;ondern &#x017F;ehe mehr und<lb/>
mehr/ woran es mir auch &#x017F;elb&#x017F;t mangele/<lb/>
bereit auch von andern fernere eriñerungen<lb/>
bru&#x0364;derlich anzunehmen. Ja/ es betru&#x0364;bt<lb/>
mich nichts mehr/ als daß ich fa&#x017F;t nicht &#x017F;ehe/<lb/>
wie in &#x017F;olcher greulicher verderbnuß un&#x017F;er<lb/>
einer &#x017F;ein gewi&#x017F;&#x017F;en retten mo&#x0364;ge.</p><lb/>
        <p>Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ja bekennen/ daß nicht nur<lb/>
in un&#x017F;erm &#x017F;tande hin und wieder leute ge-<lb/>
funden werden/ die gleichwol auch von<lb/>
offentlichen a&#x0364;rgernu&#x017F;&#x017F;en nicht frey &#x017F;ind/ &#x017F;on-<lb/>
dern/ daß etwa der jenigen viel weniger<lb/>
&#x017F;ind/ als das er&#x017F;te an&#x017F;ehen zeigen &#x017F;olte/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">welche</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0038] betruͤbnuß meiner ſeelen ich offt hieran ge- dencke/ und jetzo dieſes ſchreibe: Daß ich gleichwol nicht anders ſagen kan/ als daß wir prediger in unſerm ſtande ſo viele re- formation beduͤrffen/ als immer einiger ſtande beduͤrffen mag. Wie gemeiniglich GOTT/ ſo offt er eine reformation, zum exempel in dem Alten Teſtament durch die gottſelige koͤnige/ vorgehabt/ ſolche an dem geiſtlichen ſtand hat laſſen anfangen. Jch nehme mich auch nicht auß der zahl der jenigen/ welche in unſerm ſtand bißher deß ruhms manglen/ den wir vor Gott und der kirchen haben ſolten/ ſondern ſehe mehr und mehr/ woran es mir auch ſelbſt mangele/ bereit auch von andern fernere eriñerungen bruͤderlich anzunehmen. Ja/ es betruͤbt mich nichts mehr/ als daß ich faſt nicht ſehe/ wie in ſolcher greulicher verderbnuß unſer einer ſein gewiſſen retten moͤge. Wir muͤſſen ja bekennen/ daß nicht nur in unſerm ſtande hin und wieder leute ge- funden werden/ die gleichwol auch von offentlichen aͤrgernuſſen nicht frey ſind/ ſon- dern/ daß etwa der jenigen viel weniger ſind/ als das erſte anſehen zeigen ſolte/ welche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_piadesideria_1676
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_piadesideria_1676/38
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Pia Desideria. Frankfurt (Main), 1676, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_piadesideria_1676/38>, abgerufen am 24.11.2024.