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Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687.

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sein bestes suchet und meynet. Denn soll er
sein bestes finden und überkommen/ so muß
er sein bestes verlieren/ als vor gesagt ist.
Und will der mensch sein bestes lassen und
verlieren/ auff daß er sein bestes finde/ so
ist es aber falsch. Und darum mögen
wenig menschen auff diesen weg kommen.
Diß falsche liecht spricht: Man soll ohn
gewissen seyn/ und es sey eine thorheit/ und
eine grobheit/ daß man damit umgehet/ und
will das bewähren mit Christo/ dann der
war ohn gewissen. Darauff antwortet
man: der Teuffel hat auch kein gewissen/
und ist darum desto besser nicht. Nun mer-
cke/ was das gewissen sey. Es ist/ daß man
erkennet/ daß der mensch ist abgekehret oder
abgewandt worden mit seinem willen von
GOtt/ das man sü[n]de heist/ und daß diß
des menschen schuld ist/ und nicht Gottes/
denn GOTT ist unschuldig an der sünde.
Wer ist nun/ der sich unschuldig weiß?
Allein Christus/ und keiner mehr. Siehe/
wer nun ohne gewissen ist/ der ist entweder
Christus oder Teuffel. Kürtzlich wo das
wahre licht ist/ das ist auch ein wahres rech-
tes leben/ das GOtt werth und lieb ist. Und
ob schon nicht Christus leben in vollkom-

menheit

ſein beſtes ſuchet und meynet. Denn ſoll er
ſein beſtes finden und überkommen/ ſo muß
er ſein beſtes verlieren/ als vor geſagt iſt.
Und will der menſch ſein beſtes laſſen und
verlieren/ auff daß er ſein beſtes finde/ ſo
iſt es aber falſch. Und darum moͤgen
wenig menſchen auff dieſen weg kommen.
Diß falſche liecht ſpricht: Man ſoll ohn
gewiſſen ſeyn/ und es ſey eine thorheit/ und
eine grobheit/ daß man damit umgehet/ und
will das bewaͤhren mit Chriſto/ dann der
war ohn gewiſſen. Darauff antwortet
man: der Teuffel hat auch kein gewiſſen/
und iſt darum deſto beſſer nicht. Nun mer-
cke/ was das gewiſſen ſey. Es iſt/ daß man
erkennet/ daß der menſch iſt abgekehret oder
abgewandt worden mit ſeinem willen von
GOtt/ das man ſü[n]de heiſt/ und daß diß
des menſchen ſchuld iſt/ und nicht Gottes/
denn GOTT iſt unſchuldig an der ſünde.
Wer iſt nun/ der ſich unſchuldig weiß?
Allein Chriſtus/ und keiner mehr. Siehe/
wer nun ohne gewiſſen iſt/ der iſt entweder
Chriſtus oder Teuffel. Kürtzlich wo das
wahre licht iſt/ das iſt auch ein wahres rech-
tes leben/ das GOtt werth und lieb iſt. Und
ob ſchon nicht Chriſtus leben in vollkom-

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[376/0438] ſein beſtes ſuchet und meynet. Denn ſoll er ſein beſtes finden und überkommen/ ſo muß er ſein beſtes verlieren/ als vor geſagt iſt. Und will der menſch ſein beſtes laſſen und verlieren/ auff daß er ſein beſtes finde/ ſo iſt es aber falſch. Und darum moͤgen wenig menſchen auff dieſen weg kommen. Diß falſche liecht ſpricht: Man ſoll ohn gewiſſen ſeyn/ und es ſey eine thorheit/ und eine grobheit/ daß man damit umgehet/ und will das bewaͤhren mit Chriſto/ dann der war ohn gewiſſen. Darauff antwortet man: der Teuffel hat auch kein gewiſſen/ und iſt darum deſto beſſer nicht. Nun mer- cke/ was das gewiſſen ſey. Es iſt/ daß man erkennet/ daß der menſch iſt abgekehret oder abgewandt worden mit ſeinem willen von GOtt/ das man ſünde heiſt/ und daß diß des menſchen ſchuld iſt/ und nicht Gottes/ denn GOTT iſt unſchuldig an der ſünde. Wer iſt nun/ der ſich unſchuldig weiß? Allein Chriſtus/ und keiner mehr. Siehe/ wer nun ohne gewiſſen iſt/ der iſt entweder Chriſtus oder Teuffel. Kürtzlich wo das wahre licht iſt/ das iſt auch ein wahres rech- tes leben/ das GOtt werth und lieb iſt. Und ob ſchon nicht Chriſtus leben in vollkom- menheit

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_natur_1687/438>, abgerufen am 25.11.2024.