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Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687.

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haben/ sehr leicht begegnet/ daß sie über sich
und ihre wercke ein allzuhefftig urtheil fül-
len: und möchte Christus noch manchmal
zu einer rechtschaffenen seele sagen/ Hohel.
1/ 8. Kennestu dich nicht/ du schönste
unter den weibern?
Welches herkommet
zu weilen aus einer natürlichen schwermuth
und angsthafftigkeit/ da in dem tempera-
ment des leibes gleichsam viel finsternis ist/
welche/ was so zu reden von liecht in die seele
komt/ stracks etwas verdunckelt/ und siehet
sie dasselbe mit geschwärtzten augen auch
schwärtzlich an: Weswegen was nach-
mal/ wie in andern sachen/ also auch in dem
Christenthum einige angst oder sorge ma-
chen kan/ findet schon in der seele die natür-
liche fähigkeit dazu/ und fasset gleich/ was a-
ber trost und freudigkeit ist/ hat keinen sol-
chen eingang/ oder wird doch gleich durch
jene dunckelheit verhindert. Zu weilen a-
ber kan es auch ausser solchem temperament
und complexion geschehen/ daß GOtt in
schweren anfechtungen in der seele das jeni-
ge zurück hält/ was sich dessen/ so freudig
ist/ annehmen könte/ und er selbs/ da er sei-
ne schrecken in die selbe empfindlich gedruckt/
dadurch die fühlung des trostes hindert.

Wel-

haben/ ſehr leicht begegnet/ daß ſie über ſich
und ihre wercke ein allzuhefftig urtheil fül-
len: und moͤchte Chriſtus noch manchmal
zu einer rechtſchaffenen ſeele ſagen/ Hohel.
1/ 8. Kenneſtu dich nicht/ du ſchoͤnſte
unter den weibern?
Welches herkommet
zu weilen aus einer natürlichen ſchweꝛmuth
und angſthafftigkeit/ da in dem tempera-
ment des leibes gleichſam viel finſternis iſt/
welche/ was ſo zu reden von liecht in die ſeele
komt/ ſtracks etwas verdunckelt/ und ſiehet
ſie daſſelbe mit geſchwaͤrtzten augen auch
ſchwaͤrtzlich an: Weswegen was nach-
mal/ wie in andern ſachen/ alſo auch in dem
Chriſtenthum einige angſt oder ſorge ma-
chen kan/ findet ſchon in der ſeele die natür-
liche faͤhigkeit dazu/ und faſſet gleich/ was a-
ber troſt und freudigkeit iſt/ hat keinen ſol-
chen eingang/ oder wird doch gleich durch
jene dunckelheit verhindert. Zu weilen a-
ber kan es auch auſſer ſolchem temperament
und complexion geſchehen/ daß GOtt in
ſchweren anfechtungen in der ſeele das jeni-
ge zurück haͤlt/ was ſich deſſen/ ſo freudig
iſt/ annehmen koͤnte/ und er ſelbs/ da er ſei-
ne ſchrecken in die ſelbe empfindlich gedꝛuckt/
dadurch die fühlung des troſtes hindert.

Wel-
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[284/0346] haben/ ſehr leicht begegnet/ daß ſie über ſich und ihre wercke ein allzuhefftig urtheil fül- len: und moͤchte Chriſtus noch manchmal zu einer rechtſchaffenen ſeele ſagen/ Hohel. 1/ 8. Kenneſtu dich nicht/ du ſchoͤnſte unter den weibern? Welches herkommet zu weilen aus einer natürlichen ſchweꝛmuth und angſthafftigkeit/ da in dem tempera- ment des leibes gleichſam viel finſternis iſt/ welche/ was ſo zu reden von liecht in die ſeele komt/ ſtracks etwas verdunckelt/ und ſiehet ſie daſſelbe mit geſchwaͤrtzten augen auch ſchwaͤrtzlich an: Weswegen was nach- mal/ wie in andern ſachen/ alſo auch in dem Chriſtenthum einige angſt oder ſorge ma- chen kan/ findet ſchon in der ſeele die natür- liche faͤhigkeit dazu/ und faſſet gleich/ was a- ber troſt und freudigkeit iſt/ hat keinen ſol- chen eingang/ oder wird doch gleich durch jene dunckelheit verhindert. Zu weilen a- ber kan es auch auſſer ſolchem temperament und complexion geſchehen/ daß GOtt in ſchweren anfechtungen in der ſeele das jeni- ge zurück haͤlt/ was ſich deſſen/ ſo freudig iſt/ annehmen koͤnte/ und er ſelbs/ da er ſei- ne ſchrecken in die ſelbe empfindlich gedꝛuckt/ dadurch die fühlung des troſtes hindert. Wel-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_natur_1687/346>, abgerufen am 23.11.2024.