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Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687.

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sich etwa/ da wir seiner ansichtig werden/
oder auch sonst/ das geblüt in uns will an-
fangen zu wallen/ und eine widrigkeit wider
ihn erwecken/ wir auch wol dergleichen
aufzusteigen fühlen hingegen dennoch auch
in unserer seele sich etwas vor den feind rege/
uns seine person mehr mitleydens als has-
ses wurdig vorstelle/ und alsdenn jene na-
türliche zorn-bewegung besänfftige: welche
erbarmende/ und dem feind noch gutes/ son-
derlich seine bekehrung/ gönnende und ver-
langende bewegung eine regung ist der wah-
ren liebe/ und jenes locken des fleisches zum
haß überwinden muß. Damit man sich
aber auch in solcher innerlichen regung der
liebe nicht heuchle und betriege/ so muß 5. sich
sothane liebe/ da wir den feind in der war-
heit
lieben/ auch in der that/ wo es möglich
ist/ hervor thun/ damit diese uns und ande-
re von der auffrichtigkeit überzeuge. Jn
dem sonsten/ welche sich gern betriegen/ dar-
zu auch unser aller hertzen geneiget sind/ sich
gar leicht eine einbildung machen mögen/
sonderlich wo sie dem feind nicht schaden
können/ sie hätten in dem hertzen eine liebe
gegen ihm/ in dem sie ihm ja nichts böses
thäten/ solte aber eine gelegenheit/ ihm gu-

tes

ſich etwa/ da wir ſeiner anſichtig werden/
oder auch ſonſt/ das geblüt in uns will an-
fangen zu wallen/ und eine widrigkeit wider
ihn erwecken/ wir auch wol dergleichen
aufzuſteigen fühlen hingegen dennoch auch
in unſerer ſeele ſich etwas vor den feind rege/
uns ſeine perſon mehr mitleydens als haſ-
ſes wurdig vorſtelle/ und alsdenn jene na-
türliche zorn-bewegung beſaͤnfftige: welche
erbarmende/ und dem feind noch gutes/ ſon-
derlich ſeine bekehrung/ goͤnnende und ver-
langende bewegung eine regung iſt deꝛ wah-
ren liebe/ und jenes locken des fleiſches zum
haß überwinden muß. Damit man ſich
aber auch in ſolcher innerlichen regung der
liebe nicht heuchle und betriege/ ſo muß 5. ſich
ſothane liebe/ da wir den feind in der war-
heit
liebẽ/ auch in der that/ wo es moͤglich
iſt/ hervor thun/ damit dieſe uns und ande-
re von der auffrichtigkeit überzeuge. Jn
dem ſonſten/ welche ſich gern betriegen/ dar-
zu auch unſer aller hertzen geneiget ſind/ ſich
gar leicht eine einbildung machen moͤgen/
ſonderlich wo ſie dem feind nicht ſchaden
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[134/0196] ſich etwa/ da wir ſeiner anſichtig werden/ oder auch ſonſt/ das geblüt in uns will an- fangen zu wallen/ und eine widrigkeit wider ihn erwecken/ wir auch wol dergleichen aufzuſteigen fühlen hingegen dennoch auch in unſerer ſeele ſich etwas vor den feind rege/ uns ſeine perſon mehr mitleydens als haſ- ſes wurdig vorſtelle/ und alsdenn jene na- türliche zorn-bewegung beſaͤnfftige: welche erbarmende/ und dem feind noch gutes/ ſon- derlich ſeine bekehrung/ goͤnnende und ver- langende bewegung eine regung iſt deꝛ wah- ren liebe/ und jenes locken des fleiſches zum haß überwinden muß. Damit man ſich aber auch in ſolcher innerlichen regung der liebe nicht heuchle und betriege/ ſo muß 5. ſich ſothane liebe/ da wir den feind in der war- heit liebẽ/ auch in der that/ wo es moͤglich iſt/ hervor thun/ damit dieſe uns und ande- re von der auffrichtigkeit überzeuge. Jn dem ſonſten/ welche ſich gern betriegen/ dar- zu auch unſer aller hertzen geneiget ſind/ ſich gar leicht eine einbildung machen moͤgen/ ſonderlich wo ſie dem feind nicht ſchaden koͤnnen/ ſie haͤtten in dem hertzen eine liebe gegen ihm/ in dem ſie ihm ja nichts boͤſes thaͤten/ ſolte aber eine gelegenheit/ ihm gu- tes

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Natur und Gnade. Frankfurt (Main), 1687, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_natur_1687/196>, abgerufen am 25.11.2024.