Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Der innerliche und geistliche Friede. Frankfurt (Main), 1686.

Bild:
<< vorherige Seite

sich noch so weit nicht/ und er fasse den sinn
deß Heiligen Geistes in solchen orten nicht/
glaubet indessen/ daß auch das darinnen
enthaltene/ so er noch nicht verstehet/ die
wahrheit seye. Auff eine solche art bleibet
das hertz in ruhe/ stehet in der demuth/ und
lässet ihm seinen glauben und frieden nicht
verstöhren: Weißt dannoch/ daß auch die
jenige ort und reden der Schrifft nicht oh-
ne nutzen sind/ die es nicht fasset/ aber sich
erinnert/ daß die Schrifft ein allgemein
Buch aller kinder GOttes/ nicht aber um
seinet willen allein geschrieben seye/ daher
andern gern gönnet/ daß auch dieselbe sol-
che dinge und weißheit/ welche ihm zu hoch
sind/ in der Schrifft finden/ die sie nach
ihrem höhern maaß nützlich verstehen.

§. 11.

Wir haben dessen ein bekantes
exempel/ in der materie von der gnaden-
wahl/
welche in einfältigen sprüchen der
Schrifft so deutlich uns vorgestellet ist/
daß eine GOtt-liebende seele zu ihrer selig-
keit gnug darinnen finden/ und sich zu frie-
den begeben kan. Hingegen finden sich an-
dere stellen und sprüche/ welche sehr hart
lauten/ und wo wir sie nicht recht fassen
können/ allerley scrupel gegen jenen ein-

fältigen

ſich noch ſo weit nicht/ und er faſſe den ſinn
deß Heiligen Geiſtes in ſolchen orten nicht/
glaubet indeſſen/ daß auch das darinnen
enthaltene/ ſo er noch nicht verſtehet/ die
wahrheit ſeye. Auff eine ſolche art bleibet
das hertz in ruhe/ ſtehet in der demuth/ und
laͤſſet ihm ſeinen glauben und frieden nicht
verſtoͤhren: Weißt dannoch/ daß auch die
jenige ort und reden der Schrifft nicht oh-
ne nutzen ſind/ die es nicht faſſet/ aber ſich
erinnert/ daß die Schrifft ein allgemein
Buch aller kinder GOttes/ nicht aber um
ſeinet willen allein geſchrieben ſeye/ daher
andern gern goͤnnet/ daß auch dieſelbe ſol-
che dinge und weißheit/ welche ihm zu hoch
ſind/ in der Schrifft finden/ die ſie nach
ihrem hoͤhern maaß nuͤtzlich verſtehen.

§. 11.

Wir haben deſſen ein bekantes
exempel/ in der materie von der gnaden-
wahl/
welche in einfaͤltigen ſpruͤchen der
Schrifft ſo deutlich uns vorgeſtellet iſt/
daß eine GOtt-liebende ſeele zu ihrer ſelig-
keit gnug darinnen finden/ und ſich zu frie-
den begeben kan. Hingegen finden ſich an-
dere ſtellen und ſpruͤche/ welche ſehr hart
lauten/ und wo wir ſie nicht recht faſſen
koͤnnen/ allerley ſcrupel gegen jenen ein-

faͤltigen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0224" n="212"/>
&#x017F;ich noch &#x017F;o weit nicht/ und er fa&#x017F;&#x017F;e den &#x017F;inn<lb/>
deß Heiligen Gei&#x017F;tes in &#x017F;olchen orten nicht/<lb/>
glaubet inde&#x017F;&#x017F;en/ daß auch das darinnen<lb/>
enthaltene/ &#x017F;o er noch nicht ver&#x017F;tehet/ die<lb/>
wahrheit &#x017F;eye. Auff eine &#x017F;olche art bleibet<lb/>
das hertz in ruhe/ &#x017F;tehet in der demuth/ und<lb/>
la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et ihm &#x017F;einen glauben und frieden nicht<lb/>
ver&#x017F;to&#x0364;hren: Weißt dannoch/ daß auch die<lb/>
jenige ort und reden der Schrifft nicht oh-<lb/>
ne nutzen &#x017F;ind/ die es nicht fa&#x017F;&#x017F;et/ aber &#x017F;ich<lb/>
erinnert/ daß die Schrifft ein allgemein<lb/>
Buch aller kinder GOttes/ nicht aber um<lb/>
&#x017F;einet willen allein ge&#x017F;chrieben &#x017F;eye/ daher<lb/>
andern gern go&#x0364;nnet/ daß auch die&#x017F;elbe &#x017F;ol-<lb/>
che dinge und weißheit/ welche ihm zu hoch<lb/>
&#x017F;ind/ in der Schrifft finden/ die &#x017F;ie nach<lb/>
ihrem ho&#x0364;hern maaß nu&#x0364;tzlich ver&#x017F;tehen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 11.</head>
          <p>Wir haben de&#x017F;&#x017F;en ein bekantes<lb/>
exempel/ in der materie von der <hi rendition="#fr">gnaden-<lb/>
wahl/</hi> welche in einfa&#x0364;ltigen &#x017F;pru&#x0364;chen der<lb/>
Schrifft &#x017F;o deutlich uns vorge&#x017F;tellet i&#x017F;t/<lb/>
daß eine GOtt-liebende &#x017F;eele zu ihrer &#x017F;elig-<lb/>
keit gnug darinnen finden/ und &#x017F;ich zu frie-<lb/>
den begeben kan. Hingegen finden &#x017F;ich an-<lb/>
dere &#x017F;tellen und &#x017F;pru&#x0364;che/ welche &#x017F;ehr hart<lb/>
lauten/ und wo wir &#x017F;ie nicht recht fa&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ko&#x0364;nnen/ allerley &#x017F;crupel gegen jenen ein-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fa&#x0364;ltigen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0224] ſich noch ſo weit nicht/ und er faſſe den ſinn deß Heiligen Geiſtes in ſolchen orten nicht/ glaubet indeſſen/ daß auch das darinnen enthaltene/ ſo er noch nicht verſtehet/ die wahrheit ſeye. Auff eine ſolche art bleibet das hertz in ruhe/ ſtehet in der demuth/ und laͤſſet ihm ſeinen glauben und frieden nicht verſtoͤhren: Weißt dannoch/ daß auch die jenige ort und reden der Schrifft nicht oh- ne nutzen ſind/ die es nicht faſſet/ aber ſich erinnert/ daß die Schrifft ein allgemein Buch aller kinder GOttes/ nicht aber um ſeinet willen allein geſchrieben ſeye/ daher andern gern goͤnnet/ daß auch dieſelbe ſol- che dinge und weißheit/ welche ihm zu hoch ſind/ in der Schrifft finden/ die ſie nach ihrem hoͤhern maaß nuͤtzlich verſtehen. §. 11. Wir haben deſſen ein bekantes exempel/ in der materie von der gnaden- wahl/ welche in einfaͤltigen ſpruͤchen der Schrifft ſo deutlich uns vorgeſtellet iſt/ daß eine GOtt-liebende ſeele zu ihrer ſelig- keit gnug darinnen finden/ und ſich zu frie- den begeben kan. Hingegen finden ſich an- dere ſtellen und ſpruͤche/ welche ſehr hart lauten/ und wo wir ſie nicht recht faſſen koͤnnen/ allerley ſcrupel gegen jenen ein- faͤltigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_friede_1686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_friede_1686/224
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Der innerliche und geistliche Friede. Frankfurt (Main), 1686, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_friede_1686/224>, abgerufen am 24.11.2024.