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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. I. SECTIO XIII.
che: Sondern nur allein zeige, wie in den eusserlichen dingen an ihnen, je
nach dem das hertz ist, unterschiedliches nicht eben vor unrecht geachtet
werden mag was sonsten an andern nicht anders könte, als eine frucht des
innern hochmuths seyn, da sie keine rechtschaffene ursach dessen haben. Bey
jenen grossen aber wird erfordert bey allem ihrem eusserlichen splendor das
hertz der Esther, wie solches Stück in Esth. 2, 16. beschrieben wird, bey
andern aber deroselben bedienten, daß es aus gehorsam geschehe, was sie
darinnen thun und tragen: Das dritte betreffend, laßt sich auch nicht wol
ein gewisses maaß der erkäntnüß insgemein vorschreiben vor einfältige
bauers-leute. Mit wenigem fasse ich meine gedancken also zusammen.
Vieles auswendig zu lernen, ist schlechter dings nicht nöthig: Ja ich wolte
auch bey denen die fähiger sind, nicht fordern/ daß sie mehr auswendig lerne-
ten, als den gemeinen Cathechismum Lutheri, und wo sie etwas weiters haben
wolten, mehrere sprüche aus der bibel; Die dahin nicht kommen könten, wür-
de ich abermal mit einem geringern zu frieden seyn. Was aber den ver-
stand selbs anlangt, so wird von allen insgesamt erfodert der glaube an
Christum, und also die erkäntnüß CHristi, und zwar wie er unser Erlö-
ser seye, und uns die gnade seines Vaters erlangt hat, so dann, daß wir aus
deroselben allein selig werden, durch den glauben ohne einiges verdienst:
Wie uns auch solche gnade in der tauff warhafftig geschenckt seye, und in
dem heiligen abendmahl versiglet werde. Da sehen wir aber, daß in sol-
chen materien alle die articul fast einfliessen von GOtt, den 3. personen,
von der schöpffung und bilde GOttes, von der sünde, und menschlichem un-
vermögen, von Christi verdienst, von der buß, von der rechtfertigung, vom
glauben, von der tauff und abendmahl: Nicht, ob müssen einfältige von al-
lem solchen ausführlichen bericht haben, dann derselbe ist über ihre fähig-
keit, sondern daß sie die summen derselben, welche auch ein kind von 7. jahren
begreiffen kan, wahrhafftig fassen. Da gehöret auch dazu, daß die pre-
diger solche materien, was GOTT mit uns menschen je und zu allen zeiten
vorgehabt habe, in den predigten, nachdem es die einfältige fassen mögen,
vortragen, und durch fleißige kinder-lehr nicht so wol in die gedächtnüß,
als in die hertzen der zuhörer bringen. Damit ists, was die erkäntnüß an-
langt, gnug, ob wol die guten leute solche auch nicht eben mit worten wissen
auszutrucken, und sich selbs zu erklären: Man kan aber wol bey ihnen
sehen, ob sie es verstehen: Und hat ein Christlicher prediger wol acht
bey jeglichem zu geben, wie viel sein maaß der gaben und gnaden mit sich
bringe. Jhr liebes land halte ich glückselig, daß die gottseligkeit aufs we-
nigste daselbs in werth gehalten wird, GOTT segne solchen stattlichen an-
fang ferner vortrefflich, und lasse solches land ein liecht werden, das ande-

re
IV. Theil. i

ARTIC. I. SECTIO XIII.
che: Sondern nur allein zeige, wie in den euſſerlichen dingen an ihnen, je
nach dem das hertz iſt, unterſchiedliches nicht eben vor unrecht geachtet
werden mag was ſonſten an andern nicht anders koͤnte, als eine frucht des
innern hochmuths ſeyn, da ſie keine rechtſchaffene urſach deſſen haben. Bey
jenen groſſen aber wird erfordert bey allem ihrem euſſerlichen ſplendor das
hertz der Eſther, wie ſolches Stuͤck in Eſth. 2, 16. beſchrieben wird, bey
andern aber deroſelben bedienten, daß es aus gehorſam geſchehe, was ſie
darinnen thun und tragen: Das dritte betreffend, làßt ſich auch nicht wol
ein gewiſſes maaß der erkaͤntnuͤß insgemein vorſchreiben vor einfaͤltige
bauers-leute. Mit wenigem faſſe ich meine gedancken alſo zuſammen.
Vieles auswendig zu lernen, iſt ſchlechter dings nicht noͤthig: Ja ich wolte
auch bey denen die faͤhiger ſind, nicht fordern/ daß ſie mehr auswendig lerne-
ten, als den gemeinen Cathechiſmum Lutheri, und wo ſie etwas weiters haben
wolten, mehrere ſpruͤche aus der bibel; Die dahin nicht kommen koͤnten, wuͤr-
de ich abermal mit einem geringern zu frieden ſeyn. Was aber den ver-
ſtand ſelbs anlangt, ſo wird von allen insgeſamt erfodert der glaube an
Chriſtum, und alſo die erkaͤntnuͤß CHriſti, und zwar wie er unſer Erloͤ-
ſer ſeye, und uns die gnade ſeines Vaters erlangt hat, ſo dann, daß wir aus
deroſelben allein ſelig werden, durch den glauben ohne einiges verdienſt:
Wie uns auch ſolche gnade in der tauff warhafftig geſchenckt ſeye, und in
dem heiligen abendmahl verſiglet werde. Da ſehen wir aber, daß in ſol-
chen materien alle die articul faſt einflieſſen von GOtt, den 3. perſonen,
von der ſchoͤpffung und bilde GOttes, von der ſuͤnde, und menſchlichem un-
vermoͤgen, von Chriſti verdienſt, von der buß, von der rechtfertigung, vom
glauben, von der tauff und abendmahl: Nicht, ob muͤſſen einfaͤltige von al-
lem ſolchen ausfuͤhrlichen bericht haben, dann derſelbe iſt uͤber ihre faͤhig-
keit, ſondern daß ſie die ſummen derſelben, welche auch ein kind von 7. jahren
begreiffen kan, wahrhafftig faſſen. Da gehoͤret auch dazu, daß die pre-
diger ſolche materien, was GOTT mit uns menſchen je und zu allen zeiten
vorgehabt habe, in den predigten, nachdem es die einfaͤltige faſſen moͤgen,
vortragen, und durch fleißige kinder-lehr nicht ſo wol in die gedaͤchtnuͤß,
als in die hertzen der zuhoͤrer bringen. Damit iſts, was die erkaͤntnuͤß an-
langt, gnug, ob wol die guten leute ſolche auch nicht eben mit worten wiſſen
auszutrucken, und ſich ſelbs zu erklaͤren: Man kan aber wol bey ihnen
ſehen, ob ſie es verſtehen: Und hat ein Chriſtlicher prediger wol acht
bey jeglichem zu geben, wie viel ſein maaß der gaben und gnaden mit ſich
bringe. Jhr liebes land halte ich gluͤckſelig, daß die gottſeligkeit aufs we-
nigſte daſelbs in werth gehalten wird, GOTT ſegne ſolchen ſtattlichen an-
fang ferner vortrefflich, und laſſe ſolches land ein liecht werden, das ande-

re
IV. Theil. i
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[65/0077] ARTIC. I. SECTIO XIII. che: Sondern nur allein zeige, wie in den euſſerlichen dingen an ihnen, je nach dem das hertz iſt, unterſchiedliches nicht eben vor unrecht geachtet werden mag was ſonſten an andern nicht anders koͤnte, als eine frucht des innern hochmuths ſeyn, da ſie keine rechtſchaffene urſach deſſen haben. Bey jenen groſſen aber wird erfordert bey allem ihrem euſſerlichen ſplendor das hertz der Eſther, wie ſolches Stuͤck in Eſth. 2, 16. beſchrieben wird, bey andern aber deroſelben bedienten, daß es aus gehorſam geſchehe, was ſie darinnen thun und tragen: Das dritte betreffend, làßt ſich auch nicht wol ein gewiſſes maaß der erkaͤntnuͤß insgemein vorſchreiben vor einfaͤltige bauers-leute. Mit wenigem faſſe ich meine gedancken alſo zuſammen. Vieles auswendig zu lernen, iſt ſchlechter dings nicht noͤthig: Ja ich wolte auch bey denen die faͤhiger ſind, nicht fordern/ daß ſie mehr auswendig lerne- ten, als den gemeinen Cathechiſmum Lutheri, und wo ſie etwas weiters haben wolten, mehrere ſpruͤche aus der bibel; Die dahin nicht kommen koͤnten, wuͤr- de ich abermal mit einem geringern zu frieden ſeyn. Was aber den ver- ſtand ſelbs anlangt, ſo wird von allen insgeſamt erfodert der glaube an Chriſtum, und alſo die erkaͤntnuͤß CHriſti, und zwar wie er unſer Erloͤ- ſer ſeye, und uns die gnade ſeines Vaters erlangt hat, ſo dann, daß wir aus deroſelben allein ſelig werden, durch den glauben ohne einiges verdienſt: Wie uns auch ſolche gnade in der tauff warhafftig geſchenckt ſeye, und in dem heiligen abendmahl verſiglet werde. Da ſehen wir aber, daß in ſol- chen materien alle die articul faſt einflieſſen von GOtt, den 3. perſonen, von der ſchoͤpffung und bilde GOttes, von der ſuͤnde, und menſchlichem un- vermoͤgen, von Chriſti verdienſt, von der buß, von der rechtfertigung, vom glauben, von der tauff und abendmahl: Nicht, ob muͤſſen einfaͤltige von al- lem ſolchen ausfuͤhrlichen bericht haben, dann derſelbe iſt uͤber ihre faͤhig- keit, ſondern daß ſie die ſummen derſelben, welche auch ein kind von 7. jahren begreiffen kan, wahrhafftig faſſen. Da gehoͤret auch dazu, daß die pre- diger ſolche materien, was GOTT mit uns menſchen je und zu allen zeiten vorgehabt habe, in den predigten, nachdem es die einfaͤltige faſſen moͤgen, vortragen, und durch fleißige kinder-lehr nicht ſo wol in die gedaͤchtnuͤß, als in die hertzen der zuhoͤrer bringen. Damit iſts, was die erkaͤntnuͤß an- langt, gnug, ob wol die guten leute ſolche auch nicht eben mit worten wiſſen auszutrucken, und ſich ſelbs zu erklaͤren: Man kan aber wol bey ihnen ſehen, ob ſie es verſtehen: Und hat ein Chriſtlicher prediger wol acht bey jeglichem zu geben, wie viel ſein maaß der gaben und gnaden mit ſich bringe. Jhr liebes land halte ich gluͤckſelig, daß die gottſeligkeit aufs we- nigſte daſelbs in werth gehalten wird, GOTT ſegne ſolchen ſtattlichen an- fang ferner vortrefflich, und laſſe ſolches land ein liecht werden, das ande- re IV. Theil. i

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/77>, abgerufen am 26.11.2024.