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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
thun, was solche mit sich bringen: aber sie sollen rechts wegen keinen, der ein
christ worden ist, darzu verbinden, etwas nach den vorigen, seiner christlichen
religion nun entgegen lauffendes zu thun. Wie ich dann nun nach obgedachtem,
den neuen christen verbunden glaube, sein ungläubiges ehe-weib zu fortsetzung der
ehe zu persuadiren, so kan er ja keinen scheide-brief, der eine willige loßgebung ist,
und damit nicht sie sondern er den bruch der ehe machte, geben, sondern, wenn ja
die ehe getrennet werden solle, 4. wäre dieser modus zu ergreiffen, daß nach dem
er die güte vergebens gesuchet/ er seine zuflucht zu der christlichen obrigkeit näh-
me, und dero hülffe anruffte, entweder seine ehe-gattin in güte zu fortsetzung der
ehe zu disponiren, oder wo sie halßstarrig bliebe, von ehelicher beywohnung nicht
mehr wissen wolte, und also selbs das band zerrisse, sie vor eine boßhafftige ver-
lasserin zu erklären, und folglich ihn von ihr loßzuzehlen mit erlaubnüß anderer
verehligung. Hiermit geschiehet nichts wider christliche ordnung, sondern eben
dasjenige, was auch unter christen in dem fall geschehe, da eine beharrlich al-
len ehelichen gebrauch versagete, mit dem einigen unterscheid, daß bey dieser,
ehe es zu solchem extremo käme, erst alle schärffste mittel sie zum gehorsam zu
bringen, gebrauchet würden, da man bey einer jüdin es allein bey gütlichen ver-
such liesse. Was endlich die dadurch geschiedene jüdin anlanget, bekenne, daß
ich nicht sehe, wie ihr, wenn die juden unter sich mittel finden, ohne empfan-
genen scheide-brief durch ihre Rabbinen loßgesprochen zu werden (in casu quaesti-
onis
ists eines, da diese den scheide-brief erlanget) eine anderwärtige ehe unter
ihrem volcke anzutreten von der christlichen obrigkeit versagt werden könne. Dann
wo juden aufgenommen werden, geschiehet es allezeit so, sie aufzunehmen als
juden, und also mit der vergünstigung ihrer religions freyheit unter ihnen selbs,
nur daß sie nichts wider unsere religion thun, dieselbe zu lästern, und andere zu ihren
unglauben zu verführen, wie ihnen auch nicht gestattet wird, ihrer gesetze oder tra-
dition
en gegen die unsrigen sich zu gebrauchen. Hingegen können wir sie nicht
zwingen, nach unsern regeln ihr leben anzuschicken. Wie dann christliche obrig-
keit zugeben kan, und wo sie juden aufgenommen hat, zugeben muß, daß sie ih-
re sabbath und feyer halten, ihre ceremonien gebrauchen, ihre kinder beschnei-
den, auf ihre art ihre ehen vollziehen, und so ferner, welches alles unser christlichen
religion nicht gemäß ist. so sehe ich auch nicht, wie der abgeschiedenen person, es sey
nun auf erlangten scheide-brief oder obrigkeitlichen ausspruch, die abermalige ehe ab-
geschlagen oder verboten werden könte, so viel mehr weil auch unter christen dem boß-
hafften verlasser zwar keine weitere ehe ordentlich gestattet wird, so zur straffe sei-
ner boßheit geschiehet, ich aber doch, nicht zweifle, daß zuweilen auch von einigen

die-

Das ſiebende Capitel.
thun, was ſolche mit ſich bringen: aber ſie ſollen rechts wegen keinen, der ein
chriſt worden iſt, darzu verbinden, etwas nach den vorigen, ſeiner chriſtlichen
religion nun entgegen lauffendes zu thun. Wie ich dann nun nach obgedachtem,
den neuen chriſten verbunden glaube, ſein unglaͤubiges ehe-weib zu fortſetzung der
ehe zu perſuadiren, ſo kan er ja keinen ſcheide-brief, der eine willige loßgebung iſt,
und damit nicht ſie ſondern er den bruch der ehe machte, geben, ſondern, wenn ja
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er die guͤte vergebens geſuchet/ er ſeine zuflucht zu der chriſtlichen obrigkeit naͤh-
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ehe zu diſponiren, oder wo ſie halßſtarrig bliebe, von ehelicher beywohnung nicht
mehr wiſſen wolte, und alſo ſelbs das band zerriſſe, ſie vor eine boßhafftige ver-
laſſerin zu erklaͤren, und folglich ihn von ihr loßzuzehlen mit erlaubnuͤß anderer
verehligung. Hiermit geſchiehet nichts wider chriſtliche ordnung, ſondern eben
dasjenige, was auch unter chriſten in dem fall geſchehe, da eine beharrlich al-
len ehelichen gebrauch verſagete, mit dem einigen unterſcheid, daß bey dieſer,
ehe es zu ſolchem extremo kaͤme, erſt alle ſchaͤrffſte mittel ſie zum gehorſam zu
bringen, gebrauchet wuͤrden, da man bey einer juͤdin es allein bey guͤtlichen ver-
ſuch lieſſe. Was endlich die dadurch geſchiedene juͤdin anlanget, bekenne, daß
ich nicht ſehe, wie ihr, wenn die juden unter ſich mittel finden, ohne empfan-
genen ſcheide-brief durch ihre Rabbinen loßgeſprochen zu werden (in caſu quæſti-
onis
iſts eines, da dieſe den ſcheide-brief erlanget) eine anderwaͤrtige ehe unter
ihrem volcke anzutreten von der chriſtlichen obrigkeit verſagt werden koͤnne. Dann
wo juden aufgenommen werden, geſchiehet es allezeit ſo, ſie aufzunehmen als
juden, und alſo mit der verguͤnſtigung ihrer religions freyheit unter ihnen ſelbs,
nur daß ſie nichts wider unſere religion thun, dieſelbe zu laͤſtern, und andere zu ihren
unglauben zu verfuͤhren, wie ihnen auch nicht geſtattet wird, ihrer geſetze oder tra-
dition
en gegen die unſrigen ſich zu gebrauchen. Hingegen koͤnnen wir ſie nicht
zwingen, nach unſern regeln ihr leben anzuſchicken. Wie dann chriſtliche obrig-
keit zugeben kan, und wo ſie juden aufgenommen hat, zugeben muß, daß ſie ih-
re ſabbath und feyer halten, ihre ceremonien gebrauchen, ihre kinder beſchnei-
den, auf ihre art ihre ehen vollziehen, und ſo ferner, welches alles unſer chriſtlichen
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nun auf eꝛlangten ſcheide-bꝛief oder obꝛigkeitlichen ausſpꝛuch, die abeꝛmalige ehe ab-
geſchlagen odeꝛ verboten weꝛden koͤnte, ſo viel mehr weil auch unteꝛ chꝛiſten dem boß-
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[736/0748] Das ſiebende Capitel. thun, was ſolche mit ſich bringen: aber ſie ſollen rechts wegen keinen, der ein chriſt worden iſt, darzu verbinden, etwas nach den vorigen, ſeiner chriſtlichen religion nun entgegen lauffendes zu thun. Wie ich dann nun nach obgedachtem, den neuen chriſten verbunden glaube, ſein unglaͤubiges ehe-weib zu fortſetzung der ehe zu perſuadiren, ſo kan er ja keinen ſcheide-brief, der eine willige loßgebung iſt, und damit nicht ſie ſondern er den bruch der ehe machte, geben, ſondern, wenn ja die ehe getrennet werden ſolle, 4. waͤre dieſer modus zu ergreiffen, daß nach dem er die guͤte vergebens geſuchet/ er ſeine zuflucht zu der chriſtlichen obrigkeit naͤh- me, und dero huͤlffe anruffte, entweder ſeine ehe-gattin in guͤte zu fortſetzung der ehe zu diſponiren, oder wo ſie halßſtarrig bliebe, von ehelicher beywohnung nicht mehr wiſſen wolte, und alſo ſelbs das band zerriſſe, ſie vor eine boßhafftige ver- laſſerin zu erklaͤren, und folglich ihn von ihr loßzuzehlen mit erlaubnuͤß anderer verehligung. Hiermit geſchiehet nichts wider chriſtliche ordnung, ſondern eben dasjenige, was auch unter chriſten in dem fall geſchehe, da eine beharrlich al- len ehelichen gebrauch verſagete, mit dem einigen unterſcheid, daß bey dieſer, ehe es zu ſolchem extremo kaͤme, erſt alle ſchaͤrffſte mittel ſie zum gehorſam zu bringen, gebrauchet wuͤrden, da man bey einer juͤdin es allein bey guͤtlichen ver- ſuch lieſſe. Was endlich die dadurch geſchiedene juͤdin anlanget, bekenne, daß ich nicht ſehe, wie ihr, wenn die juden unter ſich mittel finden, ohne empfan- genen ſcheide-brief durch ihre Rabbinen loßgeſprochen zu werden (in caſu quæſti- onis iſts eines, da dieſe den ſcheide-brief erlanget) eine anderwaͤrtige ehe unter ihrem volcke anzutreten von der chriſtlichen obrigkeit verſagt werden koͤnne. Dann wo juden aufgenommen werden, geſchiehet es allezeit ſo, ſie aufzunehmen als juden, und alſo mit der verguͤnſtigung ihrer religions freyheit unter ihnen ſelbs, nur daß ſie nichts wider unſere religion thun, dieſelbe zu laͤſtern, und andere zu ihren unglauben zu verfuͤhren, wie ihnen auch nicht geſtattet wird, ihrer geſetze oder tra- ditionen gegen die unſrigen ſich zu gebrauchen. Hingegen koͤnnen wir ſie nicht zwingen, nach unſern regeln ihr leben anzuſchicken. Wie dann chriſtliche obrig- keit zugeben kan, und wo ſie juden aufgenommen hat, zugeben muß, daß ſie ih- re ſabbath und feyer halten, ihre ceremonien gebrauchen, ihre kinder beſchnei- den, auf ihre art ihre ehen vollziehen, und ſo ferner, welches alles unſer chriſtlichen religion nicht gemaͤß iſt. ſo ſehe ich auch nicht, wie der abgeſchiedenen perſon, es ſey nun auf eꝛlangten ſcheide-bꝛief oder obꝛigkeitlichen ausſpꝛuch, die abeꝛmalige ehe ab- geſchlagen odeꝛ verboten weꝛden koͤnte, ſo viel mehr weil auch unteꝛ chꝛiſten dem boß- hafften verlaſſer zwar keine weitere ehe ordentlich geſtattet wird, ſo zur ſtraffe ſei- ner boßheit geſchiehet, ich aber doch, nicht zweifle, daß zuweilen auch von einigen die-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 736. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/748>, abgerufen am 22.11.2024.