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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. VI. SECTIO VI.
darreichung des leibes Christi, ein anders die anbietung des verdienstes Christi: jene
hat zu ihrem zweck das essen und trincken desselben und fehlet es keinem daran, der
das gesegnete brod isset; diese aber hat zum zweck die gläubige zueignung, welche
bey den unwürdigen nicht platz hat, ob sie ihnen wol kräfftig angeboten wird. Daß
Lutherus, als er wider Zwinglium gestritten, nicht so wol auf die unwürdige als
auf die sache selbs und dero wahrheit gesehen habe, will ich nicht widersprechen,
aber wo die wahrheit der sache stehet, nemlich die sacramentliche vereinigung und
gemeinschafft des brods und des leibes Christi, so folget die niessung der unwürdigen,
so viel ichs begreiffe, unhintertreiblich. Also ist zwar nicht gantz einerley, der leib
und das blut Christi werde den unwürdigen mit dem leiblichen essen und trincken an-
getragen, und von den unwürdigen werde der leib und das blut Christi mit dem leib-
lichen essen und trincken, genommen, empfangen, gegessen und getruncken, aber
dieses letzte ist die folge des ersten. Was die proposition anlangt, wo ein wirckli-
ches essen und trincken ist, da ist eine zueignung des verdienstes Christi, lasse ich sol-
che gelten von dem geistlichen essen und trincken, darvon Christus Joh. VI. handelt,
daß nicht allein den glauben neben sich hat, sondern gar in dem glauben allein stehet:
sie ist aber nicht allezeit wahr von dem sacramentlichen essen, das den glauben bey sich
haben solte, aber offt ohne den glauben bleibet. Den ort Pauli 1. Cor. XI. v. 29. an-
langend, lasse ich denselben nicht allein gern stehen, sondern gründe mich vornehm-
lich darauf: wer unwürdig isset und trincket, der wird schuldig. Daher essen
und trincken auch die unwürdigen den leib und blut Christi. Wird entgegen ge-
halten, daß man erst wissen müsse, von was vor essen und trincken geredet werde,
lasse ich mich gern auf v. 26. 27. 28. weisen, daß von brod geredet werde, auch gebe
ich zu, daß dieses essen ein eusserliches mittel des leibes und blutes Christi seye,
nicht aber wie eingewendet wird, dieselbe anzubieten und zu empfangen, dann das
anbieten ist eine handlung Gottes, das essen aber des menschen. Den angeführ-
ten ort D. Scherzeri, daß wir mit einem einigen essen den leib und blut CHristi
empfangen, nehme ich mit beyden händen an, und brauche ihn zum erweiß meines
satzes, denn ist es ein einiges essen, darmit ich das brod und den leib CHristi
esse,
so isset jeder der jenes geneust, auch diesen. Diese lehre achte ich also fest,
daß sie auf gedachte art vorgetragen weder den schwachen anstoß setze, noch GOttes
ehre etwas vergebe. Jm übrigen ist mir lieb, daß er nochmal bezeuget,
die wahrheit der sache nicht zu leugnen, bekenne aber gern, daß ich keinen ziemli-
chen grund des zweiffels sehe, ob GOtt nach seiner ordnung vermöge seiner hei-
ligkeit dieses könne und wolle den gottlosen erzeigen, ja wo man der vernunfft ein-
geben platz lassen will, wird sie darvor halten, daß es eben so wol solcher heiligkeit
entgegen wäre, solche himmlische güter den unwürdigen anzubieten, als zuzugeben,
daß dieselbe es annehmen, da doch jenes so offt freywillig bekant wird. Was den
wunsch anlanget, daß jedermann lieber solche geheimnüssen in einfalt des hertzens

glau-

ARTIC. VI. SECTIO VI.
darreichung des leibes Chriſti, ein anders die anbietung des verdienſtes Chriſti: jene
hat zu ihrem zweck das eſſen und trincken deſſelben und fehlet es keinem daran, der
das geſegnete brod iſſet; dieſe aber hat zum zweck die glaͤubige zueignung, welche
bey den unwuͤrdigen nicht platz hat, ob ſie ihnen wol kraͤfftig angeboten wird. Daß
Lutherus, als er wider Zwinglium geſtritten, nicht ſo wol auf die unwuͤrdige als
auf die ſache ſelbs und dero wahrheit geſehen habe, will ich nicht widerſprechen,
aber wo die wahrheit der ſache ſtehet, nemlich die ſacramentliche vereinigung und
gemeinſchafft des brods und des leibes Chriſti, ſo folget die nieſſung der unwuͤꝛdigen,
ſo viel ichs begreiffe, unhintertreiblich. Alſo iſt zwar nicht gantz einerley, der leib
und das blut Chriſti werde den unwuͤꝛdigen mit dem leiblichen eſſen und trincken an-
getragen, und von den unwuͤrdigen werde der leib und das blut Chriſti mit dem leib-
lichen eſſen und trincken, genommen, empfangen, gegeſſen und getruncken, aber
dieſes letzte iſt die folge des erſten. Was die propoſition anlangt, wo ein wirckli-
ches eſſen und trincken iſt, da iſt eine zueignung des verdienſtes Chriſti, laſſe ich ſol-
che gelten von dem geiſtlichen eſſen und trincken, darvon Chriſtus Joh. VI. handelt,
daß nicht allein den glauben neben ſich hat, ſondern gar in dem glauben allein ſtehet:
ſie iſt aber nicht allezeit wahr von dem ſacꝛamentlichen eſſen, das den glauben bey ſich
haben ſolte, aber offt ohne den glauben bleibet. Den ort Pauli 1. Cor. XI. v. 29. an-
langend, laſſe ich denſelben nicht allein gern ſtehen, ſondern gruͤnde mich vornehm-
lich darauf: wer unwuͤrdig iſſet und trincket, der wird ſchuldig. Daher eſſen
und trincken auch die unwuͤrdigen den leib und blut Chriſti. Wird entgegen ge-
halten, daß man erſt wiſſen muͤſſe, von was vor eſſen und trincken geredet werde,
laſſe ich mich gern auf v. 26. 27. 28. weiſen, daß von brod geredet werde, auch gebe
ich zu, daß dieſes eſſen ein euſſerliches mittel des leibes und blutes Chriſti ſeye,
nicht aber wie eingewendet wird, dieſelbe anzubieten und zu empfangen, dann das
anbieten iſt eine handlung Gottes, das eſſen aber des menſchen. Den angefuͤhr-
ten ort D. Scherzeri, daß wir mit einem einigen eſſen den leib und blut CHriſti
empfangen, nehme ich mit beyden haͤnden an, und brauche ihn zum erweiß meines
ſatzes, denn iſt es ein einiges eſſen, darmit ich das brod und den leib CHriſti
eſſe,
ſo iſſet jeder der jenes geneuſt, auch dieſen. Dieſe lehre achte ich alſo feſt,
daß ſie auf gedachte art vorgetragen weder den ſchwachen anſtoß ſetze, noch GOttes
ehre etwas vergebe. Jm uͤbrigen iſt mir lieb, daß er nochmal bezeuget,
die wahrheit der ſache nicht zu leugnen, bekenne aber gern, daß ich keinen ziemli-
chen grund des zweiffels ſehe, ob GOtt nach ſeiner ordnung vermoͤge ſeiner hei-
ligkeit dieſes koͤnne und wolle den gottloſen erzeigen, ja wo man der vernunfft ein-
geben platz laſſen will, wird ſie darvor halten, daß es eben ſo wol ſolcher heiligkeit
entgegen waͤre, ſolche himmliſche guͤter den unwuͤrdigen anzubieten, als zuzugeben,
daß dieſelbe es annehmen, da doch jenes ſo offt freywillig bekant wird. Was den
wunſch anlanget, daß jedermann lieber ſolche geheimnuͤſſen in einfalt des hertzens

glau-
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[727/0739] ARTIC. VI. SECTIO VI. darreichung des leibes Chriſti, ein anders die anbietung des verdienſtes Chriſti: jene hat zu ihrem zweck das eſſen und trincken deſſelben und fehlet es keinem daran, der das geſegnete brod iſſet; dieſe aber hat zum zweck die glaͤubige zueignung, welche bey den unwuͤrdigen nicht platz hat, ob ſie ihnen wol kraͤfftig angeboten wird. Daß Lutherus, als er wider Zwinglium geſtritten, nicht ſo wol auf die unwuͤrdige als auf die ſache ſelbs und dero wahrheit geſehen habe, will ich nicht widerſprechen, aber wo die wahrheit der ſache ſtehet, nemlich die ſacramentliche vereinigung und gemeinſchafft des brods und des leibes Chriſti, ſo folget die nieſſung der unwuͤꝛdigen, ſo viel ichs begreiffe, unhintertreiblich. Alſo iſt zwar nicht gantz einerley, der leib und das blut Chriſti werde den unwuͤꝛdigen mit dem leiblichen eſſen und trincken an- getragen, und von den unwuͤrdigen werde der leib und das blut Chriſti mit dem leib- lichen eſſen und trincken, genommen, empfangen, gegeſſen und getruncken, aber dieſes letzte iſt die folge des erſten. Was die propoſition anlangt, wo ein wirckli- ches eſſen und trincken iſt, da iſt eine zueignung des verdienſtes Chriſti, laſſe ich ſol- che gelten von dem geiſtlichen eſſen und trincken, darvon Chriſtus Joh. VI. handelt, daß nicht allein den glauben neben ſich hat, ſondern gar in dem glauben allein ſtehet: ſie iſt aber nicht allezeit wahr von dem ſacꝛamentlichen eſſen, das den glauben bey ſich haben ſolte, aber offt ohne den glauben bleibet. Den ort Pauli 1. Cor. XI. v. 29. an- langend, laſſe ich denſelben nicht allein gern ſtehen, ſondern gruͤnde mich vornehm- lich darauf: wer unwuͤrdig iſſet und trincket, der wird ſchuldig. Daher eſſen und trincken auch die unwuͤrdigen den leib und blut Chriſti. Wird entgegen ge- halten, daß man erſt wiſſen muͤſſe, von was vor eſſen und trincken geredet werde, laſſe ich mich gern auf v. 26. 27. 28. weiſen, daß von brod geredet werde, auch gebe ich zu, daß dieſes eſſen ein euſſerliches mittel des leibes und blutes Chriſti ſeye, nicht aber wie eingewendet wird, dieſelbe anzubieten und zu empfangen, dann das anbieten iſt eine handlung Gottes, das eſſen aber des menſchen. Den angefuͤhr- ten ort D. Scherzeri, daß wir mit einem einigen eſſen den leib und blut CHriſti empfangen, nehme ich mit beyden haͤnden an, und brauche ihn zum erweiß meines ſatzes, denn iſt es ein einiges eſſen, darmit ich das brod und den leib CHriſti eſſe, ſo iſſet jeder der jenes geneuſt, auch dieſen. Dieſe lehre achte ich alſo feſt, daß ſie auf gedachte art vorgetragen weder den ſchwachen anſtoß ſetze, noch GOttes ehre etwas vergebe. Jm uͤbrigen iſt mir lieb, daß er nochmal bezeuget, die wahrheit der ſache nicht zu leugnen, bekenne aber gern, daß ich keinen ziemli- chen grund des zweiffels ſehe, ob GOtt nach ſeiner ordnung vermoͤge ſeiner hei- ligkeit dieſes koͤnne und wolle den gottloſen erzeigen, ja wo man der vernunfft ein- geben platz laſſen will, wird ſie darvor halten, daß es eben ſo wol ſolcher heiligkeit entgegen waͤre, ſolche himmliſche guͤter den unwuͤrdigen anzubieten, als zuzugeben, daß dieſelbe es annehmen, da doch jenes ſo offt freywillig bekant wird. Was den wunſch anlanget, daß jedermann lieber ſolche geheimnuͤſſen in einfalt des hertzens glau-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 727. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/739>, abgerufen am 22.11.2024.