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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
SECTIO IV.
Als ein lutherischer edelmann an päpstischen ort
in unzüchtigem vorhaben gefunden/ und mit gewalt sich mit
solcher ihm dem stand nach ungleichen person müssen trauen
lassen/ aber sie bald verlassen/ ob derselbe nachdem er lan-
ge von ihr/ sich anders verehlichen könne.

DEr casus des caualiers ist verworren, und wird also so viel schwerer zu ant-
worten, weil die nöthige umstände nicht exprimiret 1. ob er der person die
ehe erst zugesaget, oder nur zu ihr als einer bekanten leichtsertigen dirne ge-
kommen. 2. ob er sie wircklich erkant. 3. aus wessen autorität die trauung
geschehen. 4. ob er damal gleichwol eingewilliget und sein ja gegeben, oder alles
mit gewalt geschehen. 5. ob er ihr darnach einiges mal beygewohnet; oder 6.
so bald er des zwangs frey worden, gegen die gewalt protestiret. 7. ob es ein ort,
wo sie ist, da er sich der administration der gerechtigkeit versehen kan oder nicht.
bey aller dieser umständen unwissenheit muß nur bedingungs weise antworten. 1.
Jst die ehe einmal richtig gewesen, so ist das band unmüglich aufzulösen, die ange-
trauete person werde dann eines nachher begangenen ehebruchs überwiesen, oder
versagte auf sein verlangen zu ihm zu kommen und beyzuwohnen, sich damit zu einer
boßhafften verlasserin machende. Also kan man an kein diuortium oder eigent-
liche scheidung gedencken, indem die ungleichheit des standes weder nach göttlichen
noch weltlichen rechten die ehe aufhebet. Daher kommt 2 alles darauf an, ob eine
nullität erwiesen werden könte, daß es nemlich nie kein gültiges ehe-band gewesen.
3. Hätte er ihr, das sein gewissen ihm sagen wird, die ehe versprochen, und unter
solchem verspruch sie erkant, ist er im gewissen und vor GOTT an sie verbunden,
und darff nicht einmal trachten, sich von ihr loß zu machen. 4. Jst die copula-
tion
geschehen auf richterliche erkäntnüß und untersuchung der sache (wie vor con-
sistoriis
offte widerspenstigen personen, dero verspruch aber gültig erfunden wor-
den, die mit welchem sie verlobt, und sie von ihm darnach zurück gehen wollen, mit
gewalt angetrauet werden, daß ein fiscal oder ander auf befehl, das jawort vor sie
geben muß) so sehe ich auch keine hülffe, da die sentenz des richters vollstrecket wor-
den. 5. Hätte er bey der copulation gleichwol gewilliget, oder sich also angestellet,
sonderlich aber die person nach dem fleischlich erkant, könte er, ob ihm auch sonst zu
viel geschehen wäre, sich des bandes nicht loß machen, das er selber bekräfftiget. 6.
Wäre aber dessen nichts vorgegangen, sondern er wäre vor vorgenommener böser

that,
Das ſiebende Capitel.
SECTIO IV.
Als ein lutheriſcher edelmann an paͤpſtiſchen ort
in unzuͤchtigem vorhaben gefunden/ und mit gewalt ſich mit
ſolcher ihm dem ſtand nach ungleichen perſon muͤſſen trauen
laſſen/ aber ſie bald veꝛlaſſen/ ob deꝛſelbe nachdem er lan-
ge von ihr/ ſich anders verehlichen koͤnne.

DEr caſus des caualiers iſt verworren, und wird alſo ſo viel ſchwerer zu ant-
worten, weil die noͤthige umſtaͤnde nicht exprimiret 1. ob er der perſon die
ehe erſt zugeſaget, oder nur zu ihr als einer bekanten leichtſertigen dirne ge-
kommen. 2. ob er ſie wircklich erkant. 3. aus weſſen autoritaͤt die trauung
geſchehen. 4. ob er damal gleichwol eingewilliget und ſein ja gegeben, oder alles
mit gewalt geſchehen. 5. ob er ihr darnach einiges mal beygewohnet; oder 6.
ſo bald er des zwangs frey worden, gegen die gewalt proteſtiret. 7. ob es ein ort,
wo ſie iſt, da er ſich der adminiſtration der gerechtigkeit verſehen kan oder nicht.
bey aller dieſer umſtaͤnden unwiſſenheit muß nur bedingungs weiſe antworten. 1.
Jſt die ehe einmal richtig geweſen, ſo iſt das band unmuͤglich aufzuloͤſen, die ange-
trauete perſon werde dann eines nachher begangenen ehebruchs uͤberwieſen, oder
verſagte auf ſein verlangen zu ihm zu kommen und beyzuwohnen, ſich damit zu einer
boßhafften verlaſſerin machende. Alſo kan man an kein diuortium oder eigent-
liche ſcheidung gedencken, indem die ungleichheit des ſtandes weder nach goͤttlichen
noch weltlichen rechten die ehe aufhebet. Daher kommt 2 alles darauf an, ob eine
nullitaͤt erwieſen werden koͤnte, daß es nemlich nie kein guͤltiges ehe-band geweſen.
3. Haͤtte er ihr, das ſein gewiſſen ihm ſagen wird, die ehe verſprochen, und unter
ſolchem verſpruch ſie erkant, iſt er im gewiſſen und vor GOTT an ſie verbunden,
und darff nicht einmal trachten, ſich von ihr loß zu machen. 4. Jſt die copula-
tion
geſchehen auf richterliche erkaͤntnuͤß und unterſuchung der ſache (wie vor con-
ſiſtoriis
offte widerſpenſtigen perſonen, dero verſpruch aber guͤltig erfunden wor-
den, die mit welchem ſie verlobt, und ſie von ihm darnach zuruͤck gehen wollen, mit
gewalt angetrauet werden, daß ein fiſcal oder ander auf befehl, das jawort vor ſie
geben muß) ſo ſehe ich auch keine huͤlffe, da die ſentenz des richteꝛs vollſtrecket wor-
den. 5. Haͤtte er bey der copulation gleichwol gewilliget, oder ſich alſo angeſtellet,
ſonderlich aber die perſon nach dem fleiſchlich erkant, koͤnte er, ob ihm auch ſonſt zu
viel geſchehen waͤre, ſich des bandes nicht loß machen, das er ſelber bekraͤfftiget. 6.
Waͤre aber deſſen nichts vorgegangen, ſondern er waͤre vor vorgenommener boͤſer

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[706/0718] Das ſiebende Capitel. SECTIO IV. Als ein lutheriſcher edelmann an paͤpſtiſchen ort in unzuͤchtigem vorhaben gefunden/ und mit gewalt ſich mit ſolcher ihm dem ſtand nach ungleichen perſon muͤſſen trauen laſſen/ aber ſie bald veꝛlaſſen/ ob deꝛſelbe nachdem er lan- ge von ihr/ ſich anders verehlichen koͤnne. DEr caſus des caualiers iſt verworren, und wird alſo ſo viel ſchwerer zu ant- worten, weil die noͤthige umſtaͤnde nicht exprimiret 1. ob er der perſon die ehe erſt zugeſaget, oder nur zu ihr als einer bekanten leichtſertigen dirne ge- kommen. 2. ob er ſie wircklich erkant. 3. aus weſſen autoritaͤt die trauung geſchehen. 4. ob er damal gleichwol eingewilliget und ſein ja gegeben, oder alles mit gewalt geſchehen. 5. ob er ihr darnach einiges mal beygewohnet; oder 6. ſo bald er des zwangs frey worden, gegen die gewalt proteſtiret. 7. ob es ein ort, wo ſie iſt, da er ſich der adminiſtration der gerechtigkeit verſehen kan oder nicht. bey aller dieſer umſtaͤnden unwiſſenheit muß nur bedingungs weiſe antworten. 1. Jſt die ehe einmal richtig geweſen, ſo iſt das band unmuͤglich aufzuloͤſen, die ange- trauete perſon werde dann eines nachher begangenen ehebruchs uͤberwieſen, oder verſagte auf ſein verlangen zu ihm zu kommen und beyzuwohnen, ſich damit zu einer boßhafften verlaſſerin machende. Alſo kan man an kein diuortium oder eigent- liche ſcheidung gedencken, indem die ungleichheit des ſtandes weder nach goͤttlichen noch weltlichen rechten die ehe aufhebet. Daher kommt 2 alles darauf an, ob eine nullitaͤt erwieſen werden koͤnte, daß es nemlich nie kein guͤltiges ehe-band geweſen. 3. Haͤtte er ihr, das ſein gewiſſen ihm ſagen wird, die ehe verſprochen, und unter ſolchem verſpruch ſie erkant, iſt er im gewiſſen und vor GOTT an ſie verbunden, und darff nicht einmal trachten, ſich von ihr loß zu machen. 4. Jſt die copula- tion geſchehen auf richterliche erkaͤntnuͤß und unterſuchung der ſache (wie vor con- ſiſtoriis offte widerſpenſtigen perſonen, dero verſpruch aber guͤltig erfunden wor- den, die mit welchem ſie verlobt, und ſie von ihm darnach zuruͤck gehen wollen, mit gewalt angetrauet werden, daß ein fiſcal oder ander auf befehl, das jawort vor ſie geben muß) ſo ſehe ich auch keine huͤlffe, da die ſentenz des richteꝛs vollſtrecket wor- den. 5. Haͤtte er bey der copulation gleichwol gewilliget, oder ſich alſo angeſtellet, ſonderlich aber die perſon nach dem fleiſchlich erkant, koͤnte er, ob ihm auch ſonſt zu viel geſchehen waͤre, ſich des bandes nicht loß machen, das er ſelber bekraͤfftiget. 6. Waͤre aber deſſen nichts vorgegangen, ſondern er waͤre vor vorgenommener boͤſer that,

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 706. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/718>, abgerufen am 22.11.2024.