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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
man insgemein sich einbildet. Jedoch will ich an der warheit dieses exempels e-
ben nicht zweifeln (darzu sonsten/ weil das gespenst sonst von niemanden je gese-
hen wird/ ursach seyn möchte) nachdem die gerühmte gottseligkeit der person sie
von vorsetzlichem betrug absolviren mag. Die eusserliche begegnüssen aber/ und
was wircklich vor leiden an ihr sich zeigen/ auch nicht allein solches bekräfftigen/
sondern auch anzeigen/ daß es nicht blosse phantasie seyn könne. Vorausgesetzt
dessen möchte was man davon zu handeln, sich in drey puncten abtheilen. 1. Die
ursache/ weswegen GOtt dem teufel dergleichen gewalt verhänge. 2. Was
der leidenden und denenjenigen/ die mit ihr umzugehen haben/ zu thun/ zukom-
me. 3. Wessen sie sich zu getrösten habe. Das erste stück anlangende/ ist eine
ausgemachte sache/ daß der höllische geist keine dergleichen macht ausüben kön-
te/ ohne ausdrückliche göttliche verhängnüß/ die also nothwendig in göttl. rath
aus wichtigen ursachen beschlossen seyn muß. Von diesen aber können wir kei-
ne andere als nur gemeine vorbringen. So ists nun göttlicher weißheit ge-
mäß. 1. Daß sie den grim und boßheit des allgemeinen feindes an einigen exem-
peln/ gleichwie der besessenen also auch sonsten von ihm geplagten/ allen andern
vorstelle/ daraus die schwere der sünden/ welche auch die allgemeine ursach die-
ses übels ist/ zu erkennen/ und GOttes güte/ der dergleichen an den wenigsten
vorgehen lässet/ da es alle würdig wären/ zu preisen/ auch die menschen soviel be-
hutsamer zu machen/ in dem geistlichen dem satan keine gewalt über sich zu las-
sen/ damit er nicht auch in dem leiblichen mehr gewalt erlange. 2. Es mag
auch wol eine ursach seyn göttl. weißheit gemäß/ daß man so wol atheisten/ als
solchen/ die daß teufel seyn/ nicht glauben wollen/ käntliche exempel vor augen zu
legen und gleichsam in die hände zu geben habe. 3. Jndessen läst sich nicht schlies-
sen/ daß diejenige/ die solche verhängnüß leiden müssen/ vor andern sonderbare
sünder seyn/ und dergleichen gericht verschuldet haben müsten/ sondern also zu
schliessen würde vermessen seyn, und ein ungerecht urtheil auch über wahre kin-
der GOttes sprechen/ und heisset offt in dergleichen nach Joh. 9. weder dieser
noch seine eltern haben gesündiget. Es wäre denn sache/ daß eines menschen
gottlosigkeit/ damit er selbst dem teusel gewalt über sich gegeben/ offenbar und
bekant wäre/ da alsdann nicht verboten ist/ göttliche klar hervorleuchtende ge-
richtezu erkennen/ wie auch die personen selbs/ die ihr gewissen dergleichen über-
zeuget/ sich drüber vor GOtt zu demüthigen haben. Von der person aber/ über
die jetzo die frage ist/ wird nichts gemeldet/ daß die vermuthung eines zorn-ge-
richts über sie gehe/ sondern wird ihr mehr lob beygeleget/ dabey ich es auch blei-
ben lasse/ in dem mir im übrigen und ausser dem was geschrieben von ihr nichts
bekant ist. 4. Daß absonderliche ursachen seyn müssen/ warum GOtt über die-
sen und jenen dieses oder anderes leiden schicke/ fordert auch allerdings die be-
trachtung göttlicher weißheit. Dann komt es einem klugen manne zu/ daß er in
allen seinen wercken alle umstände in acht nehme/ und seine gewisse ursach habe/
warum
Das ſiebende Capitel.
man insgemein ſich einbildet. Jedoch will ich an der warheit dieſes exempels e-
ben nicht zweifeln (darzu ſonſten/ weil das geſpenſt ſonſt von niemanden je geſe-
hen wird/ urſach ſeyn moͤchte) nachdem die geruͤhmte gottſeligkeit der perſon ſie
von vorſetzlichem betrug abſolviren mag. Die euſſeꝛliche begegnuͤſſen aber/ und
was wircklich vor leiden an ihr ſich zeigen/ auch nicht allein ſolches bekraͤfftigen/
ſondern auch anzeigen/ daß es nicht bloſſe phantaſie ſeyn koͤnne. Vorausgeſetzt
deſſen moͤchte was man davon zu handeln, ſich in drey puncten abtheilen. 1. Die
urſache/ weswegen GOtt dem teufel dergleichen gewalt verhaͤnge. 2. Was
der leidenden und denenjenigen/ die mit ihr umzugehen haben/ zu thun/ zukom-
me. 3. Weſſen ſie ſich zu getroͤſten habe. Das erſte ſtuͤck anlangende/ iſt eine
ausgemachte ſache/ daß der hoͤlliſche geiſt keine dergleichen macht ausuͤben koͤn-
te/ ohne ausdruͤckliche goͤttliche verhaͤngnuͤß/ die alſo nothwendig in goͤttl. rath
aus wichtigen urſachen beſchloſſen ſeyn muß. Von dieſen aber koͤnnen wir kei-
ne andere als nur gemeine vorbringen. So iſts nun goͤttlicher weißheit ge-
maͤß. 1. Daß ſie den grim und boßheit des allgemeinen feindes an einigen exem-
peln/ gleichwie der beſeſſenen alſo auch ſonſten von ihm geplagten/ allen andern
vorſtelle/ daraus die ſchwere der ſuͤnden/ welche auch die allgemeine urſach die-
ſes uͤbels iſt/ zu erkennen/ und GOttes guͤte/ der dergleichen an den wenigſten
vorgehen laͤſſet/ da es alle wuͤrdig waͤren/ zu preiſen/ auch die menſchen ſoviel be-
hutſamer zu machen/ in dem geiſtlichen dem ſatan keine gewalt uͤber ſich zu laſ-
ſen/ damit er nicht auch in dem leiblichen mehr gewalt erlange. 2. Es mag
auch wol eine urſach ſeyn goͤttl. weißheit gemaͤß/ daß man ſo wol atheiſten/ als
ſolchen/ die daß teufel ſeyn/ nicht glauben wollen/ kaͤntliche exempel vor augen zu
legen und gleichſam in die haͤnde zu geben habe. 3. Jndeſſen laͤſt ſich nicht ſchlieſ-
ſen/ daß diejenige/ die ſolche verhaͤngnuͤß leiden muͤſſen/ vor andern ſonderbare
ſuͤnder ſeyn/ und dergleichen gericht verſchuldet haben muͤſten/ ſondern alſo zu
ſchlieſſen wuͤrde vermeſſen ſeyn, und ein ungerecht urtheil auch uͤber wahre kin-
der GOttes ſprechen/ und heiſſet offt in dergleichen nach Joh. 9. weder dieſer
noch ſeine eltern haben geſuͤndiget. Es waͤre denn ſache/ daß eines menſchen
gottloſigkeit/ damit er ſelbſt dem teuſel gewalt uͤber ſich gegeben/ offenbar und
bekant waͤre/ da alsdann nicht verboten iſt/ goͤttliche klar hervorleuchtende ge-
richtezu erkennen/ wie auch die peꝛſonen ſelbs/ die ihr gewiſſen dergleichen uͤber-
zeuget/ ſich druͤber vor GOtt zu demuͤthigen haben. Von der perſon aber/ uͤber
die jetzo die frage iſt/ wird nichts gemeldet/ daß die vermuthung eines zorn-ge-
richts uͤber ſie gehe/ ſondern wird ihr mehr lob beygeleget/ dabey ich es auch blei-
ben laſſe/ in dem mir im uͤbrigen und auſſer dem was geſchrieben von ihr nichts
bekant iſt. 4. Daß abſonderliche urſachen ſeyn muͤſſen/ warum GOtt uͤber die-
ſen und jenen dieſes oder anderes leiden ſchicke/ fordert auch allerdings die be-
trachtung goͤttlicher weißheit. Dann komt es einem klugen manne zu/ daß er in
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[700/0712] Das ſiebende Capitel. man insgemein ſich einbildet. Jedoch will ich an der warheit dieſes exempels e- ben nicht zweifeln (darzu ſonſten/ weil das geſpenſt ſonſt von niemanden je geſe- hen wird/ urſach ſeyn moͤchte) nachdem die geruͤhmte gottſeligkeit der perſon ſie von vorſetzlichem betrug abſolviren mag. Die euſſeꝛliche begegnuͤſſen aber/ und was wircklich vor leiden an ihr ſich zeigen/ auch nicht allein ſolches bekraͤfftigen/ ſondern auch anzeigen/ daß es nicht bloſſe phantaſie ſeyn koͤnne. Vorausgeſetzt deſſen moͤchte was man davon zu handeln, ſich in drey puncten abtheilen. 1. Die urſache/ weswegen GOtt dem teufel dergleichen gewalt verhaͤnge. 2. Was der leidenden und denenjenigen/ die mit ihr umzugehen haben/ zu thun/ zukom- me. 3. Weſſen ſie ſich zu getroͤſten habe. Das erſte ſtuͤck anlangende/ iſt eine ausgemachte ſache/ daß der hoͤlliſche geiſt keine dergleichen macht ausuͤben koͤn- te/ ohne ausdruͤckliche goͤttliche verhaͤngnuͤß/ die alſo nothwendig in goͤttl. rath aus wichtigen urſachen beſchloſſen ſeyn muß. Von dieſen aber koͤnnen wir kei- ne andere als nur gemeine vorbringen. So iſts nun goͤttlicher weißheit ge- maͤß. 1. Daß ſie den grim und boßheit des allgemeinen feindes an einigen exem- peln/ gleichwie der beſeſſenen alſo auch ſonſten von ihm geplagten/ allen andern vorſtelle/ daraus die ſchwere der ſuͤnden/ welche auch die allgemeine urſach die- ſes uͤbels iſt/ zu erkennen/ und GOttes guͤte/ der dergleichen an den wenigſten vorgehen laͤſſet/ da es alle wuͤrdig waͤren/ zu preiſen/ auch die menſchen ſoviel be- hutſamer zu machen/ in dem geiſtlichen dem ſatan keine gewalt uͤber ſich zu laſ- ſen/ damit er nicht auch in dem leiblichen mehr gewalt erlange. 2. Es mag auch wol eine urſach ſeyn goͤttl. weißheit gemaͤß/ daß man ſo wol atheiſten/ als ſolchen/ die daß teufel ſeyn/ nicht glauben wollen/ kaͤntliche exempel vor augen zu legen und gleichſam in die haͤnde zu geben habe. 3. Jndeſſen laͤſt ſich nicht ſchlieſ- ſen/ daß diejenige/ die ſolche verhaͤngnuͤß leiden muͤſſen/ vor andern ſonderbare ſuͤnder ſeyn/ und dergleichen gericht verſchuldet haben muͤſten/ ſondern alſo zu ſchlieſſen wuͤrde vermeſſen ſeyn, und ein ungerecht urtheil auch uͤber wahre kin- der GOttes ſprechen/ und heiſſet offt in dergleichen nach Joh. 9. weder dieſer noch ſeine eltern haben geſuͤndiget. Es waͤre denn ſache/ daß eines menſchen gottloſigkeit/ damit er ſelbſt dem teuſel gewalt uͤber ſich gegeben/ offenbar und bekant waͤre/ da alsdann nicht verboten iſt/ goͤttliche klar hervorleuchtende ge- richtezu erkennen/ wie auch die peꝛſonen ſelbs/ die ihr gewiſſen dergleichen uͤber- zeuget/ ſich druͤber vor GOtt zu demuͤthigen haben. Von der perſon aber/ uͤber die jetzo die frage iſt/ wird nichts gemeldet/ daß die vermuthung eines zorn-ge- richts uͤber ſie gehe/ ſondern wird ihr mehr lob beygeleget/ dabey ich es auch blei- ben laſſe/ in dem mir im uͤbrigen und auſſer dem was geſchrieben von ihr nichts bekant iſt. 4. Daß abſonderliche urſachen ſeyn muͤſſen/ warum GOtt uͤber die- ſen und jenen dieſes oder anderes leiden ſchicke/ fordert auch allerdings die be- trachtung goͤttlicher weißheit. Dann komt es einem klugen manne zu/ daß er in allen ſeinen wercken alle umſtaͤnde in acht nehme/ und ſeine gewiſſe urſach habe/ warum

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 700. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/712>, abgerufen am 22.11.2024.