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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel
sagen: Denn nicht allein solches sacrament ihnen aufs wenigste in der jugend nü-
tzet, sondern auch die erinnerung des gemachten bundes soll und kan in dem gantzen
leben eine stete anreitzung zur busse werden: zudem wir auch nicht zweiflen, daß der
einmal über sie ausgegossene H. Geist aufs wenigste, ob sie auch gantz aus dem
bund geschritten, ehe bey ihnen zu weilen wieder anklopffe, als bey denen, da er noch
nie gewohnet: darzu komt, daß, ob die eltern ihre pflicht unterlassen, die kirche an
dero stelle zu treten, und darvor, als viel geschehen kan, zu sorgen schuldig ist, daß
dem tauff-bunde ein gnügen geschehe: worbey uns predigern ein nicht geringes ob-
lieget. 5. Aus allem erhellet, daß eine fremde schuld die arme kinder des seligen
mittels. welches geliebter bruder der glaubigen Eltern kinder nicht versagen wolte,
nicht berauben solle. So entheiliget der prediger mit solcher tauffe das göttliche
wort hier keinerley massen, sondern es ist dasselbe kräfftig bey dem täufflinge. So
aber das wort GOttes mit der zeit darnach wieder durch versäumung verstöret
wird, machet solches, was an sich gut ist, nicht unrecht.
XIII. Fast noch schwerer begreiffe, wie derselbe sich des vertrauens ent-
schlagen wolle, welches so viel leichter erhellet, wo man, sowol was darinnen ge-
schiehet, als den zweck derselben, ansiehet. So bestehet sie nun in nichts anders, als
daß in GOttes namen die ehe, die die personen unter einander geschlossen haben,
dahin bestätiget wird, daß sie ihr lebtage ungetrennet bey einander leben sollen, und
ihre beywohnung von anderer unverbundener vermischung und vaga libidine un-
terschieden werde, daß sie, wo sie im übrigen in seiner furcht geschiehet, GOtt nicht
mißfällig sey. Dieses kan ich nun an sich selbs nicht ein Evangelisches gnadengut
halten, denn eine solche absonderung der ehe von anderer ausserehlichen vermischung
will GOtt unter dem gantzen menschlichen geschlecht haben, und leihet also seinen
namen gerne zu vollstreckung seiner einsetzung: ob ich wol gerne gestehe, daß diese
allgemeine göttliche ordnung an den gläubigen geheiliget werde. Jndessen ist je-
nes erste schon genug, daß ich ohne entheiligung Göttlichen namens die auch ausser
der gnade stehende eheleute trauen darf. Nechst der trauung selbst gehet vor,
theils eine erinnerung von dem ehestande und dessen pflichten, theils das gebet vor
die eheleute, theils endlich der segen: des ersten und andern bedürffen ohn das alle,
und haben sonderlich andere so viel hertzlicher vor diejenigen zu bethen, die es vor
sich selbs nicht können, wird auch aufs wenigste nicht bey allen vergeblich seyn.
Was den segen anlanget, wird er in dem namen des HErrn anerboten; machen
nun die leute dessen sich selbs unfähig, ist die schuld ihr, und kehret unser friede wie-
der zu uns M[a]tth. X. 13.
XIV. Den meisten grund hat die furcht wegen der absolution und des H.
abendmahls, daß man darmit den namen GOttes entheiligen möchte, und beken-
ne ich, daß ich diejenige desto glücklicher halte, die damit nicht umgehen dörffen.
Jndessen ist sie noch nicht genug darzu, uns deswegen unsern darzu geschehenen be-
ruf
Das ſiebende Capitel
ſagen: Denn nicht allein ſolches ſacrament ihnen aufs wenigſte in der jugend nuͤ-
tzet, ſondern auch die erinnerung des gemachten bundes ſoll und kan in dem gantzen
leben eine ſtete anreitzung zur buſſe werden: zudem wir auch nicht zweiflen, daß der
einmal uͤber ſie ausgegoſſene H. Geiſt aufs wenigſte, ob ſie auch gantz aus dem
bund geſchritten, ehe bey ihnen zu weilen wieder anklopffe, als bey denen, da er noch
nie gewohnet: darzu komt, daß, ob die eltern ihre pflicht unterlaſſen, die kirche an
dero ſtelle zu treten, und darvor, als viel geſchehen kan, zu ſorgen ſchuldig iſt, daß
dem tauff-bunde ein gnuͤgen geſchehe: worbey uns predigern ein nicht geringes ob-
lieget. 5. Aus allem erhellet, daß eine fremde ſchuld die arme kinder des ſeligen
mittels. welches geliebter bruder der glaubigen Eltern kinder nicht verſagen wolte,
nicht berauben ſolle. So entheiliget der prediger mit ſolcher tauffe das goͤttliche
wort hier keinerley maſſen, ſondern es iſt daſſelbe kraͤfftig bey dem taͤufflinge. So
aber das wort GOttes mit der zeit darnach wieder durch verſaͤumung verſtoͤret
wird, machet ſolches, was an ſich gut iſt, nicht unrecht.
XIII. Faſt noch ſchwerer begreiffe, wie derſelbe ſich des vertrauens ent-
ſchlagen wolle, welches ſo viel leichter erhellet, wo man, ſowol was darinnen ge-
ſchiehet, als den zweck derſelben, anſiehet. So beſtehet ſie nun in nichts anders, als
daß in GOttes namen die ehe, die die perſonen unter einander geſchloſſen haben,
dahin beſtaͤtiget wird, daß ſie ihr lebtage ungetrennet bey einander leben ſollen, und
ihre beywohnung von anderer unverbundener vermiſchung und vaga libidine un-
terſchieden werde, daß ſie, wo ſie im uͤbrigen in ſeiner furcht geſchiehet, GOtt nicht
mißfaͤllig ſey. Dieſes kan ich nun an ſich ſelbs nicht ein Evangeliſches gnadengut
halten, deñ eine ſolche abſonderung der ehe von anderer auſſerehlichen vermiſchung
will GOtt unter dem gantzen menſchlichen geſchlecht haben, und leihet alſo ſeinen
namen gerne zu vollſtreckung ſeiner einſetzung: ob ich wol gerne geſtehe, daß dieſe
allgemeine goͤttliche ordnung an den glaͤubigen geheiliget werde. Jndeſſen iſt je-
nes erſte ſchon genug, daß ich ohne entheiligung Goͤttlichen namens die auch auſſer
der gnade ſtehende eheleute trauen darf. Nechſt der trauung ſelbſt gehet vor,
theils eine erinnerung von dem eheſtande und deſſen pflichten, theils das gebet vor
die eheleute, theils endlich der ſegen: des erſten und andern beduͤrffen ohn das alle,
und haben ſonderlich andere ſo viel hertzlicher vor diejenigen zu bethen, die es vor
ſich ſelbs nicht koͤnnen, wird auch aufs wenigſte nicht bey allen vergeblich ſeyn.
Was den ſegen anlanget, wird er in dem namen des HErrn anerboten; machen
nun die leute deſſen ſich ſelbs unfaͤhig, iſt die ſchuld ihr, und kehret unſer friede wie-
der zu uns M[a]tth. X. 13.
XIV. Den meiſten grund hat die furcht wegen der abſolution und des H.
abendmahls, daß man darmit den namen GOttes entheiligen moͤchte, und beken-
ne ich, daß ich diejenige deſto gluͤcklicher halte, die damit nicht umgehen doͤrffen.
Jndeſſen iſt ſie noch nicht genug darzu, uns deswegen unſern darzu geſchehenen be-
ruf
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[694/0706] Das ſiebende Capitel ſagen: Denn nicht allein ſolches ſacrament ihnen aufs wenigſte in der jugend nuͤ- tzet, ſondern auch die erinnerung des gemachten bundes ſoll und kan in dem gantzen leben eine ſtete anreitzung zur buſſe werden: zudem wir auch nicht zweiflen, daß der einmal uͤber ſie ausgegoſſene H. Geiſt aufs wenigſte, ob ſie auch gantz aus dem bund geſchritten, ehe bey ihnen zu weilen wieder anklopffe, als bey denen, da er noch nie gewohnet: darzu komt, daß, ob die eltern ihre pflicht unterlaſſen, die kirche an dero ſtelle zu treten, und darvor, als viel geſchehen kan, zu ſorgen ſchuldig iſt, daß dem tauff-bunde ein gnuͤgen geſchehe: worbey uns predigern ein nicht geringes ob- lieget. 5. Aus allem erhellet, daß eine fremde ſchuld die arme kinder des ſeligen mittels. welches geliebter bruder der glaubigen Eltern kinder nicht verſagen wolte, nicht berauben ſolle. So entheiliget der prediger mit ſolcher tauffe das goͤttliche wort hier keinerley maſſen, ſondern es iſt daſſelbe kraͤfftig bey dem taͤufflinge. So aber das wort GOttes mit der zeit darnach wieder durch verſaͤumung verſtoͤret wird, machet ſolches, was an ſich gut iſt, nicht unrecht. XIII. Faſt noch ſchwerer begreiffe, wie derſelbe ſich des vertrauens ent- ſchlagen wolle, welches ſo viel leichter erhellet, wo man, ſowol was darinnen ge- ſchiehet, als den zweck derſelben, anſiehet. So beſtehet ſie nun in nichts anders, als daß in GOttes namen die ehe, die die perſonen unter einander geſchloſſen haben, dahin beſtaͤtiget wird, daß ſie ihr lebtage ungetrennet bey einander leben ſollen, und ihre beywohnung von anderer unverbundener vermiſchung und vaga libidine un- terſchieden werde, daß ſie, wo ſie im uͤbrigen in ſeiner furcht geſchiehet, GOtt nicht mißfaͤllig ſey. Dieſes kan ich nun an ſich ſelbs nicht ein Evangeliſches gnadengut halten, deñ eine ſolche abſonderung der ehe von anderer auſſerehlichen vermiſchung will GOtt unter dem gantzen menſchlichen geſchlecht haben, und leihet alſo ſeinen namen gerne zu vollſtreckung ſeiner einſetzung: ob ich wol gerne geſtehe, daß dieſe allgemeine goͤttliche ordnung an den glaͤubigen geheiliget werde. Jndeſſen iſt je- nes erſte ſchon genug, daß ich ohne entheiligung Goͤttlichen namens die auch auſſer der gnade ſtehende eheleute trauen darf. Nechſt der trauung ſelbſt gehet vor, theils eine erinnerung von dem eheſtande und deſſen pflichten, theils das gebet vor die eheleute, theils endlich der ſegen: des erſten und andern beduͤrffen ohn das alle, und haben ſonderlich andere ſo viel hertzlicher vor diejenigen zu bethen, die es vor ſich ſelbs nicht koͤnnen, wird auch aufs wenigſte nicht bey allen vergeblich ſeyn. Was den ſegen anlanget, wird er in dem namen des HErrn anerboten; machen nun die leute deſſen ſich ſelbs unfaͤhig, iſt die ſchuld ihr, und kehret unſer friede wie- der zu uns Matth. X. 13. XIV. Den meiſten grund hat die furcht wegen der abſolution und des H. abendmahls, daß man darmit den namen GOttes entheiligen moͤchte, und beken- ne ich, daß ich diejenige deſto gluͤcklicher halte, die damit nicht umgehen doͤrffen. Jndeſſen iſt ſie noch nicht genug darzu, uns deswegen unſern darzu geſchehenen be- ruf

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 694. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/706>, abgerufen am 22.11.2024.