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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. V. SECTIO LX.
dige krafft des glaubens aus wirckung des H. Geistes. Ei-
nige haltung göttlicher gebote. Göttliches gericht/ da al-
les gute in stecken kommt. Was in Leipzig wegen des so ge-
nannten Pietismi vorgegangen. Hoffnung fernerer göttli-
cher hülffe. Trost aus kundwerdung christlicher freun-
de und vorbitte.

DAß ich so bald auf das schreiben selbs komme/ sage nochmal/ daß mir das-
selbe eine innigliche freude/ so auch bisher manchmal durch wieder vor-
nehmen desselben erneuret worden/ erwecket habe: und ob einige dinge
darinnen enthalten/ die nicht erfreulich sind/ da wir alle über das allgemeine ver-
derben wehemüthig zu klagen ursach haben/ und diejenige am allermeisten/ wel-
che dasselbe tiefer als man insgemein pfleget/ einsehen/ ist mir dennoch auch sol-
ches eine freude/ wo ich die ursachen/ so uns betrüben/ von je länger je mehreren
recht erkant zu werden sehe. Zum allerfordersten hat mich erfreuet/ an dessen
mir sonsten bis dahin noch unbekant gewesener person nunmehr abermal einen
solchen mann zu erkennen/ den der HErr HErr warhaftig von der welt erweh-
let/ und mit kräfftigem zug von derselben sondert/ und wie ich mich dessen gewiß
versichere/ noch immer weiter zu und in sich ziehen wird. Worüber aber haben
wir uns hertzlicher zu erfreuen/ als wo wir immer mehr und mehr rechtschaffene
kinder GOttes/ lebendige glieder JEsu Chrifli/ geweihete tempel des H. Gei-
stes und gewürdigte reichs-genossen des himmelreichs gewahr werden? nach-
dem wir wissen/ daß an denselben der göttlichen ehr/ dem letzten zweck von allen
dingen/ am meisten gelegen ist/ und die übrige welt ihrentwillen/ ob sie auch
dieselbe meistens anfeindet/ erhalten wird/ und allerley geneust. Jch erkenne
aber solcher göttlicher gnaden krafft in meinem werthen herrn aus dem eni-
gen/ was er davon selbs in demüthiger danckbarkeit zeuget/ und von dem in-
nerlichen und was in demselben GOtt einer seelen/ die ihn liebet/ werde/ wovon
andere nichts wissen/ zu reden verstehet: daher ich das maaß dessen gnade völ-
liger bereits erkenne/ als das meinige ist/ und mich versichere/ daß derselbige in
der erfahrung manches haben werde/ mit dessen kräfftiger überzeugung ich
mich bisher habe müssen vergnügen lassen. Ferne aber seye von mir/ demselben
oder einigem anderm kinde Gottes dasselbe zu mißgönnen/ was ihm sein himm-
lischer Vater gegeben/ und vor mir gewürdiget hat/ sondern ich freue mich/
wann der HERR an seinem leib/ daran ich gleichwol durch seine gnade
auch ein geringes glied bin/ andere glieder mit mehr gnaden ausziehret/ und
nehme auch an dero ehr und freude theil/ indessen billich vergnügt mit demje-
nigen maaß/ das auch mir gegeben ist/ verlangende dasselbe zu des gebers ehre

treu-
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ARTIC. V. SECTIO LX.
dige krafft des glaubens aus wirckung des H. Geiſtes. Ei-
nige haltung goͤttlicher gebote. Goͤttliches gericht/ da al-
les gute in ſtecken kommt. Was in Leipzig wegen des ſo ge-
nannten Pietismi vorgegangen. Hoffnung fernerer goͤttli-
cher huͤlffe. Troſt aus kundwerdung chriſtlicher freun-
de und vorbitte.

DAß ich ſo bald auf das ſchreiben ſelbs komme/ ſage nochmal/ daß mir daſ-
ſelbe eine innigliche freude/ ſo auch bisher manchmal durch wieder vor-
nehmen deſſelben erneuret worden/ erwecket habe: und ob einige dinge
darinnen enthalten/ die nicht erfreulich ſind/ da wir alle uͤber das allgemeine veꝛ-
derben wehemuͤthig zu klagen urſach haben/ und diejenige am allermeiſten/ wel-
che daſſelbe tiefer als man insgemein pfleget/ einſehen/ iſt mir dennoch auch ſol-
ches eine freude/ wo ich die urſachen/ ſo uns betruͤben/ von je laͤnger je mehreren
recht erkant zu werden ſehe. Zum allerforderſten hat mich erfreuet/ an deſſen
mir ſonſten bis dahin noch unbekant geweſener perſon nunmehr abermal einen
ſolchen mann zu erkennen/ den der HErr HErr warhaftig von der welt erweh-
let/ und mit kraͤfftigem zug von derſelben ſondert/ und wie ich mich deſſen gewiß
verſichere/ noch immer weiter zu und in ſich ziehen wird. Woruͤber aber haben
wir uns hertzlicher zu erfreuen/ als wo wir immer mehr und mehr rechtſchaffene
kinder GOttes/ lebendige glieder JEſu Chrifli/ geweihete tempel des H. Gei-
ſtes und gewuͤrdigte reichs-genoſſen des himmelreichs gewahr werden? nach-
dem wir wiſſen/ daß an denſelben der goͤttlichen ehr/ dem letzten zweck von allen
dingen/ am meiſten gelegen iſt/ und die uͤbrige welt ihrentwillen/ ob ſie auch
dieſelbe meiſtens anfeindet/ erhalten wird/ und allerley geneuſt. Jch erkenne
aber ſolcher goͤttlicher gnaden krafft in meinem werthen herrn aus dem eni-
gen/ was er davon ſelbs in demuͤthiger danckbarkeit zeuget/ und von dem in-
nerlichen und was in demſelben GOtt einer ſeelen/ die ihn liebet/ werde/ wovon
andere nichts wiſſen/ zu reden verſtehet: daher ich das maaß deſſen gnade voͤl-
liger bereits erkenne/ als das meinige iſt/ und mich verſichere/ daß derſelbige in
der erfahrung manches haben werde/ mit deſſen kraͤfftiger uͤberzeugung ich
mich bisher habe muͤſſen vergnuͤgen laſſen. Ferne aber ſeye von mir/ demſelben
oder einigem anderm kinde Gottes daſſelbe zu mißgoͤnnen/ was ihm ſein himm-
liſcher Vater gegeben/ und vor mir gewuͤrdiget hat/ ſondern ich freue mich/
wann der HERR an ſeinem leib/ daran ich gleichwol durch ſeine gnade
auch ein geringes glied bin/ andere glieder mit mehr gnaden ausziehret/ und
nehme auch an dero ehr und freude theil/ indeſſen billich vergnuͤgt mit demje-
nigen maaß/ das auch mir gegeben iſt/ verlangende daſſelbe zu des gebers ehre

treu-
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[675/0687] ARTIC. V. SECTIO LX. dige krafft des glaubens aus wirckung des H. Geiſtes. Ei- nige haltung goͤttlicher gebote. Goͤttliches gericht/ da al- les gute in ſtecken kommt. Was in Leipzig wegen des ſo ge- nannten Pietismi vorgegangen. Hoffnung fernerer goͤttli- cher huͤlffe. Troſt aus kundwerdung chriſtlicher freun- de und vorbitte. DAß ich ſo bald auf das ſchreiben ſelbs komme/ ſage nochmal/ daß mir daſ- ſelbe eine innigliche freude/ ſo auch bisher manchmal durch wieder vor- nehmen deſſelben erneuret worden/ erwecket habe: und ob einige dinge darinnen enthalten/ die nicht erfreulich ſind/ da wir alle uͤber das allgemeine veꝛ- derben wehemuͤthig zu klagen urſach haben/ und diejenige am allermeiſten/ wel- che daſſelbe tiefer als man insgemein pfleget/ einſehen/ iſt mir dennoch auch ſol- ches eine freude/ wo ich die urſachen/ ſo uns betruͤben/ von je laͤnger je mehreren recht erkant zu werden ſehe. Zum allerforderſten hat mich erfreuet/ an deſſen mir ſonſten bis dahin noch unbekant geweſener perſon nunmehr abermal einen ſolchen mann zu erkennen/ den der HErr HErr warhaftig von der welt erweh- let/ und mit kraͤfftigem zug von derſelben ſondert/ und wie ich mich deſſen gewiß verſichere/ noch immer weiter zu und in ſich ziehen wird. Woruͤber aber haben wir uns hertzlicher zu erfreuen/ als wo wir immer mehr und mehr rechtſchaffene kinder GOttes/ lebendige glieder JEſu Chrifli/ geweihete tempel des H. Gei- ſtes und gewuͤrdigte reichs-genoſſen des himmelreichs gewahr werden? nach- dem wir wiſſen/ daß an denſelben der goͤttlichen ehr/ dem letzten zweck von allen dingen/ am meiſten gelegen iſt/ und die uͤbrige welt ihrentwillen/ ob ſie auch dieſelbe meiſtens anfeindet/ erhalten wird/ und allerley geneuſt. Jch erkenne aber ſolcher goͤttlicher gnaden krafft in meinem werthen herrn aus dem eni- gen/ was er davon ſelbs in demuͤthiger danckbarkeit zeuget/ und von dem in- nerlichen und was in demſelben GOtt einer ſeelen/ die ihn liebet/ werde/ wovon andere nichts wiſſen/ zu reden verſtehet: daher ich das maaß deſſen gnade voͤl- liger bereits erkenne/ als das meinige iſt/ und mich verſichere/ daß derſelbige in der erfahrung manches haben werde/ mit deſſen kraͤfftiger uͤberzeugung ich mich bisher habe muͤſſen vergnuͤgen laſſen. Ferne aber ſeye von mir/ demſelben oder einigem anderm kinde Gottes daſſelbe zu mißgoͤnnen/ was ihm ſein himm- liſcher Vater gegeben/ und vor mir gewuͤrdiget hat/ ſondern ich freue mich/ wann der HERR an ſeinem leib/ daran ich gleichwol durch ſeine gnade auch ein geringes glied bin/ andere glieder mit mehr gnaden ausziehret/ und nehme auch an dero ehr und freude theil/ indeſſen billich vergnuͤgt mit demje- nigen maaß/ das auch mir gegeben iſt/ verlangende daſſelbe zu des gebers ehre treu- q q q q 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 675. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/687>, abgerufen am 22.11.2024.