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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. V. SECTIO XLI.
liebe billig auch darinnen zu erkennen habe, da sie derselbe in eine solche anfechtung
gerathen, und darinne lange aushalten lassen. Als von welchem ihrem kampff ich
aus seiner fernern gnade noch künfftig so viel mehrere früchte hoffe. Denn da sie
selbst gefühlet, wie viel es einer seele zu stehen komme, da sie in der ersten gnade sorg-
fältiger bewahrung sich nachläßig oder untreu erfinden hat lassen, bis sie wider dazu
komme, wird die gedächtnüß dessen in ihrem gantzen leben eine stattliche verwah-
rung vor sicherheit und anreitzung zu wachsamer vorsichtigkeit werden: ja ich
zweifle nicht, der grund der itzigen gnade werde bey ihr so viel tieffer gegraben und
fester geleget seyn, als es mit einem ängstlichern und langwierigern ringen herge-
gangen ist: wie ich auch aus demjenigen mit freuden erkenne, wie kräfftig bisher be-
reits die gnade GOttes in ihr gewircket habe, auch damal, da sie, ob sie der gnade
noch fähig seye, oder werde werden, in zweiffel, ihrer empfindlichkeit nach, stunde, weil
sie es gleichwol dahin gebracht, ihren willen dem göttlichen zu unterwerffen, und
darinnen ihre ruhe zu suchen, er möchte auch über sie, was er wolte, beschlossen ha-
ben: welches gewiß nicht ein erster anfang, sondern bereits ein hoher grad der gött-
lichen wirckung gewesen ist. Daher nachdem sie der HErr unser GOtt bereits
so weit geführet hatte, ich nicht zweiffle, daß auch ohne durch mich gefügte beneh-
mung des aus Hebr. 6 gefasten scrupels, welcher sie geängstet, dennoch ihre angst
mit völligem sieg würde bald aufgehöret haben. Denn wo es mit einer seelen zu ei-
ner solchen wahrhafftigen und aufrichtigen unterwerffung kommet, so hat der
HErr den zweck der anfechtung erlanget, und wird diese nicht lange mehr dauren,
und ihre krafft ist bereits gebrochen: ja ich mag sagen, es ist eine grössere kraft GOt-
tes, jene übergebung zu wircken, als nachmal wiederum einen geschmack der gna-
den zu geben. Dem HErrn HErrn aber sey ewiger preiß, der seine kinder alle mit
grosser weißheit, güte und gerechtigkeit führet, und auch an ihr ein zeugnüß dessen
wiederum erzeiget hat: wie ich mich nun versichere, daß er ihr die schuld ihrer vori-
gen nachläßigkeit um Christi willen bereits ver geben hat, also erhalte und stärcke er
sie nunmehr in seiner gnade, ihr lebenlang unverrückt in derselben zu beharren, an
dem innern menschen in krafft und licht zu wachsen, viele früchten dessen zu bringen,
und eine solche werckstatt des Heil. Geistes zu bleiben, in dero derselbe täglich viel
gutes wircke, zu seinem preiß, vieler mitgenossen auf dem schmalen weg aufmunte-
rung und erbauung, und ihres beruffs und erwehlung festmachung, bis zu dem se-
ligen eingang in die herrliche ewigkeit.

SECTIO
l l l l 2

ARTIC. V. SECTIO XLI.
liebe billig auch darinnen zu erkennen habe, da ſie derſelbe in eine ſolche anfechtung
gerathen, und darinne lange aushalten laſſen. Als von welchem ihrem kampff ich
aus ſeiner fernern gnade noch kuͤnfftig ſo viel mehrere fruͤchte hoffe. Denn da ſie
ſelbſt gefuͤhlet, wie viel es einer ſeele zu ſtehen komme, da ſie in der erſten gnade ſorg-
faͤltiger bewahrung ſich nachlaͤßig oder untreu erfinden hat laſſen, bis ſie wider dazu
komme, wird die gedaͤchtnuͤß deſſen in ihrem gantzen leben eine ſtattliche verwah-
rung vor ſicherheit und anreitzung zu wachſamer vorſichtigkeit werden: ja ich
zweifle nicht, der grund der itzigen gnade werde bey ihr ſo viel tieffer gegraben und
feſter geleget ſeyn, als es mit einem aͤngſtlichern und langwierigern ringen herge-
gangen iſt: wie ich auch aus demjenigen mit freuden erkenne, wie kraͤfftig bisher be-
reits die gnade GOttes in ihr gewircket habe, auch damal, da ſie, ob ſie der gnade
noch faͤhig ſeye, oder werde weꝛden, in zweiffel, ihꝛer empfindlichkeit nach, ſtunde, weil
ſie es gleichwol dahin gebracht, ihren willen dem goͤttlichen zu unterwerffen, und
darinnen ihre ruhe zu ſuchen, er moͤchte auch uͤber ſie, was er wolte, beſchloſſen ha-
ben: welches gewiß nicht ein erſter anfang, ſondern bereits ein hoher grad der goͤtt-
lichen wirckung geweſen iſt. Daher nachdem ſie der HErr unſer GOtt bereits
ſo weit gefuͤhret hatte, ich nicht zweiffle, daß auch ohne durch mich gefuͤgte beneh-
mung des aus Hebr. 6 gefaſten ſcrupels, welcher ſie geaͤngſtet, dennoch ihre angſt
mit voͤlligem ſieg wuͤrde bald aufgehoͤret haben. Denn wo es mit einer ſeelen zu ei-
ner ſolchen wahrhafftigen und aufrichtigen unterwerffung kommet, ſo hat der
HErr den zweck der anfechtung erlanget, und wird dieſe nicht lange mehr dauren,
und ihre krafft iſt bereits gebrochen: ja ich mag ſagen, es iſt eine groͤſſere kraft GOt-
tes, jene uͤbergebung zu wircken, als nachmal wiederum einen geſchmack der gna-
den zu geben. Dem HErrn HErrn aber ſey ewiger preiß, der ſeine kinder alle mit
groſſer weißheit, guͤte und gerechtigkeit fuͤhret, und auch an ihr ein zeugnuͤß deſſen
wiederum erzeiget hat: wie ich mich nun verſichere, daß er ihr die ſchuld ihrer vori-
gen nachlaͤßigkeit um Chriſti willen bereits ver geben hat, alſo erhalte und ſtaͤrcke er
ſie nunmehr in ſeiner gnade, ihr lebenlang unverruͤckt in derſelben zu beharren, an
dem innern menſchen in krafft und licht zu wachſen, viele fruͤchten deſſen zu bringen,
und eine ſolche werckſtatt des Heil. Geiſtes zu bleiben, in dero derſelbe taͤglich viel
gutes wircke, zu ſeinem preiß, vieler mitgenoſſen auf dem ſchmalen weg aufmunte-
rung und erbauung, und ihres beruffs und erwehlung feſtmachung, bis zu dem ſe-
ligen eingang in die herrliche ewigkeit.

SECTIO
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[635/0647] ARTIC. V. SECTIO XLI. liebe billig auch darinnen zu erkennen habe, da ſie derſelbe in eine ſolche anfechtung gerathen, und darinne lange aushalten laſſen. Als von welchem ihrem kampff ich aus ſeiner fernern gnade noch kuͤnfftig ſo viel mehrere fruͤchte hoffe. Denn da ſie ſelbſt gefuͤhlet, wie viel es einer ſeele zu ſtehen komme, da ſie in der erſten gnade ſorg- faͤltiger bewahrung ſich nachlaͤßig oder untreu erfinden hat laſſen, bis ſie wider dazu komme, wird die gedaͤchtnuͤß deſſen in ihrem gantzen leben eine ſtattliche verwah- rung vor ſicherheit und anreitzung zu wachſamer vorſichtigkeit werden: ja ich zweifle nicht, der grund der itzigen gnade werde bey ihr ſo viel tieffer gegraben und feſter geleget ſeyn, als es mit einem aͤngſtlichern und langwierigern ringen herge- gangen iſt: wie ich auch aus demjenigen mit freuden erkenne, wie kraͤfftig bisher be- reits die gnade GOttes in ihr gewircket habe, auch damal, da ſie, ob ſie der gnade noch faͤhig ſeye, oder werde weꝛden, in zweiffel, ihꝛer empfindlichkeit nach, ſtunde, weil ſie es gleichwol dahin gebracht, ihren willen dem goͤttlichen zu unterwerffen, und darinnen ihre ruhe zu ſuchen, er moͤchte auch uͤber ſie, was er wolte, beſchloſſen ha- ben: welches gewiß nicht ein erſter anfang, ſondern bereits ein hoher grad der goͤtt- lichen wirckung geweſen iſt. Daher nachdem ſie der HErr unſer GOtt bereits ſo weit gefuͤhret hatte, ich nicht zweiffle, daß auch ohne durch mich gefuͤgte beneh- mung des aus Hebr. 6 gefaſten ſcrupels, welcher ſie geaͤngſtet, dennoch ihre angſt mit voͤlligem ſieg wuͤrde bald aufgehoͤret haben. Denn wo es mit einer ſeelen zu ei- ner ſolchen wahrhafftigen und aufrichtigen unterwerffung kommet, ſo hat der HErr den zweck der anfechtung erlanget, und wird dieſe nicht lange mehr dauren, und ihre krafft iſt bereits gebrochen: ja ich mag ſagen, es iſt eine groͤſſere kraft GOt- tes, jene uͤbergebung zu wircken, als nachmal wiederum einen geſchmack der gna- den zu geben. Dem HErrn HErrn aber ſey ewiger preiß, der ſeine kinder alle mit groſſer weißheit, guͤte und gerechtigkeit fuͤhret, und auch an ihr ein zeugnuͤß deſſen wiederum erzeiget hat: wie ich mich nun verſichere, daß er ihr die ſchuld ihrer vori- gen nachlaͤßigkeit um Chriſti willen bereits ver geben hat, alſo erhalte und ſtaͤrcke er ſie nunmehr in ſeiner gnade, ihr lebenlang unverruͤckt in derſelben zu beharren, an dem innern menſchen in krafft und licht zu wachſen, viele fruͤchten deſſen zu bringen, und eine ſolche werckſtatt des Heil. Geiſtes zu bleiben, in dero derſelbe taͤglich viel gutes wircke, zu ſeinem preiß, vieler mitgenoſſen auf dem ſchmalen weg aufmunte- rung und erbauung, und ihres beruffs und erwehlung feſtmachung, bis zu dem ſe- ligen eingang in die herrliche ewigkeit. 21. Sept. 1689. SECTIO l l l l 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 635. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/647>, abgerufen am 22.11.2024.