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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
GOTTes krafft, und hat der wunderthäter in eigner krafft nichts gethan.
Dann ob er wort gesprochen, die hand aufgelegt oder etwas dergleichen dar-
bey gethan hätte, darff solchem allem das werck ja nicht zugeschrieben wer-
den. Bey der andern cur hat zwar GOTTes segen das meiste thun müs-
sen, aber des medici kunst, klugheit, fleiß, treue und gesamtes thun dabey
ist doch nicht aus zu schliessen, wie auch nicht die natürliche krafft der artzney-
en. 2. Bey dem wunderwerck kans deßwegen nie fehlen. Aber manche cur
des medici richtet nichts aus, noch kan die kranckheit überwinden. 3. Bey
dem wunder gehet es leicht her, und kan die kranckheit nicht widerstehen, da-
her der effect auch unzweiffenlich und gemeiniglich gleich auf einmal folget.
Bey des medici cur gehets schwer her, das übel das man heben will, wi-
derstehet gleichsam der artzney. Daher brauchts zeit, und folget die gesund-
heit nur allgemach, oder gar nicht vollkommen. Bey mehrerm nachsinnen
achte ich, solle man auch mehrern unterscheid finden; es ist aber gnug, daß
man diese erwege; und als dann auch den unterschied zwischen dem eigenli-
chen wort GOttes und dem wort eines gläubigen dargegen halte: Da sich
jenes mit dem wunderwerck, dieses mit den jenigen wercken, die in göttlicher
ordnung durch natürliche mittel geschehen, vergleichen lässet.

§. 9. Auf diese weise bleibet dem eigenlichen worte GOttes sein vor-
zug und würde, hingegen wird der wirckung Gottes in seinen kindern auch
nichts entzogen, noch GOTT von dem, was durch menschen geschihet, aus-
geschlossen, und stehet man in der mittelbahn.

§. 10. Die sprüche die angeführet werden bringen auch ein mehres
nicht mit sich. Dann weil Christus in den hertzen seiner gläubigen wohnet.
Eph. 3, 17. ist er freylich nicht müßig, sondern wircket in ihnen: also auch
der heilige Geist, der sie regieret. Gal. 5, 18 und treibet. Röm. 8, 14. Es
ist aber solche wirckung gern gestanden, auch erklärt worden. §. 7. 8. Der
ort Johan 16, 13. von dem leiten in alle warheit, ist so bewandt, daß wir
andere gläubige nicht gantz davon ausschliessen können, indessen gehet er
hauptsächlich und unmittelbar auf die Apostel, daher was gesagt und ver-
sprochen wird, zwar beyden, aber nicht in einem grad oder maaß, zukom-
met: Das wir auch von Matth. 10, 20. zu sagen haben. Wann aber 1.
Petr. 4, 11. gesagt wird von den lehrern, so jemand redet, daß ers rede
als GOttes wort,
machet solches die rede des predigers noch nicht zu Got-
tes wort, sondern will allein, daß er nichts anders rede als GOttes wort, wel-
ches nemlich GOTT bereits durch andere offenbaret, und ers von dem-
selben empfangen vorträgt: sodann, daß ers also vortrage, mit der sorg-
falt, ehrerbietung und treue, als die würde des göttlichen worts mit sich

brin-

Das ſiebende Capitel.
GOTTes krafft, und hat der wunderthaͤter in eigner krafft nichts gethan.
Dann ob er wort geſprochen, die hand aufgelegt oder etwas dergleichen dar-
bey gethan haͤtte, darff ſolchem allem das werck ja nicht zugeſchrieben wer-
den. Bey der andern cur hat zwar GOTTes ſegen das meiſte thun muͤſ-
ſen, aber des medici kunſt, klugheit, fleiß, treue und geſamtes thun dabey
iſt doch nicht aus zu ſchlieſſen, wie auch nicht die natuͤrliche krafft der artzney-
en. 2. Bey dem wunderwerck kans deßwegen nie fehlen. Aber manche cur
des medici richtet nichts aus, noch kan die kranckheit uͤberwinden. 3. Bey
dem wunder gehet es leicht her, und kan die kranckheit nicht widerſtehen, da-
her der effect auch unzweiffenlich und gemeiniglich gleich auf einmal folget.
Bey des medici cur gehets ſchwer her, das uͤbel das man heben will, wi-
derſtehet gleichſam der artzney. Daher brauchts zeit, und folget die geſund-
heit nur allgemach, oder gar nicht vollkommen. Bey mehrerm nachſinnen
achte ich, ſolle man auch mehrern unterſcheid finden; es iſt aber gnug, daß
man dieſe erwege; und als dann auch den unterſchied zwiſchen dem eigenli-
chen wort GOttes und dem wort eines glaͤubigen dargegen halte: Da ſich
jenes mit dem wunderwerck, dieſes mit den jenigen wercken, die in goͤttlicher
ordnung durch natuͤrliche mittel geſchehen, vergleichen laͤſſet.

§. 9. Auf dieſe weiſe bleibet dem eigenlichen worte GOttes ſein vor-
zug und wuͤrde, hingegen wird der wirckung Gottes in ſeinen kindern auch
nichts entzogen, noch GOTT von dem, was durch menſchen geſchihet, aus-
geſchloſſen, und ſtehet man in der mittelbahn.

§. 10. Die ſpruͤche die angefuͤhret werden bringen auch ein mehres
nicht mit ſich. Dann weil Chriſtus in den hertzen ſeiner glaͤubigen wohnet.
Eph. 3, 17. iſt er freylich nicht muͤßig, ſondern wircket in ihnen: alſo auch
der heilige Geiſt, der ſie regieret. Gal. 5, 18 und treibet. Roͤm. 8, 14. Es
iſt aber ſolche wirckung gern geſtanden, auch erklaͤrt worden. §. 7. 8. Der
ort Johan 16, 13. von dem leiten in alle warheit, iſt ſo bewandt, daß wir
andere glaͤubige nicht gantz davon ausſchlieſſen koͤnnen, indeſſen gehet er
hauptſaͤchlich und unmittelbar auf die Apoſtel, daher was geſagt und ver-
ſprochen wird, zwar beyden, aber nicht in einem grad oder maaß, zukom-
met: Das wir auch von Matth. 10, 20. zu ſagen haben. Wann aber 1.
Petr. 4, 11. geſagt wird von den lehrern, ſo jemand redet, daß ers rede
als GOttes wort,
machet ſolches die rede des predigers noch nicht zu Got-
tes wort, ſondern will allein, daß er nichts anders rede als GOttes wort, wel-
ches nemlich GOTT bereits durch andere offenbaret, und ers von dem-
ſelben empfangen vortraͤgt: ſodann, daß ers alſo vortrage, mit der ſorg-
falt, ehrerbietung und treue, als die wuͤrde des goͤttlichen worts mit ſich

brin-
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[48/0060] Das ſiebende Capitel. GOTTes krafft, und hat der wunderthaͤter in eigner krafft nichts gethan. Dann ob er wort geſprochen, die hand aufgelegt oder etwas dergleichen dar- bey gethan haͤtte, darff ſolchem allem das werck ja nicht zugeſchrieben wer- den. Bey der andern cur hat zwar GOTTes ſegen das meiſte thun muͤſ- ſen, aber des medici kunſt, klugheit, fleiß, treue und geſamtes thun dabey iſt doch nicht aus zu ſchlieſſen, wie auch nicht die natuͤrliche krafft der artzney- en. 2. Bey dem wunderwerck kans deßwegen nie fehlen. Aber manche cur des medici richtet nichts aus, noch kan die kranckheit uͤberwinden. 3. Bey dem wunder gehet es leicht her, und kan die kranckheit nicht widerſtehen, da- her der effect auch unzweiffenlich und gemeiniglich gleich auf einmal folget. Bey des medici cur gehets ſchwer her, das uͤbel das man heben will, wi- derſtehet gleichſam der artzney. Daher brauchts zeit, und folget die geſund- heit nur allgemach, oder gar nicht vollkommen. Bey mehrerm nachſinnen achte ich, ſolle man auch mehrern unterſcheid finden; es iſt aber gnug, daß man dieſe erwege; und als dann auch den unterſchied zwiſchen dem eigenli- chen wort GOttes und dem wort eines glaͤubigen dargegen halte: Da ſich jenes mit dem wunderwerck, dieſes mit den jenigen wercken, die in goͤttlicher ordnung durch natuͤrliche mittel geſchehen, vergleichen laͤſſet. §. 9. Auf dieſe weiſe bleibet dem eigenlichen worte GOttes ſein vor- zug und wuͤrde, hingegen wird der wirckung Gottes in ſeinen kindern auch nichts entzogen, noch GOTT von dem, was durch menſchen geſchihet, aus- geſchloſſen, und ſtehet man in der mittelbahn. §. 10. Die ſpruͤche die angefuͤhret werden bringen auch ein mehres nicht mit ſich. Dann weil Chriſtus in den hertzen ſeiner glaͤubigen wohnet. Eph. 3, 17. iſt er freylich nicht muͤßig, ſondern wircket in ihnen: alſo auch der heilige Geiſt, der ſie regieret. Gal. 5, 18 und treibet. Roͤm. 8, 14. Es iſt aber ſolche wirckung gern geſtanden, auch erklaͤrt worden. §. 7. 8. Der ort Johan 16, 13. von dem leiten in alle warheit, iſt ſo bewandt, daß wir andere glaͤubige nicht gantz davon ausſchlieſſen koͤnnen, indeſſen gehet er hauptſaͤchlich und unmittelbar auf die Apoſtel, daher was geſagt und ver- ſprochen wird, zwar beyden, aber nicht in einem grad oder maaß, zukom- met: Das wir auch von Matth. 10, 20. zu ſagen haben. Wann aber 1. Petr. 4, 11. geſagt wird von den lehrern, ſo jemand redet, daß ers rede als GOttes wort, machet ſolches die rede des predigers noch nicht zu Got- tes wort, ſondern will allein, daß er nichts anders rede als GOttes wort, wel- ches nemlich GOTT bereits durch andere offenbaret, und ers von dem- ſelben empfangen vortraͤgt: ſodann, daß ers alſo vortrage, mit der ſorg- falt, ehrerbietung und treue, als die wuͤrde des goͤttlichen worts mit ſich brin-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/60>, abgerufen am 28.11.2024.