essen dörffte, um in der fremde sich kein ansehen zu machen, und also sein gelübde, welches in vorigen jahren gethan, einmalübertreten? auf diese frage kan nicht an- ders als schlechter dings mit nein antworten. Die ursach ist diese. 1. Weil wir christen insgemein, wie an haltung unserer versprüche an menschen durch die wahrheit, also nicht weniger, ja mehr, auch an die zusagungen, die GOTT ge- schehen, verbunden seynd, als welches abermal so wol die wahrheit als die furcht und gehorsam GOttes von uns erfordern. Wir haben GOttes willen hievon klar ausgedruckt 5. Mos. 23, 21. 22. 23. Wenn du dem HERRN deinem GOTT eine gelübde thust, so solt du es nicht verziehen zu halten, denn der HERR dein GOTT wirds von dir fordern, und wird dir sünde seyn. Wenn du das geloben unterwegen lässest, so ists dirs keine sünde. Aber was zu deinen lippen ausgegangen ist, solt du halten, und darnach thun, wie du dem HERRN deinem GOTT freywillig gelobet hast, das du mit deinem munde geredet hast. So gehöret auch dahin der schreckliche zusatz des zweyten gebots 2. Mos. 20, 7. Der HERR wird den nicht ungestrafft lassen, der seinen namen mißbraucht, welches denn freylich auch mit vorsetzli- cher brechung bündiger gelübd geschiehet.
Dieses hat nun 2. so vielmehr platz in diesem fall, da das gelübde nicht nur allein nichts sündliches in sich hat, (als welche allein nicht verbinden) sondern so be- wandt ist, daß die sache selbs die ursach und der zweck der christen-pflicht gantz ge- mäß ist. Denn wenn uns GOTT einige wohlthat erzeiget, haben wir ihm davor danckbar zu werden, nicht allein zu der zeit, da wir die wohlthat empfangen, sondern auch immer fort, und daher auch derselben offt zu gedencken, wozu sehr dienlich ist, sich gewisse denckmale selbs zu machen, alsdenn in dergleichen gelübden gesehiehet: also ist die absicht auch gantz löblich, nemlich allemal sich solchen tag der göttlichen wolthat und schutzes so viel fleißiger zu erinnern, und sich immer zu wiederholtem danck aufzumuntern. Dazu denn das fasten nicht nur die erinnerung seyn kan, son- dern auch ein bequemes mittel ist, wenn er solchen gantzen tag, oder aufs wenigste und vornemlich diejenige zeit, so sonsten zu dem mahl angewendet worden, zur an- dacht, erwegung des göttlichen schutzes, und hertzlicher dancksagung heiliget. Wann dann nun auch ohne solches gethane gelübde dergleichen zu thun eine gottgefällige und nützliche übung gewesen wäre, so ist die verbindligkeit derselben noch so viel ge- nauer, nachdem das gelübde dazu gekommen ist. Also 3. sehe ich nicht, wie der- selbe sich sothanes gelübds entschütten könne, es käme denn zu einem solchen fall in kranckheiten, da er ohne mercklichen nachtheil seiner gesundheit solches nicht zu hal- ten vermöchte, wo dennoch auch reiffe überlegung solcher nothwendigkeit vor dem angesicht GOttes würde von nöthen seyn. Alldieweil die betrachtung GOttes in
den
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ARTIC. V. SECTIO XVII.
eſſen doͤrffte, um in der fremde ſich kein anſehen zu machen, und alſo ſein geluͤbde, welches in vorigen jahren gethan, einmaluͤbertreten? auf dieſe frage kan nicht an- ders als ſchlechter dings mit nein antworten. Die urſach iſt dieſe. 1. Weil wir chriſten insgemein, wie an haltung unſerer verſpruͤche an menſchen durch die wahrheit, alſo nicht weniger, ja mehr, auch an die zuſagungen, die GOTT ge- ſchehen, verbunden ſeynd, als welches abermal ſo wol die wahrheit als die furcht und gehorſam GOttes von uns erfordern. Wir haben GOttes willen hievon klar ausgedruckt 5. Moſ. 23, 21. 22. 23. Wenn du dem HERRN deinem GOTT eine geluͤbde thuſt, ſo ſolt du es nicht verziehen zu halten, denn der HERR dein GOTT wirds von dir fordern, und wird dir ſuͤnde ſeyn. Wenn du das geloben unterwegen laͤſſeſt, ſo iſts dirs keine ſuͤnde. Aber was zu deinen lippen ausgegangen iſt, ſolt du halten, und darnach thun, wie du dem HERRN deinem GOTT freywillig gelobet haſt, das du mit deinem munde geredet haſt. So gehoͤret auch dahin der ſchreckliche zuſatz des zweyten gebots 2. Moſ. 20, 7. Der HERR wird den nicht ungeſtrafft laſſen, der ſeinen namen mißbraucht, welches denn freylich auch mit vorſetzli- cher brechung buͤndiger geluͤbd geſchiehet.
Dieſes hat nun 2. ſo vielmehr platz in dieſem fall, da das geluͤbde nicht nur allein nichts ſuͤndliches in ſich hat, (als welche allein nicht verbinden) ſondern ſo be- wandt iſt, daß die ſache ſelbs die urſach und der zweck der chriſten-pflicht gantz ge- maͤß iſt. Denn wenn uns GOTT einige wohlthat erzeiget, haben wir ihm davor danckbar zu werden, nicht allein zu der zeit, da wir die wohlthat empfangen, ſondern auch immer fort, und daher auch derſelben offt zu gedencken, wozu ſehr dienlich iſt, ſich gewiſſe denckmale ſelbs zu machen, alsdenn in dergleichen geluͤbden geſehiehet: alſo iſt die abſicht auch gantz loͤblich, nemlich allemal ſich ſolchen tag der goͤttlichen wolthat und ſchutzes ſo viel fleißiger zu erinnern, und ſich immer zu wiederholtem danck aufzumuntern. Dazu denn das faſten nicht nur die erinnerung ſeyn kan, ſon- dern auch ein bequemes mittel iſt, wenn er ſolchen gantzen tag, oder aufs wenigſte und vornemlich diejenige zeit, ſo ſonſten zu dem mahl angewendet worden, zur an- dacht, erwegung des goͤttlichen ſchutzes, und hertzlicher danckſagung heiliget. Wann dann nun auch ohne ſolches gethane geluͤbde dergleichen zu thun eine gottgefaͤllige und nuͤtzliche uͤbung geweſen waͤre, ſo iſt die verbindligkeit derſelben noch ſo viel ge- nauer, nachdem das geluͤbde dazu gekommen iſt. Alſo 3. ſehe ich nicht, wie der- ſelbe ſich ſothanes geluͤbds entſchuͤtten koͤnne, es kaͤme denn zu einem ſolchen fall in kranckheiten, da er ohne mercklichen nachtheil ſeiner geſundheit ſolches nicht zu hal- ten vermoͤchte, wo dennoch auch reiffe uͤberlegung ſolcher nothwendigkeit vor dem angeſicht GOttes wuͤrde von noͤthen ſeyn. Alldieweil die betrachtung GOttes in
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ARTIC. V. SECTIO XVII.
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welches in vorigen jahren gethan, einmaluͤbertreten? auf dieſe frage kan nicht an-
ders als ſchlechter dings mit nein antworten. Die urſach iſt dieſe. 1. Weil
wir chriſten insgemein, wie an haltung unſerer verſpruͤche an menſchen durch die
wahrheit, alſo nicht weniger, ja mehr, auch an die zuſagungen, die GOTT ge-
ſchehen, verbunden ſeynd, als welches abermal ſo wol die wahrheit als die furcht
und gehorſam GOttes von uns erfordern. Wir haben GOttes willen hievon
klar ausgedruckt 5. Moſ. 23, 21. 22. 23. Wenn du dem HERRN deinem
GOTT eine geluͤbde thuſt, ſo ſolt du es nicht verziehen zu halten, denn
der HERR dein GOTT wirds von dir fordern, und wird dir ſuͤnde ſeyn.
Wenn du das geloben unterwegen laͤſſeſt, ſo iſts dirs keine ſuͤnde. Aber
was zu deinen lippen ausgegangen iſt, ſolt du halten, und darnach thun,
wie du dem HERRN deinem GOTT freywillig gelobet haſt, das du mit
deinem munde geredet haſt. So gehoͤret auch dahin der ſchreckliche zuſatz des
zweyten gebots 2. Moſ. 20, 7. Der HERR wird den nicht ungeſtrafft
laſſen, der ſeinen namen mißbraucht, welches denn freylich auch mit vorſetzli-
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Dieſes hat nun 2. ſo vielmehr platz in dieſem fall, da das geluͤbde nicht nur
allein nichts ſuͤndliches in ſich hat, (als welche allein nicht verbinden) ſondern ſo be-
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maͤß iſt. Denn wenn uns GOTT einige wohlthat erzeiget, haben wir ihm davor
danckbar zu werden, nicht allein zu der zeit, da wir die wohlthat empfangen, ſondern
auch immer fort, und daher auch derſelben offt zu gedencken, wozu ſehr dienlich iſt,
ſich gewiſſe denckmale ſelbs zu machen, alsdenn in dergleichen geluͤbden geſehiehet:
alſo iſt die abſicht auch gantz loͤblich, nemlich allemal ſich ſolchen tag der goͤttlichen
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danck aufzumuntern. Dazu denn das faſten nicht nur die erinnerung ſeyn kan, ſon-
dern auch ein bequemes mittel iſt, wenn er ſolchen gantzen tag, oder aufs wenigſte
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dacht, erwegung des goͤttlichen ſchutzes, und hertzlicher danckſagung heiliget. Wann
dann nun auch ohne ſolches gethane geluͤbde dergleichen zu thun eine gottgefaͤllige
und nuͤtzliche uͤbung geweſen waͤre, ſo iſt die verbindligkeit derſelben noch ſo viel ge-
nauer, nachdem das geluͤbde dazu gekommen iſt. Alſo 3. ſehe ich nicht, wie der-
ſelbe ſich ſothanes geluͤbds entſchuͤtten koͤnne, es kaͤme denn zu einem ſolchen fall in
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ten vermoͤchte, wo dennoch auch reiffe uͤberlegung ſolcher nothwendigkeit vor dem
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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 581. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/593>, abgerufen am 21.11.2024.
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