Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.ARTIC. V. SECTIO XV. so bewandt, daß ihr wahrhafftig eure sünde erkennet und sie hasset, an JEsum Chri-stum glaubet, und den ernstlichen vorsatz habet euer leben zu bessern, so verkündige ich etc. Hierüber hat sich niemand zu beschweren/ denn wo er nicht wahrhafftig bußfertig ist, so nutzt ihm meine absolution nichts, sie sey mit worten abgefaßt, wie sie will, und ist in solchem stand viel besser, daß mit solcher clausul der sicherheit noch ein scrupel gemacht, als der mensch darinnen gestärcket werde; ist er aber bußfertig, so ist die condition an ihm erfüllet, und so viel als wäre sie nicht ausge- druckt worden. Also giebts an sich keine kleinmuth, sonderlich weil gedachter massen alle absolution zu ihrer gültigkeit die buß praesupponiret, daher auch der empfang der absolution kaum mich einmal versichern kan, wo nicht auch die versicherung meines gewissens von meiner buß mir zeugnüß giebet. Zu geschweigen, daß bey den- jenigen, bey welchen man sich vernünfftig der unbußfertigkeit besorgen muß, keine kleinmuth zu förchten ist. 9. Die formul der allgemeinen absolution ist, wo wir sie recht ansehen, wahrhafftig conditionata, wenn die bewandtnüß derer ausge- druckt wird, welchen man die sünde vergebe, nemlich euch allen, die ihr eure sünde hertzlich bereuet, an JEsum CHristum glaubet, und den guten ernstlichen vorsatz habt, durch beystand GOttes des Heil. Geistes ener sündliches leben hinfort zu bes- sern etc. daher wer ausser dem, daß diese bedingungen sich bey ihm finden, solcher ab- solution sich anmasset, betrieget sich muthwillig. Also 10. wenn man die krafft der wort recht einsiehet, so mögen wir sagen, daß in gewisser maaß der binde-schlüs- sel mit angedeutet werde, indem jene beschreibung derer, denen allein die sünde ver- geben werden sollen, die übrige alle, welche nicht so bewandt sind, unter dem binde- schlüssel liegen lässet: jedoch damit der sicherheit der unachtsamen desto nachdrück- licher begegnet werde, ists sehr dienlich, daß auch die worte der ausschliessung deut- lich ausgedruckt werden, wie nicht nur nach gethanen anziehen der gleichen zu Braunschweig gebräuchlich, sondern wir auch in unsrer kirchen agend in Franck- furth am Mäyn eine dem verstand nach nicht unterschiedene formul haben, die allezeit nach der absolution mit abgelesen wird. 11. Betreffend die unter- schiedlich mal erinnerte, und doch in vorigen sünden fortfahrende sünder, mache ich einen unterscheid unter denen, welche gleichwol jedes mal sich bußfertig an- stellen, da sie die besserung, auch auf befragen dieser und jener sünde, zusagen, und unter denen, welche sich auch nicht als bußfertige darstellen, sondern fre- vel bekennen, sie wollen sich nicht bessern. Was die erste anlangt, wäre die sache leicht gehoben, wo die kirche in denen ihr zukommenden rechten noch stün- de, und ihre gerichte hätte, da die mehrmalige versprüche eines solchen men- schen, und seine stete rückfälle demselben vorzustellen wären, damit man dero- selben urtheil einholte, ob sie ihn auf einige eusserliche bezeugungen vor bußfer- tig erkennen, oder vorber erst einige proben von ihm erwarten wolten: in gegen- wärtigem ziemlich verwirrten zustand aber sehe ich nicht, wie wir wol weiter gehen können, als solchen leuten die gefahr, in welche sie sich durch heuchlerische busse stür- tzeten, c c c c 2
ARTIC. V. SECTIO XV. ſo bewandt, daß ihr wahrhafftig eure ſuͤnde erkennet und ſie haſſet, an JEſum Chri-ſtum glaubet, und den ernſtlichen vorſatz habet euer leben zu beſſern, ſo verkuͤndige ich ꝛc. Hieruͤber hat ſich niemand zu beſchweren/ denn wo er nicht wahrhafftig bußfertig iſt, ſo nutzt ihm meine abſolution nichts, ſie ſey mit worten abgefaßt, wie ſie will, und iſt in ſolchem ſtand viel beſſer, daß mit ſolcher clauſul der ſicherheit noch ein ſcrupel gemacht, als der menſch darinnen geſtaͤrcket werde; iſt er aber bußfertig, ſo iſt die condition an ihm erfuͤllet, und ſo viel als waͤre ſie nicht ausge- druckt worden. Alſo giebts an ſich keine kleinmuth, ſonderlich weil gedachter maſſen alle abſolution zu ihrer guͤltigkeit die buß præſupponiret, daher auch der empfang der abſolution kaum mich einmal verſichern kan, wo nicht auch die verſicherung meines gewiſſens von meiner buß mir zeugnuͤß giebet. Zu geſchweigen, daß bey den- jenigen, bey welchen man ſich vernuͤnfftig der unbußfertigkeit beſorgen muß, keine kleinmuth zu foͤrchten iſt. 9. Die formul der allgemeinen abſolution iſt, wo wir ſie recht anſehen, wahrhafftig conditionata, wenn die bewandtnuͤß derer ausge- druckt wird, welchen man die ſuͤnde vergebe, nemlich euch allen, die ihr eure ſuͤnde hertzlich bereuet, an JEſum CHriſtum glaubet, und den guten ernſtlichen vorſatz habt, durch beyſtand GOttes des Heil. Geiſtes ener ſuͤndliches leben hinfort zu beſ- ſern ꝛc. daher wer auſſer dem, daß dieſe bedingungen ſich bey ihm finden, ſolcher ab- ſolution ſich anmaſſet, betrieget ſich muthwillig. Alſo 10. wenn man die krafft der wort recht einſiehet, ſo moͤgen wir ſagen, daß in gewiſſer maaß der binde-ſchluͤſ- ſel mit angedeutet werde, indem jene beſchreibung derer, denen allein die ſuͤnde ver- geben werden ſollen, die uͤbrige alle, welche nicht ſo bewandt ſind, unter dem binde- ſchluͤſſel liegen laͤſſet: jedoch damit der ſicherheit der unachtſamen deſto nachdruͤck- licher begegnet werde, iſts ſehr dienlich, daß auch die worte der ausſchlieſſung deut- lich ausgedruckt werden, wie nicht nur nach gethanen anziehen der gleichen zu Braunſchweig gebraͤuchlich, ſondern wir auch in unſrer kirchen agend in Franck- furth am Maͤyn eine dem verſtand nach nicht unterſchiedene formul haben, die allezeit nach der abſolution mit abgeleſen wird. 11. Betreffend die unter- ſchiedlich mal erinnerte, und doch in vorigen ſuͤnden fortfahrende ſuͤnder, mache ich einen unterſcheid unter denen, welche gleichwol jedes mal ſich bußfertig an- ſtellen, da ſie die beſſerung, auch auf befragen dieſer und jener ſuͤnde, zuſagen, und unter denen, welche ſich auch nicht als bußfertige darſtellen, ſondern fre- vel bekennen, ſie wollen ſich nicht beſſern. Was die erſte anlangt, waͤre die ſache leicht gehoben, wo die kirche in denen ihr zukommenden rechten noch ſtuͤn- de, und ihre gerichte haͤtte, da die mehrmalige verſpruͤche eines ſolchen men- ſchen, und ſeine ſtete ruͤckfaͤlle demſelben vorzuſtellen waͤren, damit man dero- ſelben urtheil einholte, ob ſie ihn auf einige euſſerliche bezeugungen vor bußfer- tig erkennen, oder vorber erſt einige proben von ihm erwarten wolten: in gegen- waͤrtigem ziemlich verwirrten zuſtand aber ſehe ich nicht, wie wir wol weiter gehen koͤnnen, als ſolchen leuten die gefahr, in welche ſie ſich durch heuchleriſche buſſe ſtuͤr- tzeten, c c c c 2
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ARTIC. V. SECTIO XV.
ſo bewandt, daß ihr wahrhafftig eure ſuͤnde erkennet und ſie haſſet, an JEſum Chri-
ſtum glaubet, und den ernſtlichen vorſatz habet euer leben zu beſſern, ſo verkuͤndige
ich ꝛc. Hieruͤber hat ſich niemand zu beſchweren/ denn wo er nicht wahrhafftig
bußfertig iſt, ſo nutzt ihm meine abſolution nichts, ſie ſey mit worten abgefaßt, wie
ſie will, und iſt in ſolchem ſtand viel beſſer, daß mit ſolcher clauſul der ſicherheit
noch ein ſcrupel gemacht, als der menſch darinnen geſtaͤrcket werde; iſt er aber
bußfertig, ſo iſt die condition an ihm erfuͤllet, und ſo viel als waͤre ſie nicht ausge-
druckt worden. Alſo giebts an ſich keine kleinmuth, ſonderlich weil gedachter maſſen
alle abſolution zu ihrer guͤltigkeit die buß præſupponiret, daher auch der empfang
der abſolution kaum mich einmal verſichern kan, wo nicht auch die verſicherung
meines gewiſſens von meiner buß mir zeugnuͤß giebet. Zu geſchweigen, daß bey den-
jenigen, bey welchen man ſich vernuͤnfftig der unbußfertigkeit beſorgen muß, keine
kleinmuth zu foͤrchten iſt. 9. Die formul der allgemeinen abſolution iſt, wo wir ſie
recht anſehen, wahrhafftig conditionata, wenn die bewandtnuͤß derer ausge-
druckt wird, welchen man die ſuͤnde vergebe, nemlich euch allen, die ihr eure ſuͤnde
hertzlich bereuet, an JEſum CHriſtum glaubet, und den guten ernſtlichen vorſatz
habt, durch beyſtand GOttes des Heil. Geiſtes ener ſuͤndliches leben hinfort zu beſ-
ſern ꝛc. daher wer auſſer dem, daß dieſe bedingungen ſich bey ihm finden, ſolcher ab-
ſolution ſich anmaſſet, betrieget ſich muthwillig. Alſo 10. wenn man die krafft
der wort recht einſiehet, ſo moͤgen wir ſagen, daß in gewiſſer maaß der binde-ſchluͤſ-
ſel mit angedeutet werde, indem jene beſchreibung derer, denen allein die ſuͤnde ver-
geben werden ſollen, die uͤbrige alle, welche nicht ſo bewandt ſind, unter dem binde-
ſchluͤſſel liegen laͤſſet: jedoch damit der ſicherheit der unachtſamen deſto nachdruͤck-
licher begegnet werde, iſts ſehr dienlich, daß auch die worte der ausſchlieſſung deut-
lich ausgedruckt werden, wie nicht nur nach gethanen anziehen der gleichen zu
Braunſchweig gebraͤuchlich, ſondern wir auch in unſrer kirchen agend in Franck-
furth am Maͤyn eine dem verſtand nach nicht unterſchiedene formul haben, die
allezeit nach der abſolution mit abgeleſen wird. 11. Betreffend die unter-
ſchiedlich mal erinnerte, und doch in vorigen ſuͤnden fortfahrende ſuͤnder, mache
ich einen unterſcheid unter denen, welche gleichwol jedes mal ſich bußfertig an-
ſtellen, da ſie die beſſerung, auch auf befragen dieſer und jener ſuͤnde, zuſagen,
und unter denen, welche ſich auch nicht als bußfertige darſtellen, ſondern fre-
vel bekennen, ſie wollen ſich nicht beſſern. Was die erſte anlangt, waͤre die
ſache leicht gehoben, wo die kirche in denen ihr zukommenden rechten noch ſtuͤn-
de, und ihre gerichte haͤtte, da die mehrmalige verſpruͤche eines ſolchen men-
ſchen, und ſeine ſtete ruͤckfaͤlle demſelben vorzuſtellen waͤren, damit man dero-
ſelben urtheil einholte, ob ſie ihn auf einige euſſerliche bezeugungen vor bußfer-
tig erkennen, oder vorber erſt einige proben von ihm erwarten wolten: in gegen-
waͤrtigem ziemlich verwirrten zuſtand aber ſehe ich nicht, wie wir wol weiter gehen
koͤnnen, als ſolchen leuten die gefahr, in welche ſie ſich durch heuchleriſche buſſe ſtuͤr-
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