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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
wo er zu wircken angefangen, lasse er das keimende körnlein zum halm aufschiessen,
und die ähren mit fruchtkörnern erfüllet, diese aber auch zu seiner zeit reif werden Es
könte solche predigt ein zeugnüß seyn, nachdem sie ohne einigen apparatum erud ti-
onis
abgefasset, und die göttliche warheit darinnen ohne gesuchte zierde und elo-
quenz
vorgetragen worden, daß das wort zu seiner wirckung kemer fremden zierde
bedörffe, sondern in seiner einfalt die grösseste krafft erweise: welches ich auf uni-
versi
täten recht geglaubt zu werden hertzlich verlangte, so würde manches in studiis
nicht so nöthiges hindangesetzt, und nur immerdar das nöthigste getrieben, oder doch
dem andern vorgezogen werden. Dazu der HERR mehr und mehr seine gnade
und licht verleihe. Daß in dem übrigen auch einige andere ungleich von solcher pre-
digt geurtheilet, ist nicht wunder: je wäre wunder, wo der welt gefiele, was den
willen GOttes ohne schmeicheley vorgestellet. Daß auch einige davor halten, die
sachen seyen unmöglich, die man fordere, ist abermal fast eine gemeine entschuldi-
gung derjenigen, die entweder die krafft GOttes in seinen gläubigen nicht verstehen,
oder sich niemal einen rechten vorsatz haben nehmen oder fassen wollen. Was aber
die christliche weibs-person anlangt, so die predigt nicht gehört zu haben beklagte,
wird ihr damit in ihrem verlangen ein genüge geschehen seyn, wenn sie dasjenige ge-
lesen, was ich damal geredet. Solte sie aber davor halten, daß durch meinen weni-
gen rath einigen ihrem anliegen geholffen werden könte, und sie, wenn in Leipzig ich
wiederum seyn solte, mir zuzusprechen beliebte, so ist mir angenehm, es seye wo es
wolle, einer seele, dero es um GOtt ein ernst ist, etwas geistlicher gaben mitthei-
len zu können. Der HErr stärcke sie aber selbs mit seinem Geist. Weil im übri-
gen, unter denen ihr recommendirten meinen schrifften nicht sehe das kleine tra-
ct
ätlein von der Lautern milch des Evangelii, stehet dahin, ob nicht etwa das-
selbe vor andern ihr möchte am dienlichsten seyn. Was anlanget das catechismus-
examen,
ist nun kein zweifel, nachdem solches auf nechsten landtag geschlossen
worden, daß es kürtzlich in dem gantzen land werde introduciret, und dazu der
von dem hiesigen ministerio auf befehl bereits vor etzlichen jahren gemachter Ca-
techismus, so auch von beyden Churfl. Universitäten censirt worden, autorisirt
werden. Der HErr gebe nur zu den anstalten die nöthige klugheit des Geistes, und
denen, welche hand anlegen sollen, willige hertzen, woran ein grosses der frucht,
so davon zu hoffen, gelegen ist: er segne alsdenn auch, was in seinem namen vor-
genommen wird. Jndessen wäre zu wünschen gewesen, daß alle, ehe solches aus-
drücklich befohlen worden, solche übungen, dazu alle pfarherren bereits aus der kir-
chen-ordnung recht haben, bey den ihrigen eingeführet hätten: da ich mich versi-
chern wolte, welche es in der forcht des HErrn, und mit christlicher bescheidenheit
angefangen und versucht hätten, solten gefunden haben, daß es nicht würde an zu-
hörern gemangelt haben, sonderlich wo der alten mit dem examiniren selbs wäre

gescho-

Das ſiebende Capitel.
wo er zu wircken angefangen, laſſe er das keimende koͤrnlein zum halm aufſchieſſen,
und die aͤhren mit fruchtkoͤrnern erfuͤllet, dieſe aber auch zu ſeiner zeit reif werden Es
koͤnte ſolche predigt ein zeugnuͤß ſeyn, nachdem ſie ohne einigen apparatum erud ti-
onis
abgefaſſet, und die goͤttliche warheit darinnen ohne geſuchte zierde und elo-
quenz
vorgetragen worden, daß das wort zu ſeiner wirckung kemer fremden zierde
bedoͤrffe, ſondern in ſeiner einfalt die groͤſſeſte krafft erweiſe: welches ich auf uni-
verſi
taͤten recht geglaubt zu werden hertzlich verlangte, ſo wuͤrde manches in ſtudiis
nicht ſo noͤthiges hindangeſetzt, und nur immerdar das noͤthigſte getrieben, odeꝛ doch
dem andern vorgezogen werden. Dazu der HERR mehr und mehr ſeine gnade
und licht verleihe. Daß in dem uͤbrigen auch einige andere ungleich von ſolcher pꝛe-
digt geurtheilet, iſt nicht wunder: je waͤre wunder, wo der welt gefiele, was den
willen GOttes ohne ſchmeicheley vorgeſtellet. Daß auch einige davor halten, die
ſachen ſeyen unmoͤglich, die man fordere, iſt abermal faſt eine gemeine entſchuldi-
gung derjenigen, die entweder die krafft GOttes in ſeinen glaͤubigen nicht verſtehen,
oder ſich niemal einen rechten vorſatz haben nehmen odeꝛ faſſen wollen. Was aber
die chriſtliche weibs-perſon anlangt, ſo die predigt nicht gehoͤrt zu haben beklagte,
wird ihr damit in ihrem verlangen ein genuͤge geſchehen ſeyn, wenn ſie dasjenige ge-
leſen, was ich damal geredet. Solte ſie aber davor halten, daß durch meinen weni-
gen rath einigen ihrem anliegen geholffen werden koͤnte, und ſie, wenn in Leipzig ich
wiederum ſeyn ſolte, mir zuzuſprechen beliebte, ſo iſt mir angenehm, es ſeye wo es
wolle, einer ſeele, dero es um GOtt ein ernſt iſt, etwas geiſtlicher gaben mitthei-
len zu koͤnnen. Der HErr ſtaͤrcke ſie aber ſelbs mit ſeinem Geiſt. Weil im uͤbri-
gen, unter denen ihr recommendirten meinen ſchrifften nicht ſehe das kleine tra-
ct
aͤtlein von der Lautern milch des Evangelii, ſtehet dahin, ob nicht etwa daſ-
ſelbe vor andern ihr moͤchte am dienlichſten ſeyn. Was anlanget das catechiſmus-
examen,
iſt nun kein zweifel, nachdem ſolches auf nechſten landtag geſchloſſen
worden, daß es kuͤrtzlich in dem gantzen land werde introduciret, und dazu der
von dem hieſigen miniſterio auf befehl bereits vor etzlichen jahren gemachter Ca-
techiſmus, ſo auch von beyden Churfl. Univerſitaͤten cenſirt worden, autoriſirt
werden. Der HErr gebe nur zu den anſtalten die noͤthige klugheit des Geiſtes, und
denen, welche hand anlegen ſollen, willige hertzen, woran ein groſſes der frucht,
ſo davon zu hoffen, gelegen iſt: er ſegne alsdenn auch, was in ſeinem namen vor-
genommen wird. Jndeſſen waͤre zu wuͤnſchen geweſen, daß alle, ehe ſolches aus-
druͤcklich befohlen worden, ſolche uͤbungen, dazu alle pfarherren bereits aus der kir-
chen-ordnung recht haben, bey den ihrigen eingefuͤhret haͤtten: da ich mich verſi-
chern wolte, welche es in der forcht des HErrn, und mit chriſtlicher beſcheidenheit
angefangen und verſucht haͤtten, ſolten gefunden haben, daß es nicht wuͤrde an zu-
hoͤrern gemangelt haben, ſonderlich wo der alten mit dem examiniren ſelbs waͤre

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[568/0580] Das ſiebende Capitel. wo er zu wircken angefangen, laſſe er das keimende koͤrnlein zum halm aufſchieſſen, und die aͤhren mit fruchtkoͤrnern erfuͤllet, dieſe aber auch zu ſeiner zeit reif werden Es koͤnte ſolche predigt ein zeugnuͤß ſeyn, nachdem ſie ohne einigen apparatum erud ti- onis abgefaſſet, und die goͤttliche warheit darinnen ohne geſuchte zierde und elo- quenz vorgetragen worden, daß das wort zu ſeiner wirckung kemer fremden zierde bedoͤrffe, ſondern in ſeiner einfalt die groͤſſeſte krafft erweiſe: welches ich auf uni- verſitaͤten recht geglaubt zu werden hertzlich verlangte, ſo wuͤrde manches in ſtudiis nicht ſo noͤthiges hindangeſetzt, und nur immerdar das noͤthigſte getrieben, odeꝛ doch dem andern vorgezogen werden. Dazu der HERR mehr und mehr ſeine gnade und licht verleihe. Daß in dem uͤbrigen auch einige andere ungleich von ſolcher pꝛe- digt geurtheilet, iſt nicht wunder: je waͤre wunder, wo der welt gefiele, was den willen GOttes ohne ſchmeicheley vorgeſtellet. Daß auch einige davor halten, die ſachen ſeyen unmoͤglich, die man fordere, iſt abermal faſt eine gemeine entſchuldi- gung derjenigen, die entweder die krafft GOttes in ſeinen glaͤubigen nicht verſtehen, oder ſich niemal einen rechten vorſatz haben nehmen odeꝛ faſſen wollen. Was aber die chriſtliche weibs-perſon anlangt, ſo die predigt nicht gehoͤrt zu haben beklagte, wird ihr damit in ihrem verlangen ein genuͤge geſchehen ſeyn, wenn ſie dasjenige ge- leſen, was ich damal geredet. Solte ſie aber davor halten, daß durch meinen weni- gen rath einigen ihrem anliegen geholffen werden koͤnte, und ſie, wenn in Leipzig ich wiederum ſeyn ſolte, mir zuzuſprechen beliebte, ſo iſt mir angenehm, es ſeye wo es wolle, einer ſeele, dero es um GOtt ein ernſt iſt, etwas geiſtlicher gaben mitthei- len zu koͤnnen. Der HErr ſtaͤrcke ſie aber ſelbs mit ſeinem Geiſt. Weil im uͤbri- gen, unter denen ihr recommendirten meinen ſchrifften nicht ſehe das kleine tra- ctaͤtlein von der Lautern milch des Evangelii, ſtehet dahin, ob nicht etwa daſ- ſelbe vor andern ihr moͤchte am dienlichſten ſeyn. Was anlanget das catechiſmus- examen, iſt nun kein zweifel, nachdem ſolches auf nechſten landtag geſchloſſen worden, daß es kuͤrtzlich in dem gantzen land werde introduciret, und dazu der von dem hieſigen miniſterio auf befehl bereits vor etzlichen jahren gemachter Ca- techiſmus, ſo auch von beyden Churfl. Univerſitaͤten cenſirt worden, autoriſirt werden. Der HErr gebe nur zu den anſtalten die noͤthige klugheit des Geiſtes, und denen, welche hand anlegen ſollen, willige hertzen, woran ein groſſes der frucht, ſo davon zu hoffen, gelegen iſt: er ſegne alsdenn auch, was in ſeinem namen vor- genommen wird. Jndeſſen waͤre zu wuͤnſchen geweſen, daß alle, ehe ſolches aus- druͤcklich befohlen worden, ſolche uͤbungen, dazu alle pfarherren bereits aus der kir- chen-ordnung recht haben, bey den ihrigen eingefuͤhret haͤtten: da ich mich verſi- chern wolte, welche es in der forcht des HErrn, und mit chriſtlicher beſcheidenheit angefangen und verſucht haͤtten, ſolten gefunden haben, daß es nicht wuͤrde an zu- hoͤrern gemangelt haben, ſonderlich wo der alten mit dem examiniren ſelbs waͤre geſcho-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/580>, abgerufen am 25.11.2024.