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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. I. SECT. X.
durch die unmittelbar erleuchtete also, daß ihr verstand und natürliche kräff-
ten in dem schreiben oder aussprechen sich nicht so wohl wircklich, active, als
leidentlich, oder passive, verhalten und sie deßwegen bloß werckzeuge des
durch sie redenden GOttes sind: Daher es billich im schärfsten verstand
genommen wird, wenn es heist Luc. 1, 70. GOtt habe geredet durch
den mund seiner heiligen Propheten:
Diese haben ihm so zu reden
nur ihren mund darzu dargeliehen. Wie sich auch Johannes, Joh. 1, 23.
allein die stimme eines ruffenden nennet, dessen stimme der heilige Geist
in dem predigen nur brauche. Also auch 2. Sam. 13, 2. spricht David:
Der Geist des HErrn hat durch mich geredet, und seine rede ist
durch meine zunge geschehen.
Wobey D. Schmidt bemercket: ho-
mines non nisi instrumentum sunt, sicut os & lingua hominis loquen-
tis.
Und bald: Spiritus Jehovae in ipso locutus est, sicut anima homi-
nis in homine loquitur.
So heißt es ausdrücklich, die Apostel, wo sie sich
des Evangelii wegen zu verantworten haben würden, solten nicht sorgen,
wie oder was sie reden solten: Denn es solte ihnen zu der stunde gegeben
werden, was sie reden solten. Denn sie seyen es nicht die da reden, son-
dern ihres Vaters Geist seye es, der durch sie rede. Matth. 10, 19. 20.

Aus welchem allen erhellet, was es vor eine bewandtnüß mit der th[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]otonosei
und göttlichen unmittelbaren eingebung habe. Wo aber gläubige oder
auch Christliche prediger reden, ob wol freylich auch göttliche mitwirckung
nicht ausgeschlossen wird, so ist doch ihre seele durch ihren verstand und willen
die nechste warhafftige wirckliche ursach, und findet sich dabey des menschen
nach finnen, überlegung, fassung und ordnung der gedancken, auch einrich-
tung der wort, wie der mensch dieselbe der sache, und umständen am gemäs-
sesten erkennet: das heisset aus menschlichem willen hervorgebracht,
welches von den heiligen männern GOttes geleugnet, und ihre redart viel
höher gesetzet wird,

§. 4. Hiezu kommt der 2. unterschied. Das eigenliche wort GOttes, weil
es die offenbarung des willens Gottes an die menschen ist, hat auch eine gött-
liche autorität, u. muß man ihm um sein selbs willen und um des boten wil-
len, durch den der HErr es sendet, und dessen beruff kund machet, gehorsam lei-
sten, ja man kan es ohne schwere sünde nicht übertreten, so gar daß dorten 1.
Kön. 20, 35. 36. (welches exempel mich offt erschrecket, daß mich nicht wohl
darein finden kan.) als ein mann unter den kindern der Propheten in dem na-
men des HErren und also als ein wort GOttes dem andern etwas befahl,
daß man hätte gedencken mögen, es wäre vielmehr göttlichem willen entgegen
und dieser sich solches zu thun weigerte, er solches ungehorsams wegen von

einem
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ARTIC. I. SECT. X.
durch die unmittelbar erleuchtete alſo, daß ihr verſtand und natuͤrliche kraͤff-
ten in dem ſchreiben oder ausſprechen ſich nicht ſo wohl wircklich, active, als
leidentlich, oder paſſive, verhalten und ſie deßwegen bloß werckzeuge des
durch ſie redenden GOttes ſind: Daher es billich im ſchaͤrfſten verſtand
genommen wird, wenn es heiſt Luc. 1, 70. GOtt habe geredet durch
den mund ſeiner heiligen Propheten:
Dieſe haben ihm ſo zu reden
nur ihren mund darzu dargeliehen. Wie ſich auch Johannes, Joh. 1, 23.
allein die ſtimme eines ruffenden nennet, deſſen ſtimme der heilige Geiſt
in dem predigen nur brauche. Alſo auch 2. Sam. 13, 2. ſpricht David:
Der Geiſt des HErrn hat durch mich geredet, und ſeine rede iſt
durch meine zunge geſchehen.
Wobey D. Schmidt bemercket: ho-
mines non niſi inſtrumentum ſunt, ſicut os & lingua hominis loquen-
tis.
Und bald: Spiritus Jehovæ in ipſo locutus eſt, ſicut anima homi-
nis in homine loquitur.
So heißt es ausdruͤcklich, die Apoſtel, wo ſie ſich
des Evangelii wegen zu verantworten haben wuͤrden, ſolten nicht ſorgen,
wie oder was ſie reden ſolten: Denn es ſolte ihnen zu der ſtunde gegeben
werden, was ſie reden ſolten. Denn ſie ſeyen es nicht die da reden, ſon-
dern ihres Vaters Geiſt ſeye es, der durch ſie rede. Matth. 10, 19. 20.

Aus welchem allen erhellet, was es vor eine bewandtnuͤß mit der θ[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]οτονώσει
und goͤttlichen unmittelbaren eingebung habe. Wo aber glaͤubige oder
auch Chriſtliche prediger reden, ob wol freylich auch goͤttliche mitwirckung
nicht ausgeſchloſſen wird, ſo iſt doch ihre ſeele durch ihren verſtand und willen
die nechſte warhafftige wirckliche urſach, und findet ſich dabey des menſchen
nach finnen, uͤberlegung, faſſung und ordnung der gedancken, auch einrich-
tung der wort, wie der menſch dieſelbe der ſache, und umſtaͤnden am gemaͤſ-
ſeſten erkennet: das heiſſet aus menſchlichem willen hervorgebracht,
welches von den heiligen maͤnnern GOttes geleugnet, und ihre redart viel
hoͤher geſetzet wird,

§. 4. Hiezu kommt der 2. unterſchied. Das eigenliche wort GOttes, weil
es die offenbarung des willens Gottes an die menſchen iſt, hat auch eine goͤtt-
liche autoritaͤt, u. muß man ihm um ſein ſelbs willen und um des boten wil-
len, durch den der HErr es ſendet, und deſſen beruff kund machet, gehorſam lei-
ſten, ja man kan es ohne ſchwere ſuͤnde nicht uͤbertreten, ſo gar daß dorten 1.
Koͤn. 20, 35. 36. (welches exempel mich offt erſchrecket, daß mich nicht wohl
darein finden kan.) als ein mann unter den kindern der Propheten in dem na-
men des HErren und alſo als ein wort GOttes dem andern etwas befahl,
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und dieſer ſich ſolches zu thun weigerte, er ſolches ungehorſams wegen von

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[45/0057] ARTIC. I. SECT. X. durch die unmittelbar erleuchtete alſo, daß ihr verſtand und natuͤrliche kraͤff- ten in dem ſchreiben oder ausſprechen ſich nicht ſo wohl wircklich, active, als leidentlich, oder paſſive, verhalten und ſie deßwegen bloß werckzeuge des durch ſie redenden GOttes ſind: Daher es billich im ſchaͤrfſten verſtand genommen wird, wenn es heiſt Luc. 1, 70. GOtt habe geredet durch den mund ſeiner heiligen Propheten: Dieſe haben ihm ſo zu reden nur ihren mund darzu dargeliehen. Wie ſich auch Johannes, Joh. 1, 23. allein die ſtimme eines ruffenden nennet, deſſen ſtimme der heilige Geiſt in dem predigen nur brauche. Alſo auch 2. Sam. 13, 2. ſpricht David: Der Geiſt des HErrn hat durch mich geredet, und ſeine rede iſt durch meine zunge geſchehen. Wobey D. Schmidt bemercket: ho- mines non niſi inſtrumentum ſunt, ſicut os & lingua hominis loquen- tis. Und bald: Spiritus Jehovæ in ipſo locutus eſt, ſicut anima homi- nis in homine loquitur. So heißt es ausdruͤcklich, die Apoſtel, wo ſie ſich des Evangelii wegen zu verantworten haben wuͤrden, ſolten nicht ſorgen, wie oder was ſie reden ſolten: Denn es ſolte ihnen zu der ſtunde gegeben werden, was ſie reden ſolten. Denn ſie ſeyen es nicht die da reden, ſon- dern ihres Vaters Geiſt ſeye es, der durch ſie rede. Matth. 10, 19. 20. Aus welchem allen erhellet, was es vor eine bewandtnuͤß mit der θ_οτονώσει und goͤttlichen unmittelbaren eingebung habe. Wo aber glaͤubige oder auch Chriſtliche prediger reden, ob wol freylich auch goͤttliche mitwirckung nicht ausgeſchloſſen wird, ſo iſt doch ihre ſeele durch ihren verſtand und willen die nechſte warhafftige wirckliche urſach, und findet ſich dabey des menſchen nach finnen, uͤberlegung, faſſung und ordnung der gedancken, auch einrich- tung der wort, wie der menſch dieſelbe der ſache, und umſtaͤnden am gemaͤſ- ſeſten erkennet: das heiſſet aus menſchlichem willen hervorgebracht, welches von den heiligen maͤnnern GOttes geleugnet, und ihre redart viel hoͤher geſetzet wird, §. 4. Hiezu kommt der 2. unterſchied. Das eigenliche wort GOttes, weil es die offenbarung des willens Gottes an die menſchen iſt, hat auch eine goͤtt- liche autoritaͤt, u. muß man ihm um ſein ſelbs willen und um des boten wil- len, durch den der HErr es ſendet, und deſſen beruff kund machet, gehorſam lei- ſten, ja man kan es ohne ſchwere ſuͤnde nicht uͤbertreten, ſo gar daß dorten 1. Koͤn. 20, 35. 36. (welches exempel mich offt erſchrecket, daß mich nicht wohl darein finden kan.) als ein mann unter den kindern der Propheten in dem na- men des HErren und alſo als ein wort GOttes dem andern etwas befahl, daß man haͤtte gedencken moͤgen, es waͤre vielmehr goͤttlichem willen entgegen und dieſer ſich ſolches zu thun weigerte, er ſolches ungehorſams wegen von einem f 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/57>, abgerufen am 22.11.2024.