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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. V. SECT. XI.
SECTIO XI.
Mißhelligkeit schlägt viel gutes aus göttlichem ge-
richt. Nöthige gedult. Wo äußerliche mittel des guten
mangeln/ ersetzet es GOtt am innerlichen. Meine hoff-
nung in Dreßden. Catechismus-examen.

JCh sehe mit schuldigen erbarmen selbs an, wie diese mißhelligkeit so viel geist-
ches gutes auch schlage, ich erkenne aber auch darinnen den characterem
unserer zeit, der mir also vorkomt, daß das göttliche gerichte selbs in dem
wege stehet, daß noch nichts rechtschaffenes durchdringen kan, sondern aus göttli-
cher gerechter verhängnüß nachdem wir so lang in unserer kirchen durch vielen
mißbrauch und undanck den HErrn gereitzet) allem guten vorhaben alsobald un-
vermuthete hindernüß muß gesetzet werden, daß das meiste in das stecken komt. Las-
set uns unsre seelen in gedult fassen, auch auf diese weise uns in die zeit schicken lernen,
nichts destoweniger treulich thun, was von uns erfodert wird, mit dem gebet auch
anhalten, wo es nicht von statten wil, deswegen nicht gegen GOtt murren; sondern
mit geziemender gelassenheit uns unter desselbigen heiligen willen demüthigen, und
seinen rath, ob er auch unsern bestgemeinten vorschlägen gerad entgegen stehet, nichts
destoweniger mit kindlicher zufriedenheit verehren, und mit gedult der zeit erwar-
ten, da der HErr nach dem schluß seiner gerichte sich seinem volck wiederum gütiger
bezeigen wird. Auf solche art müssen uns auch die hindernüssen unsers wahren be-
sten beförderung werden. Jch weiß, es ist dieses eine schwere lection, aber der
HErr wird auch dazu gnade geben. Ob also wol E. Hochgräfl. Gn. itzo fast aller
äußerlichen aufmunterung beraubet leben, und an der stelle, da sie etwa erquickung
und trost verlanget, solche dinge hören muß, die sie mehr betrüben und niederschla-
gen, trage ich zwar christlich mitleiden, aber versichere mich, dieselbe werde auch
hierinnen mit ihrem GOtt zu frieden seyn. Wir haben endlich diesen besten trost:
wie unser glaube auf keines menschen autorität stehet, so hanget auch seine erhal-
tung und stärckung nicht an menschen: sondern, versagt der himmlische vater jemand
seiner kinder, die ihn lieben, und gern in seinem lebendigen erkäntnüß wachsen möch-
ten, die äusserliche mittel, dadurch sie sich sonsten gerne stärckten, so ersetzt er in dem
innerlichen und mit so viel kräfftigerm segen, welchen er zu der privat-andacht hauß-
Gottesdienst verleihet, dasjenige was man von öffentlichen lehrern und dero vor-
trag zu geniessen verlanget hat. So lehrets auch unser hertz destomehr und lauterer
von allen creaturen abziehen und zu demjenigen uns wenden, da es doch allein alles
seyn muß und wil, und uns dahin mehr und mehr zu bringen offt vielerley wege und
mittel braucht, nachdem es seiner güte und weißheit gemäß ist. Meinen zustand al-

hier
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ARTIC. V. SECT. XI.
SECTIO XI.
Mißhelligkeit ſchlaͤgt viel gutes aus goͤttlichem ge-
richt. Noͤthige gedult. Wo aͤußerliche mittel des guten
mangeln/ erſetzet es GOtt am innerlichen. Meine hoff-
nung in Dreßden. Catechiſmus-examen.

JCh ſehe mit ſchuldigen erbarmen ſelbs an, wie dieſe mißhelligkeit ſo viel geiſt-
ches gutes auch ſchlage, ich erkenne aber auch darinnen den characterem
unſerer zeit, der mir alſo vorkomt, daß das goͤttliche gerichte ſelbs in dem
wege ſtehet, daß noch nichts rechtſchaffenes durchdringen kan, ſondern aus goͤttli-
cher gerechter verhaͤngnuͤß nachdem wir ſo lang in unſerer kirchen durch vielen
mißbrauch und undanck den HErrn gereitzet) allem guten vorhaben alſobald un-
vermuthete hindernuͤß muß geſetzet werden, daß das meiſte in das ſtecken komt. Laſ-
ſet uns unſre ſeelen in gedult faſſen, auch auf dieſe weiſe uns in die zeit ſchicken lernen,
nichts deſtoweniger treulich thun, was von uns erfodert wird, mit dem gebet auch
anhalten, wo es nicht von ſtatten wil, deswegen nicht gegen GOtt murren; ſondern
mit geziemender gelaſſenheit uns unter deſſelbigen heiligen willen demuͤthigen, und
ſeinen rath, ob er auch unſern beſtgemeinten voꝛſchlaͤgen geꝛad entgegen ſtehet, nichts
deſtoweniger mit kindlicher zufriedenheit verehren, und mit gedult der zeit erwar-
ten, da der HErr nach dem ſchluß ſeiner gerichte ſich ſeinem volck wiederum guͤtiger
bezeigen wird. Auf ſolche art muͤſſen uns auch die hindernuͤſſen unſers wahren be-
ſten befoͤrderung werden. Jch weiß, es iſt dieſes eine ſchwere lection, aber der
HErr wird auch dazu gnade geben. Ob alſo wol E. Hochgraͤfl. Gn. itzo faſt aller
aͤußerlichen aufmunterung beraubet leben, und an der ſtelle, da ſie etwa erquickung
und troſt verlanget, ſolche dinge hoͤren muß, die ſie mehr betruͤben und niederſchla-
gen, trage ich zwar chriſtlich mitleiden, aber verſichere mich, dieſelbe werde auch
hierinnen mit ihrem GOtt zu frieden ſeyn. Wir haben endlich dieſen beſten troſt:
wie unſer glaube auf keines menſchen autoritaͤt ſtehet, ſo hanget auch ſeine erhal-
tung und ſtaͤrckung nicht an menſchen: ſondern, veꝛſagt der himmliſche vater jemand
ſeiner kinder, die ihn lieben, und gern in ſeinem lebendigen erkaͤntnuͤß wachſen moͤch-
ten, die aͤuſſerliche mittel, dadurch ſie ſich ſonſten gerne ſtaͤrckten, ſo erſetzt er in dem
innerlichen und mit ſo viel kraͤfftigerm ſegen, welchen er zu der privat-andacht hauß-
Gottesdienſt verleihet, dasjenige was man von oͤffentlichen lehrern und dero vor-
trag zu genieſſen verlanget hat. So lehrets auch unſer hertz deſtomehr und lauterer
von allen creaturen abziehen und zu demjenigen uns wenden, da es doch allein alles
ſeyn muß und wil, und uns dahin mehr und mehr zu bringen offt vielerley wege und
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hier
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[557/0569] ARTIC. V. SECT. XI. SECTIO XI. Mißhelligkeit ſchlaͤgt viel gutes aus goͤttlichem ge- richt. Noͤthige gedult. Wo aͤußerliche mittel des guten mangeln/ erſetzet es GOtt am innerlichen. Meine hoff- nung in Dreßden. Catechiſmus-examen. JCh ſehe mit ſchuldigen erbarmen ſelbs an, wie dieſe mißhelligkeit ſo viel geiſt- ches gutes auch ſchlage, ich erkenne aber auch darinnen den characterem unſerer zeit, der mir alſo vorkomt, daß das goͤttliche gerichte ſelbs in dem wege ſtehet, daß noch nichts rechtſchaffenes durchdringen kan, ſondern aus goͤttli- cher gerechter verhaͤngnuͤß nachdem wir ſo lang in unſerer kirchen durch vielen mißbrauch und undanck den HErrn gereitzet) allem guten vorhaben alſobald un- vermuthete hindernuͤß muß geſetzet werden, daß das meiſte in das ſtecken komt. Laſ- ſet uns unſre ſeelen in gedult faſſen, auch auf dieſe weiſe uns in die zeit ſchicken lernen, nichts deſtoweniger treulich thun, was von uns erfodert wird, mit dem gebet auch anhalten, wo es nicht von ſtatten wil, deswegen nicht gegen GOtt murren; ſondern mit geziemender gelaſſenheit uns unter deſſelbigen heiligen willen demuͤthigen, und ſeinen rath, ob er auch unſern beſtgemeinten voꝛſchlaͤgen geꝛad entgegen ſtehet, nichts deſtoweniger mit kindlicher zufriedenheit verehren, und mit gedult der zeit erwar- ten, da der HErr nach dem ſchluß ſeiner gerichte ſich ſeinem volck wiederum guͤtiger bezeigen wird. Auf ſolche art muͤſſen uns auch die hindernuͤſſen unſers wahren be- ſten befoͤrderung werden. Jch weiß, es iſt dieſes eine ſchwere lection, aber der HErr wird auch dazu gnade geben. Ob alſo wol E. Hochgraͤfl. Gn. itzo faſt aller aͤußerlichen aufmunterung beraubet leben, und an der ſtelle, da ſie etwa erquickung und troſt verlanget, ſolche dinge hoͤren muß, die ſie mehr betruͤben und niederſchla- gen, trage ich zwar chriſtlich mitleiden, aber verſichere mich, dieſelbe werde auch hierinnen mit ihrem GOtt zu frieden ſeyn. Wir haben endlich dieſen beſten troſt: wie unſer glaube auf keines menſchen autoritaͤt ſtehet, ſo hanget auch ſeine erhal- tung und ſtaͤrckung nicht an menſchen: ſondern, veꝛſagt der himmliſche vater jemand ſeiner kinder, die ihn lieben, und gern in ſeinem lebendigen erkaͤntnuͤß wachſen moͤch- ten, die aͤuſſerliche mittel, dadurch ſie ſich ſonſten gerne ſtaͤrckten, ſo erſetzt er in dem innerlichen und mit ſo viel kraͤfftigerm ſegen, welchen er zu der privat-andacht hauß- Gottesdienſt verleihet, dasjenige was man von oͤffentlichen lehrern und dero vor- trag zu genieſſen verlanget hat. So lehrets auch unſer hertz deſtomehr und lauterer von allen creaturen abziehen und zu demjenigen uns wenden, da es doch allein alles ſeyn muß und wil, und uns dahin mehr und mehr zu bringen offt vielerley wege und mittel braucht, nachdem es ſeiner guͤte und weißheit gemaͤß iſt. Meinen zuſtand al- hier a a a a 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/569>, abgerufen am 21.11.2024.