Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.ARTIC. V. SECTIO IX. nern, gleichwol trosts genug. Sie bleibet einmal auf den felsen gegründet, aufwelchem auch der höllen pforten sie nicht zu überwältigen vermögen, und da sie von den unartigen leuten, welche mit grosser zahl sich in ihr finden und sie mehr schän- den als zieren, wird durch das feuer der verfolgung mehr gereiniget seyn, so solle das wahre gold, welchem nichts abgehet, nur desto herrlicher gläntzen: sodann diejenige, welche ihr leben nicht lieben bis in den tod, eben so wol überwinden, ob sie auch überwunden zu seyn, vor der welt und feinden das ansehen gewinnen, davon aber der glaube gantz anders urtheilet. Daher lasset uns mit getrostem muth alles erwarten, wie viel der HErr unserer gesamten kirchen und einem jeglichen unter uns zur probe unserer gedult bestimmet haben wird, völlig auch mit unserm leiden denselben zu preisen, indessen uns aber treu und vorsichtig in unserm amt erfinden lassen, und unaufhörlich seuffzen zu demjenigen, von dem wir alle gnade zur bestän- digkeit und alle hülffe erwarten müssen. Lasset uns allezeit in den ohren erschallen, was der liebe Heyland sagt: solte GOtt nicht retten seine auserwehlte, die zu ihm tag und nacht ruffen, und solte gedult darüber haben; Jch sage euch, er wird sie erretten in einer kürtze. Er wird uns etwa erretten, eher als wir menschlicher wei- se die errettung hätten hoffen können. Wie die folgenden worte lauten: Meinestu aber auch, wenn des menschen Sohn kommen wird, nemlich jedesmal sei- ne auserwehlte zu retten aus der noth, darinnen sie ihn anzuruffen haben, daß er glauben finden werde auf erden, daß sich seine gläubige, die fast alles ver- lohren geben, aufs wenigste die hülffe noch sehr weit weg zu seyn gedencken wer- den, sich kaum fassen und einbilden können, daß ihre errettung so nahe seye. Wie mir neulich ein vortrefflicher Theologus solcher wort verstand, die man mit gros- sem schein sonsten offt aller hoffnung der künftigen besserung vor dem ende der welt entgegen zu setzen pfleget, gewiesen hat. Wie nemlich, da von anfang des capitels von der nothwendigkeit und krafft des gebets gehandelt worden, auch in dem fol- genden die art des gebels, was die demuth betrifft, beschrieben wird, diese unten an stehende wort von keiner andern oder fremden materie, wie es mit den letzten zei- ten bewandt seyn werde, sondern allein von dem gebet verstanden werden können. Wie mich nun solche erklärung bald überzeuget, als die der folge des textes gantz gemäß ist, also freuet und tröstet sie mich auch darinn, daß wir uns auf die verheis- sung der hülffe bey stäts anhaltender anruffung GOttes getrost verlassen mögen, wann auch schon alles in solcher disposition stehet, daß auch die gläubige, wo sie nicht mit geschlossenen augen lediglich an die verheissung sich halten, kaum glauben können, daß so bald die hülffe kommen möge. Daher mich derjenigen einwurff nichts beweget, welche dem aus GOttes wort unfehlbar erwartenden grossen und endlichen fall Babels nichts kräfftigers entgegen zu halten wissen, als weil sie nem- lich das reich viel zu feste gesetzt, als daß man nur mit einigem schein dessen unter- gang a a a a 2
ARTIC. V. SECTIO IX. nern, gleichwol troſts genug. Sie bleibet einmal auf den felſen gegruͤndet, aufwelchem auch der hoͤllen pforten ſie nicht zu uͤberwaͤltigen vermoͤgen, und da ſie von den unartigen leuten, welche mit groſſer zahl ſich in ihr finden und ſie mehr ſchaͤn- den als zieren, wird durch das feuer der verfolgung mehr gereiniget ſeyn, ſo ſolle das wahre gold, welchem nichts abgehet, nur deſto herrlicher glaͤntzen: ſodann diejenige, welche ihr leben nicht lieben bis in den tod, eben ſo wol uͤberwinden, ob ſie auch uͤberwunden zu ſeyn, vor der welt und feinden das anſehen gewinnen, davon aber der glaube gantz anders urtheilet. Daher laſſet uns mit getroſtem muth alles erwarten, wie viel der HErr unſerer geſamten kirchen und einem jeglichen unter uns zur probe unſerer gedult beſtim̃et haben wird, voͤllig auch mit unſerm leiden denſelben zu preiſen, indeſſen uns aber treu und vorſichtig in unſerm amt erfinden laſſen, und unaufhoͤrlich ſeuffzen zu demjenigen, von dem wir alle gnade zur beſtaͤn- digkeit und alle huͤlffe erwarten muͤſſen. Laſſet uns allezeit in den ohren erſchallen, was der liebe Heyland ſagt: ſolte GOtt nicht retten ſeine auserwehlte, die zu ihm tag und nacht ruffen, und ſolte gedult daruͤber haben; Jch ſage euch, er wird ſie erretten in einer kuͤrtze. Er wird uns etwa erretten, eher als wir menſchlicher wei- ſe die errettung haͤtten hoffen koͤnnen. Wie die folgenden worte lauten: Meineſtu aber auch, wenn des menſchen Sohn kommen wird, nemlich jedesmal ſei- ne auserwehlte zu retten aus der noth, darinnen ſie ihn anzuruffen haben, daß er glauben finden werde auf erden, daß ſich ſeine glaͤubige, die faſt alles ver- lohren geben, aufs wenigſte die huͤlffe noch ſehr weit weg zu ſeyn gedencken wer- den, ſich kaum faſſen und einbilden koͤnnen, daß ihre errettung ſo nahe ſeye. Wie mir neulich ein vortrefflicher Theologus ſolcher wort verſtand, die man mit groſ- ſem ſchein ſonſten offt aller hoffnung der kuͤnftigen beſſerung vor dem ende der welt entgegen zu ſetzen pfleget, gewieſen hat. Wie nemlich, da von anfang des capitels von der nothwendigkeit und krafft des gebets gehandelt worden, auch in dem fol- genden die art des gebels, was die demuth betrifft, beſchrieben wird, dieſe unten an ſtehende wort von keiner andern oder fremden materie, wie es mit den letzten zei- ten bewandt ſeyn werde, ſondern allein von dem gebet verſtanden werden koͤnnen. Wie mich nun ſolche erklaͤrung bald uͤberzeuget, als die der folge des textes gantz gemaͤß iſt, alſo freuet und troͤſtet ſie mich auch darinn, daß wir uns auf die verheiſ- ſung der huͤlffe bey ſtaͤts anhaltender anruffung GOttes getroſt verlaſſen moͤgen, wann auch ſchon alles in ſolcher diſpoſition ſtehet, daß auch die glaͤubige, wo ſie nicht mit geſchloſſenen augen lediglich an die verheiſſung ſich halten, kaum glauben koͤnnen, daß ſo bald die huͤlffe kommen moͤge. Daher mich derjenigen einwurff nichts beweget, welche dem aus GOttes wort unfehlbar erwartenden groſſen und endlichen fall Babels nichts kraͤfftigers entgegen zu halten wiſſen, als weil ſie nem- lich das reich viel zu feſte geſetzt, als daß man nur mit einigem ſchein deſſen unter- gang a a a a 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0567" n="555"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARTIC</hi>. V. <hi rendition="#g">SECTIO</hi> IX.</hi></hi></fw><lb/> nern, gleichwol troſts genug. Sie bleibet einmal auf den felſen gegruͤndet, auf<lb/> welchem auch der hoͤllen pforten ſie nicht zu uͤberwaͤltigen vermoͤgen, und da ſie von<lb/> den unartigen leuten, welche mit groſſer zahl ſich in ihr finden und ſie mehr ſchaͤn-<lb/> den als zieren, wird durch das feuer der verfolgung mehr gereiniget ſeyn, ſo<lb/> ſolle das wahre gold, welchem nichts abgehet, nur deſto herrlicher glaͤntzen: ſodann<lb/> diejenige, welche ihr leben nicht lieben bis in den tod, eben ſo wol uͤberwinden, ob<lb/> ſie auch uͤberwunden zu ſeyn, vor der welt und feinden das anſehen gewinnen, davon<lb/> aber der glaube gantz anders urtheilet. Daher laſſet uns mit getroſtem muth alles<lb/> erwarten, wie viel der HErr unſerer geſamten kirchen und einem jeglichen unter<lb/> uns zur probe unſerer gedult beſtim̃et haben wird, voͤllig auch mit unſerm leiden<lb/> denſelben zu preiſen, indeſſen uns aber treu und vorſichtig in unſerm amt erfinden<lb/> laſſen, und unaufhoͤrlich ſeuffzen zu demjenigen, von dem wir alle gnade zur beſtaͤn-<lb/> digkeit und alle huͤlffe erwarten muͤſſen. Laſſet uns allezeit in den ohren erſchallen,<lb/> was der liebe Heyland ſagt: ſolte GOtt nicht retten ſeine auserwehlte, die zu ihm<lb/> tag und nacht ruffen, und ſolte gedult daruͤber haben; Jch ſage euch, er wird ſie<lb/> erretten in einer kuͤrtze. Er wird uns etwa erretten, eher als wir menſchlicher wei-<lb/> ſe die errettung haͤtten hoffen koͤnnen. Wie die folgenden worte lauten: <hi rendition="#fr">Meineſtu<lb/> aber auch, wenn des menſchen Sohn kommen wird,</hi> nemlich jedesmal ſei-<lb/> ne auserwehlte zu retten aus der noth, darinnen ſie ihn anzuruffen haben, <hi rendition="#fr">daß er<lb/> glauben finden werde auf erden,</hi> daß ſich ſeine glaͤubige, die faſt alles ver-<lb/> lohren geben, aufs wenigſte die huͤlffe noch ſehr weit weg zu ſeyn gedencken wer-<lb/> den, ſich kaum faſſen und einbilden koͤnnen, daß ihre errettung ſo nahe ſeye. Wie<lb/> mir neulich ein vortrefflicher <hi rendition="#aq">Theologus</hi> ſolcher wort verſtand, die man mit groſ-<lb/> ſem ſchein ſonſten offt aller hoffnung der kuͤnftigen beſſerung vor dem ende der welt<lb/> entgegen zu ſetzen pfleget, gewieſen hat. Wie nemlich, da von anfang des capitels<lb/> von der nothwendigkeit und krafft des gebets gehandelt worden, auch in dem fol-<lb/> genden die art des gebels, was die demuth betrifft, beſchrieben wird, dieſe unten an<lb/> ſtehende wort von keiner andern oder fremden <hi rendition="#aq">materie,</hi> wie es mit den letzten zei-<lb/> ten bewandt ſeyn werde, ſondern allein von dem gebet verſtanden werden koͤnnen.<lb/> Wie mich nun ſolche erklaͤrung bald uͤberzeuget, als die der folge des textes gantz<lb/> gemaͤß iſt, alſo freuet und troͤſtet ſie mich auch darinn, daß wir uns auf die verheiſ-<lb/> ſung der huͤlffe bey ſtaͤts anhaltender anruffung GOttes getroſt verlaſſen moͤgen,<lb/> wann auch ſchon alles in ſolcher <hi rendition="#aq">diſpoſition</hi> ſtehet, daß auch die glaͤubige, wo ſie<lb/> nicht mit geſchloſſenen augen lediglich an die verheiſſung ſich halten, kaum glauben<lb/> koͤnnen, daß ſo bald die huͤlffe kommen moͤge. Daher mich derjenigen einwurff<lb/> nichts beweget, welche dem aus GOttes wort unfehlbar erwartenden groſſen und<lb/> endlichen fall Babels nichts kraͤfftigers entgegen zu halten wiſſen, als weil ſie nem-<lb/> lich das reich viel zu feſte geſetzt, als daß man nur mit einigem ſchein deſſen unter-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">a a a a 2</fw><fw place="bottom" type="catch">gang</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [555/0567]
ARTIC. V. SECTIO IX.
nern, gleichwol troſts genug. Sie bleibet einmal auf den felſen gegruͤndet, auf
welchem auch der hoͤllen pforten ſie nicht zu uͤberwaͤltigen vermoͤgen, und da ſie von
den unartigen leuten, welche mit groſſer zahl ſich in ihr finden und ſie mehr ſchaͤn-
den als zieren, wird durch das feuer der verfolgung mehr gereiniget ſeyn, ſo
ſolle das wahre gold, welchem nichts abgehet, nur deſto herrlicher glaͤntzen: ſodann
diejenige, welche ihr leben nicht lieben bis in den tod, eben ſo wol uͤberwinden, ob
ſie auch uͤberwunden zu ſeyn, vor der welt und feinden das anſehen gewinnen, davon
aber der glaube gantz anders urtheilet. Daher laſſet uns mit getroſtem muth alles
erwarten, wie viel der HErr unſerer geſamten kirchen und einem jeglichen unter
uns zur probe unſerer gedult beſtim̃et haben wird, voͤllig auch mit unſerm leiden
denſelben zu preiſen, indeſſen uns aber treu und vorſichtig in unſerm amt erfinden
laſſen, und unaufhoͤrlich ſeuffzen zu demjenigen, von dem wir alle gnade zur beſtaͤn-
digkeit und alle huͤlffe erwarten muͤſſen. Laſſet uns allezeit in den ohren erſchallen,
was der liebe Heyland ſagt: ſolte GOtt nicht retten ſeine auserwehlte, die zu ihm
tag und nacht ruffen, und ſolte gedult daruͤber haben; Jch ſage euch, er wird ſie
erretten in einer kuͤrtze. Er wird uns etwa erretten, eher als wir menſchlicher wei-
ſe die errettung haͤtten hoffen koͤnnen. Wie die folgenden worte lauten: Meineſtu
aber auch, wenn des menſchen Sohn kommen wird, nemlich jedesmal ſei-
ne auserwehlte zu retten aus der noth, darinnen ſie ihn anzuruffen haben, daß er
glauben finden werde auf erden, daß ſich ſeine glaͤubige, die faſt alles ver-
lohren geben, aufs wenigſte die huͤlffe noch ſehr weit weg zu ſeyn gedencken wer-
den, ſich kaum faſſen und einbilden koͤnnen, daß ihre errettung ſo nahe ſeye. Wie
mir neulich ein vortrefflicher Theologus ſolcher wort verſtand, die man mit groſ-
ſem ſchein ſonſten offt aller hoffnung der kuͤnftigen beſſerung vor dem ende der welt
entgegen zu ſetzen pfleget, gewieſen hat. Wie nemlich, da von anfang des capitels
von der nothwendigkeit und krafft des gebets gehandelt worden, auch in dem fol-
genden die art des gebels, was die demuth betrifft, beſchrieben wird, dieſe unten an
ſtehende wort von keiner andern oder fremden materie, wie es mit den letzten zei-
ten bewandt ſeyn werde, ſondern allein von dem gebet verſtanden werden koͤnnen.
Wie mich nun ſolche erklaͤrung bald uͤberzeuget, als die der folge des textes gantz
gemaͤß iſt, alſo freuet und troͤſtet ſie mich auch darinn, daß wir uns auf die verheiſ-
ſung der huͤlffe bey ſtaͤts anhaltender anruffung GOttes getroſt verlaſſen moͤgen,
wann auch ſchon alles in ſolcher diſpoſition ſtehet, daß auch die glaͤubige, wo ſie
nicht mit geſchloſſenen augen lediglich an die verheiſſung ſich halten, kaum glauben
koͤnnen, daß ſo bald die huͤlffe kommen moͤge. Daher mich derjenigen einwurff
nichts beweget, welche dem aus GOttes wort unfehlbar erwartenden groſſen und
endlichen fall Babels nichts kraͤfftigers entgegen zu halten wiſſen, als weil ſie nem-
lich das reich viel zu feſte geſetzt, als daß man nur mit einigem ſchein deſſen unter-
gang
a a a a 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |