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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
ge, wie vormal erwehnt, daß die wahrheit der schrifft durch solche hypothe-
sin
der steten spötterey ihrer feinde, welche als denn grossen schein hat, und gu-
te hertzen verführen möchte, prostituiret wird. Dabey bleibets zwar, daß
wir den feinden zu gefallen nichts sollen setzen oder leugnen wider die schrifft.
Aber um ihren willen sollen wir gleichwol auch behutsam seyn, nichts zu sta-
tuir
en, dessen wir nicht gewissen grund in der schrifft haben, sondern nur un-
sere eigene gedancken sind, dadurch jenen anlaß gegeben wird. Und darum
haben wir auch die gemeine hypotheses fleißig zu untersuchen, wie und wie
fern sie in der schrifft gegründet seyn.
13. Die schrifft weiset uns auf nichts ungewisses, und also erkenne gern,
es seye gewiß, daß der jüngste tag noch nicht vorhanden seye. Ob wol die-
ses nicht gewiß, wie weit noch dahin. Dann solches ist nicht offenbaret.
14. Daß niemand die jenige meinung, daß die schrifft erfüllet/ und der
tag des HErrn nahe seye, verwerffe oder ihr widerspreche, wird vergebens
angezogen. Dann freylich wird ihr widersprochen. Und zwar weiß ich
solche, die sie temeritatis, socordiae, seductionis, impietatis, mit nicht
schwachen gründen beschuldigen. Jch will aber lieber mit andern Christlichen
Theologis modestius von derselben reden, und weil ich weiß, daß sie von
unterschiedlichen gottseligen lehrern, die sich um die kirche wohl verdienen, ge-
trieben wird, so halte ich ihnen solchen irrthum zu gut, aber vermahne alle,
die sache fleißiger zu untersuchen, ob sie zu gleicher erkäntnüß kommen möch-
ten. Daß man aber gelinder gegen solchen irrthum redet, ist nicht die ur-
sach, ob wäre man dieser seits der sache nicht gewiß, sondern weil es kein er-
ror fundamentalis
ist, noch insgemein jeglichem einen schaden an der selig-
keit thut. Jn solchen irrthumen aber sollen wir allezeit mit der brüder schwach-
heit gedult tragen, und ihre meinung nicht exagitiren, ob wir wol unserseits
gantz wol ein besseres wissen: So viel mehr, weil wann erfüllet werden wird,
was wir noch warten, sie jenes selbs werden refutiret sehen. So ists in der
kirchen GOttes nicht nützlich, daß so lange man in articulis fundamentali-
bus
einig, Theologi einander über die übrige dinge mit hefftigkeit exagiti-
ren, und solche controversias anders als modeste und mit sanfftmuth füh-
ren. Und zwar komt solches zu auch den jenigen, die die wahre sentenz ha-
ben, und vertheidigen.
15. Daher ich nicht sehen kan wie des Hn. schwagers hefftigkeit gebilliget
werden kan: Wann er unsere meinung ein grande sacrilegium, occultum
homicidium animarum, realem abnegationem certitudinis scripturae,
blasphemationem nominis divini,
nennet. Jch könte dagegen auch wol
härterer worte mich gebrauchen. Aber ich schreibe es dessen zelo sed non se-
cundum scientiam
zu: und bitte GOTT, er wolle nach seiner grossen gna-
de
Das ſiebende Capitel.
ge, wie vormal erwehnt, daß die wahrheit der ſchrifft durch ſolche hypothe-
ſin
der ſteten ſpoͤtterey ihrer feinde, welche als denn groſſen ſchein hat, und gu-
te hertzen verfuͤhren moͤchte, proſtituiret wird. Dabey bleibets zwar, daß
wir den feinden zu gefallen nichts ſollen ſetzen oder leugnen wider die ſchrifft.
Aber um ihren willen ſollen wir gleichwol auch behutſam ſeyn, nichts zu ſta-
tuir
en, deſſen wir nicht gewiſſen grund in der ſchrifft haben, ſondern nur un-
ſere eigene gedancken ſind, dadurch jenen anlaß gegeben wird. Und darum
haben wir auch die gemeine hypotheſes fleißig zu unterſuchen, wie und wie
fern ſie in der ſchrifft gegruͤndet ſeyn.
13. Die ſchrifft weiſet uns auf nichts ungewiſſes, und alſo erkenne gern,
es ſeye gewiß, daß der juͤngſte tag noch nicht vorhanden ſeye. Ob wol die-
ſes nicht gewiß, wie weit noch dahin. Dann ſolches iſt nicht offenbaret.
14. Daß niemand die jenige meinung, daß die ſchrifft erfuͤllet/ und der
tag des HErrn nahe ſeye, verwerffe oder ihr widerſpreche, wird vergebens
angezogen. Dann freylich wird ihr widerſprochen. Und zwar weiß ich
ſolche, die ſie temeritatis, ſocordiæ, ſeductionis, impietatis, mit nicht
ſchwachen gruͤnden beſchuldigen. Jch will aber lieber mit andern Chriſtlichen
Theologis modeſtius von derſelben reden, und weil ich weiß, daß ſie von
unterſchiedlichen gottſeligen lehrern, die ſich um die kirche wohl verdienen, ge-
trieben wird, ſo halte ich ihnen ſolchen irrthum zu gut, aber vermahne alle,
die ſache fleißiger zu unterſuchen, ob ſie zu gleicher erkaͤntnuͤß kommen moͤch-
ten. Daß man aber gelinder gegen ſolchen irrthum redet, iſt nicht die ur-
ſach, ob waͤre man dieſer ſeits der ſache nicht gewiß, ſondern weil es kein er-
ror fundamentalis
iſt, noch insgemein jeglichem einen ſchaden an der ſelig-
keit thut. Jn ſolchen irrthumẽ aber ſollen wir allezeit mit der bruͤder ſchwach-
heit gedult tragen, und ihre meinung nicht exagitiren, ob wir wol unſerſeits
gantz wol ein beſſeres wiſſen: So viel mehr, weil wann erfuͤllet werden wird,
was wir noch warten, ſie jenes ſelbs werden refutiret ſehen. So iſts in der
kirchen GOttes nicht nuͤtzlich, daß ſo lange man in articulis fundamentali-
bus
einig, Theologi einander uͤber die uͤbrige dinge mit hefftigkeit exagiti-
ren, und ſolche controverſias anders als modeſte und mit ſanfftmuth fuͤh-
ren. Und zwar komt ſolches zu auch den jenigen, die die wahre ſentenz ha-
ben, und vertheidigen.
15. Daher ich nicht ſehen kan wie des Hn. ſchwagers hefftigkeit gebilliget
werden kan: Wann er unſere meinung ein grande ſacrilegium, occultum
homicidium animarum, realem abnegationem certitudinis ſcripturæ,
blasphemationem nominis divini,
nennet. Jch koͤnte dagegen auch wol
haͤrterer worte mich gebrauchen. Aber ich ſchreibe es deſſen zelo ſed non ſe-
cundum ſcientiam
zu: und bitte GOTT, er wolle nach ſeiner groſſen gna-
de
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[42/0054] Das ſiebende Capitel. ge, wie vormal erwehnt, daß die wahrheit der ſchrifft durch ſolche hypothe- ſin der ſteten ſpoͤtterey ihrer feinde, welche als denn groſſen ſchein hat, und gu- te hertzen verfuͤhren moͤchte, proſtituiret wird. Dabey bleibets zwar, daß wir den feinden zu gefallen nichts ſollen ſetzen oder leugnen wider die ſchrifft. Aber um ihren willen ſollen wir gleichwol auch behutſam ſeyn, nichts zu ſta- tuiren, deſſen wir nicht gewiſſen grund in der ſchrifft haben, ſondern nur un- ſere eigene gedancken ſind, dadurch jenen anlaß gegeben wird. Und darum haben wir auch die gemeine hypotheſes fleißig zu unterſuchen, wie und wie fern ſie in der ſchrifft gegruͤndet ſeyn. 13. Die ſchrifft weiſet uns auf nichts ungewiſſes, und alſo erkenne gern, es ſeye gewiß, daß der juͤngſte tag noch nicht vorhanden ſeye. Ob wol die- ſes nicht gewiß, wie weit noch dahin. Dann ſolches iſt nicht offenbaret. 14. Daß niemand die jenige meinung, daß die ſchrifft erfuͤllet/ und der tag des HErrn nahe ſeye, verwerffe oder ihr widerſpreche, wird vergebens angezogen. Dann freylich wird ihr widerſprochen. Und zwar weiß ich ſolche, die ſie temeritatis, ſocordiæ, ſeductionis, impietatis, mit nicht ſchwachen gruͤnden beſchuldigen. Jch will aber lieber mit andern Chriſtlichen Theologis modeſtius von derſelben reden, und weil ich weiß, daß ſie von unterſchiedlichen gottſeligen lehrern, die ſich um die kirche wohl verdienen, ge- trieben wird, ſo halte ich ihnen ſolchen irrthum zu gut, aber vermahne alle, die ſache fleißiger zu unterſuchen, ob ſie zu gleicher erkaͤntnuͤß kommen moͤch- ten. Daß man aber gelinder gegen ſolchen irrthum redet, iſt nicht die ur- ſach, ob waͤre man dieſer ſeits der ſache nicht gewiß, ſondern weil es kein er- ror fundamentalis iſt, noch insgemein jeglichem einen ſchaden an der ſelig- keit thut. Jn ſolchen irrthumẽ aber ſollen wir allezeit mit der bruͤder ſchwach- heit gedult tragen, und ihre meinung nicht exagitiren, ob wir wol unſerſeits gantz wol ein beſſeres wiſſen: So viel mehr, weil wann erfuͤllet werden wird, was wir noch warten, ſie jenes ſelbs werden refutiret ſehen. So iſts in der kirchen GOttes nicht nuͤtzlich, daß ſo lange man in articulis fundamentali- bus einig, Theologi einander uͤber die uͤbrige dinge mit hefftigkeit exagiti- ren, und ſolche controverſias anders als modeſte und mit ſanfftmuth fuͤh- ren. Und zwar komt ſolches zu auch den jenigen, die die wahre ſentenz ha- ben, und vertheidigen. 15. Daher ich nicht ſehen kan wie des Hn. ſchwagers hefftigkeit gebilliget werden kan: Wann er unſere meinung ein grande ſacrilegium, occultum homicidium animarum, realem abnegationem certitudinis ſcripturæ, blasphemationem nominis divini, nennet. Jch koͤnte dagegen auch wol haͤrterer worte mich gebrauchen. Aber ich ſchreibe es deſſen zelo ſed non ſe- cundum ſcientiam zu: und bitte GOTT, er wolle nach ſeiner groſſen gna- de

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/54>, abgerufen am 24.11.2024.