Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.ARTIC. IV. SECTIO XXXVII. ist/ daß es auch in publicum hat können ausbrechen und bekant werden/ je-nes aber mag wol in den hertzen verborgen geblieben seyn/ und doch wo ich mich keines ministri ohne sünde gebrauchen könte/ es wäre denn dessen vocatio (scil. omnibus requisitis) recta, würde imgleichen solcher fehler mich hindern können/ und ich also fast stets in zweiffel meines gewissens stehen. 4. Daher sehe ich in diesem casu, posito auch/ wenn N. keinen solchen beruff hätte/ welcher in allen stücken nach der regel wäre/ noch nicht/ daß einer der sich eines solchen dienstes gebrauchte/ sich damit fremder fünden theilhaftig machte/ indem er solchen beruff approbire. Denn er approbiret damit nicht das vitium in vocatione, sondern die vocation, die ohneracht seines vitii rata ist/ denn das vitium allein auf der verantwortung derjenigen stehet/ die mit dar- zu concurriret haben/ nicht aber auf andern/ welche darbey nichts zu thun ge- habt haben. 5. Es möchte eingewendet werden/ es wäre aufs wenigste solche voca- tio nicht divina, die nicht nach göttlicher ordnung geschehen/ es gehör aber zu dem predig-amt ein göttlicher beruff. Hierauf aber wäre zu mercken: Es gehöre auch zu der obrigkeit ein göttlicher beruff/ denn sie ist GOttes dienerin/ und doch ist solcher beruff nicht allemal so/ daß alles nach göttlicher ordnung hergegangen wäre sondern es ist vielmehr ein göttlichs verhängnüß/ und gehet auf die weise her/ daß nichts göttliches darbey zu finden ist/ als die gewalt selbst. Also da wir von der vocatione externa (denn dieselbe wird hier attendiret/ da die interna allein das gewissen des vocati selbst angehet) reden/ so ists ad ratum ministerii gnug/ daß dieselbe von denenjenigen geschehe/ welche dessen von GOTT macht haben. Daher wirds eine vocatio (so ferne was das amt selbst gegen die anvertraute an- langet) divina, da es ein effectus ist potestatis a Deo concessae, ob wol non sine abusu exercitae. De distinctione inter ratum & rectum sehe D. Danh. Theolog. consc. SECTIO XXXIIX. Schwerigkeit göttlichen willen zu erkennen/ darzu gebet nöthig. Verderbnüß des geistlichen standes; mehr gutes in dem weltlichen. Versuchung die dienste zu verlassen. Sein u u u 2
ARTIC. IV. SECTIO XXXVII. iſt/ daß es auch in publicum hat koͤnnen ausbrechen und bekant werden/ je-nes aber mag wol in den hertzen verborgen geblieben ſeyn/ und doch wo ich mich keines miniſtri ohne ſuͤnde gebrauchen koͤnte/ es waͤre denn deſſen vocatio (ſcil. omnibus requiſitis) recta, wuͤrde imgleichen ſolcher fehler mich hindern koͤnnen/ und ich alſo faſt ſtets in zweiffel meines gewiſſens ſtehen. 4. Daher ſehe ich in dieſem caſu, poſito auch/ wenn N. keinen ſolchen beruff haͤtte/ welcher in allen ſtuͤcken nach der regel waͤre/ noch nicht/ daß einer der ſich eines ſolchen dienſtes gebrauchte/ ſich damit fremder fuͤnden theilhaftig machte/ indem er ſolchen beruff approbire. Denn er approbiret damit nicht das vitium in vocatione, ſondern die vocation, die ohneracht ſeines vitii rata iſt/ denn das vitium allein auf der verantwortung derjenigen ſtehet/ die mit dar- zu concurriret haben/ nicht aber auf andern/ welche darbey nichts zu thun ge- habt haben. 5. Es moͤchte eingewendet werden/ es waͤre aufs wenigſte ſolche voca- tio nicht divina, die nicht nach goͤttlicher ordnung geſchehen/ es gehoͤr aber zu dem predig-amt ein goͤttlicher beruff. Hierauf aber waͤre zu mercken: Es gehoͤre auch zu der obrigkeit ein goͤttlicher beruff/ denn ſie iſt GOttes dienerin/ und doch iſt ſolcher beruff nicht allemal ſo/ daß alles nach goͤttlicher ordnung hergegangen waͤre ſondern es iſt vielmehr ein goͤttlichs verhaͤngnuͤß/ und gehet auf die weiſe her/ daß nichts goͤttliches darbey zu finden iſt/ als die gewalt ſelbſt. Alſo da wir von der vocatione externa (denn dieſelbe wird hier attendiret/ da die interna allein das gewiſſen des vocati ſelbſt angehet) reden/ ſo iſts ad ratum miniſterii gnug/ daß dieſelbe von denenjenigen geſchehe/ welche deſſen von GOTT macht haben. Daher wirds eine vocatio (ſo ferne was das amt ſelbſt gegen die anvertraute an- langet) divina, da es ein effectus iſt poteſtatis a Deo conceſſæ, ob wol non ſine abuſu exercitæ. De diſtinctione inter ratum & rectum ſehe D. Danh. Theolog. conſc. SECTIO XXXIIX. Schwerigkeit goͤttlichen willen zu erkennen/ darzu gebet noͤthig. Verderbnuͤß des geiſtlichen ſtandes; mehr gutes in dem weltlichen. Verſuchung die dienſte zu verlaſſen. Sein u u u 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <list> <item><pb facs="#f0535" n="523"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">ARTIC. IV. SECTIO XXXVII.</hi></hi></fw><lb/> iſt/ daß es auch in <hi rendition="#aq">publicum</hi> hat koͤnnen ausbrechen und bekant werden/ je-<lb/> nes aber mag wol in den hertzen verborgen geblieben ſeyn/ und doch wo ich mich<lb/> keines <hi rendition="#aq">miniſtri</hi> ohne ſuͤnde gebrauchen koͤnte/ es waͤre denn deſſen <hi rendition="#aq">vocatio<lb/> (ſcil. omnibus requiſitis) recta,</hi> wuͤrde imgleichen ſolcher fehler mich hindern<lb/> koͤnnen/ und ich alſo faſt ſtets in zweiffel meines gewiſſens ſtehen.</item><lb/> <item>4. Daher ſehe ich in dieſem <hi rendition="#aq">caſu, poſito</hi> auch/ wenn <hi rendition="#aq">N.</hi> keinen ſolchen<lb/> beruff haͤtte/ welcher in allen ſtuͤcken nach der regel waͤre/ noch nicht/ daß einer<lb/> der ſich eines ſolchen dienſtes gebrauchte/ ſich damit fremder fuͤnden theilhaftig<lb/> machte/ indem er ſolchen beruff <hi rendition="#aq">approbir</hi>e. Denn er <hi rendition="#aq">approbir</hi>et damit nicht<lb/> das <hi rendition="#aq">vitium in vocatione,</hi> ſondern die <hi rendition="#aq">vocation,</hi> die ohneracht ſeines <hi rendition="#aq">vitii rata</hi><lb/> iſt/ denn das <hi rendition="#aq">vitium</hi> allein auf der verantwortung derjenigen ſtehet/ die mit dar-<lb/> zu <hi rendition="#aq">concurrir</hi>et haben/ nicht aber auf andern/ welche darbey nichts zu thun ge-<lb/> habt haben.</item><lb/> <item>5. Es moͤchte eingewendet werden/ es waͤre aufs wenigſte ſolche <hi rendition="#aq">voca-<lb/> tio</hi> nicht <hi rendition="#aq">divina,</hi> die nicht nach goͤttlicher ordnung geſchehen/ es gehoͤr aber zu<lb/> dem predig-amt ein goͤttlicher beruff. Hierauf aber waͤre zu mercken: Es gehoͤre auch<lb/> zu der obrigkeit ein goͤttlicher beruff/ denn ſie iſt GOttes dienerin/ und doch iſt<lb/> ſolcher beruff nicht allemal ſo/ daß alles nach goͤttlicher ordnung hergegangen waͤre<lb/> ſondern es iſt vielmehr ein goͤttlichs verhaͤngnuͤß/ und gehet auf die weiſe her/ daß<lb/> nichts goͤttliches darbey zu finden iſt/ als die gewalt ſelbſt. Alſo da wir von der<lb/><hi rendition="#aq">vocatione externa</hi> (denn dieſelbe wird hier <hi rendition="#aq">attendir</hi>et/ da die <hi rendition="#aq">interna</hi> allein das<lb/> gewiſſen des <hi rendition="#aq">vocati</hi> ſelbſt angehet) reden/ ſo iſts <hi rendition="#aq">ad ratum miniſterii</hi> gnug/ daß<lb/> dieſelbe von denenjenigen geſchehe/ welche deſſen von GOTT macht haben.<lb/> Daher wirds eine <hi rendition="#aq">vocatio</hi> (ſo ferne was das amt ſelbſt gegen die anvertraute an-<lb/> langet) <hi rendition="#aq">divina,</hi> da es ein <hi rendition="#aq">effectus</hi> iſt <hi rendition="#aq">poteſtatis a Deo conceſſæ,</hi> ob wol <hi rendition="#aq">non<lb/> ſine abuſu exercitæ.</hi></item> </list><lb/> <p><hi rendition="#aq">De diſtinctione inter ratum & rectum</hi> ſehe <hi rendition="#aq">D. Danh. Theolog. conſc.<lb/> p. 1. p. 855.</hi></p> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> XXXIIX.</hi><lb/> Schwerigkeit goͤttlichen willen zu erkennen/ darzu<lb/> gebet noͤthig. Verderbnuͤß des geiſtlichen ſtandes; mehr<lb/> gutes in dem weltlichen. Verſuchung die dienſte<lb/> zu verlaſſen.</hi> </head><lb/> <fw place="bottom" type="sig">u u u 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">Sein</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [523/0535]
ARTIC. IV. SECTIO XXXVII.
iſt/ daß es auch in publicum hat koͤnnen ausbrechen und bekant werden/ je-
nes aber mag wol in den hertzen verborgen geblieben ſeyn/ und doch wo ich mich
keines miniſtri ohne ſuͤnde gebrauchen koͤnte/ es waͤre denn deſſen vocatio
(ſcil. omnibus requiſitis) recta, wuͤrde imgleichen ſolcher fehler mich hindern
koͤnnen/ und ich alſo faſt ſtets in zweiffel meines gewiſſens ſtehen.
4. Daher ſehe ich in dieſem caſu, poſito auch/ wenn N. keinen ſolchen
beruff haͤtte/ welcher in allen ſtuͤcken nach der regel waͤre/ noch nicht/ daß einer
der ſich eines ſolchen dienſtes gebrauchte/ ſich damit fremder fuͤnden theilhaftig
machte/ indem er ſolchen beruff approbire. Denn er approbiret damit nicht
das vitium in vocatione, ſondern die vocation, die ohneracht ſeines vitii rata
iſt/ denn das vitium allein auf der verantwortung derjenigen ſtehet/ die mit dar-
zu concurriret haben/ nicht aber auf andern/ welche darbey nichts zu thun ge-
habt haben.
5. Es moͤchte eingewendet werden/ es waͤre aufs wenigſte ſolche voca-
tio nicht divina, die nicht nach goͤttlicher ordnung geſchehen/ es gehoͤr aber zu
dem predig-amt ein goͤttlicher beruff. Hierauf aber waͤre zu mercken: Es gehoͤre auch
zu der obrigkeit ein goͤttlicher beruff/ denn ſie iſt GOttes dienerin/ und doch iſt
ſolcher beruff nicht allemal ſo/ daß alles nach goͤttlicher ordnung hergegangen waͤre
ſondern es iſt vielmehr ein goͤttlichs verhaͤngnuͤß/ und gehet auf die weiſe her/ daß
nichts goͤttliches darbey zu finden iſt/ als die gewalt ſelbſt. Alſo da wir von der
vocatione externa (denn dieſelbe wird hier attendiret/ da die interna allein das
gewiſſen des vocati ſelbſt angehet) reden/ ſo iſts ad ratum miniſterii gnug/ daß
dieſelbe von denenjenigen geſchehe/ welche deſſen von GOTT macht haben.
Daher wirds eine vocatio (ſo ferne was das amt ſelbſt gegen die anvertraute an-
langet) divina, da es ein effectus iſt poteſtatis a Deo conceſſæ, ob wol non
ſine abuſu exercitæ.
De diſtinctione inter ratum & rectum ſehe D. Danh. Theolog. conſc.
p. 1. p. 855.
SECTIO XXXIIX.
Schwerigkeit goͤttlichen willen zu erkennen/ darzu
gebet noͤthig. Verderbnuͤß des geiſtlichen ſtandes; mehr
gutes in dem weltlichen. Verſuchung die dienſte
zu verlaſſen.
Sein
u u u 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/535 |
Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/535>, abgerufen am 23.02.2025. |