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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. IV. SECTIO XXXVII.
hen/ (damit sonsten sichern leuten manche ihre fünden zu entschuldigen/ und vor
schwachheits-fünden auszugeben anlaß gegeben würde) sondern es sind auch muth-
willige fünden/ wo man sich wol hätte hüten können/ und doch nicht gehütet/ sondern
sicher in sünden sich hat führen lassen/ und davon nicht so bald wiederum zurück ge-
het: aufs wenigste folgen gemeiniglich alsdann recht offenbarlich muthwillige sün-
den. m.f.w.
SECTIO XXXVII.
Ob man sich der communion enthalten könne bey
einem prediger/ den man nicht vor rechtmäßig
beruffen hält?
1.HAbe billig zu zweiflen/ ob N. nicht solle rechtmäßig beruffen seyn/ indem
die praesumtion vor ihn stehet/ als der von der obrigkeit darvor er-
kant wird/ und ohne zweifel auch die gemeinde denselben davor an-
siehet.
2. Aufs wenigste wird der quaerens wol zu prüfen haben/ ob ihm alle umstän-
de gnugsam bekant/ ob er sein hertz treu verspüre/ daß er gantz ohne affecten/ und
auch mit gnugsamer erkantnüß der sachen urtheile.
3. Kan ein vitium in vocatione auf unterschiedliche art seyn/ daß diesel-
be entweder non recta oder non rata sey. Es heißt non rata diejenige/ wo-
durch der mensch warhafftig nicht zum pfarrer wird/ und deswegen ist sie gantz oh-
ne effect. Als wo einer von denjenigen beruffen oder obtrudiret wird/ die dessen
nicht macht haben/ die gemeinde ihn deßwegen auch nicht annimmt. Non recta ist
die jenige/ dadurch zwar warhafftig einer der gemeinde gegeben wird/ daß es aber auf
eine solche weise geschehen/ als nicht hätte geschehen sollen; als wo die vocantes aus
affecten oder andern fleischlichen ursachen verfehlen/ wo die vocandi nicht tüchtig
sind/ von ihrer seiten den beruff erpracticiren/ oder sonsten in solchem werck sich
nicht nach GOTTES regel halten. Was die erste anlangt vocationis non ratae,
hätte man sich solcher nicht theilhafftig zu machen/ noch derjenige/ welcher weiß/ daß
der andere warhafftig keinen beruff hat/ sich des andern dienstes zu gebrauchen/ aus-
ser den äussersten nothfall/ da er alsdenn nicht sowol auf seinen absonderlichen
amts-als auf den allgemeinen christen-beruff sehen würde. Jch achte aber nicht/
daß quaerens wird davor halten/ daß dieses vitium in vocatione N. seye. Wie
ich
IV. Theil. u u u
ARTIC. IV. SECTIO XXXVII.
hen/ (damit ſonſten ſichern leuten manche ihre fuͤnden zu entſchuldigen/ und vor
ſchwachheits-fuͤnden auszugeben anlaß gegeben wuͤrde) ſondern es ſind auch muth-
willige fuͤnden/ wo man ſich wol haͤtte huͤten koͤnnen/ und doch nicht gehuͤtet/ ſondern
ſicher in ſuͤnden ſich hat fuͤhren laſſen/ und davon nicht ſo bald wiederum zuruͤck ge-
het: aufs wenigſte folgen gemeiniglich alsdann recht offenbarlich muthwillige ſuͤn-
den. m.f.w.
SECTIO XXXVII.
Ob man ſich der communion enthalten koͤnne bey
einem prediger/ den man nicht vor rechtmaͤßig
beruffen haͤlt?
1.HAbe billig zu zweiflen/ ob N. nicht ſolle rechtmaͤßig beruffen ſeyn/ indem
die præſumtion vor ihn ſtehet/ als der von der obrigkeit darvor er-
kant wird/ und ohne zweifel auch die gemeinde denſelben davor an-
ſiehet.
2. Aufs wenigſte wird der quærens wol zu pruͤfen haben/ ob ihm alle umſtaͤn-
de gnugſam bekant/ ob er ſein hertz treu verſpuͤre/ daß er gantz ohne affecten/ und
auch mit gnugſamer erkantnuͤß der ſachen urtheile.
3. Kan ein vitium in vocatione auf unterſchiedliche art ſeyn/ daß dieſel-
be entweder non recta oder non rata ſey. Es heißt non rata diejenige/ wo-
durch der menſch warhafftig nicht zum pfarrer wird/ und deswegen iſt ſie gantz oh-
ne effect. Als wo einer von denjenigen beruffen oder obtrudiret wird/ die deſſen
nicht macht haben/ die gemeinde ihn deßwegen auch nicht annimmt. Non recta iſt
die jenige/ dadurch zwar warhafftig einer der gemeinde gegeben wiꝛd/ daß es aber auf
eine ſolche weiſe geſchehen/ als nicht haͤtte geſchehen ſollen; als wo die vocantes aus
affecten oder andern fleiſchlichen urſachen verfehlen/ wo die vocandi nicht tuͤchtig
ſind/ von ihrer ſeiten den beruff erpracticiren/ oder ſonſten in ſolchem werck ſich
nicht nach GOTTES regel halten. Was die erſte anlangt vocationis non ratæ,
haͤtte man ſich ſolcher nicht theilhafftig zu machen/ noch derjenige/ welcher weiß/ daß
der andere warhafftig keinen beruff hat/ ſich des andern dienſtes zu gebrauchen/ auſ-
ſer den aͤuſſerſten nothfall/ da er alsdenn nicht ſowol auf ſeinen abſonderlichen
amts-als auf den allgemeinen chriſten-beruff ſehen wuͤrde. Jch achte aber nicht/
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ich
IV. Theil. u u u
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[521/0533] ARTIC. IV. SECTIO XXXVII. hen/ (damit ſonſten ſichern leuten manche ihre fuͤnden zu entſchuldigen/ und vor ſchwachheits-fuͤnden auszugeben anlaß gegeben wuͤrde) ſondern es ſind auch muth- willige fuͤnden/ wo man ſich wol haͤtte huͤten koͤnnen/ und doch nicht gehuͤtet/ ſondern ſicher in ſuͤnden ſich hat fuͤhren laſſen/ und davon nicht ſo bald wiederum zuruͤck ge- het: aufs wenigſte folgen gemeiniglich alsdann recht offenbarlich muthwillige ſuͤn- den. m.f.w. SECTIO XXXVII. Ob man ſich der communion enthalten koͤnne bey einem prediger/ den man nicht vor rechtmaͤßig beruffen haͤlt? 1.HAbe billig zu zweiflen/ ob N. nicht ſolle rechtmaͤßig beruffen ſeyn/ indem die præſumtion vor ihn ſtehet/ als der von der obrigkeit darvor er- kant wird/ und ohne zweifel auch die gemeinde denſelben davor an- ſiehet. 2. Aufs wenigſte wird der quærens wol zu pruͤfen haben/ ob ihm alle umſtaͤn- de gnugſam bekant/ ob er ſein hertz treu verſpuͤre/ daß er gantz ohne affecten/ und auch mit gnugſamer erkantnuͤß der ſachen urtheile. 3. Kan ein vitium in vocatione auf unterſchiedliche art ſeyn/ daß dieſel- be entweder non recta oder non rata ſey. Es heißt non rata diejenige/ wo- durch der menſch warhafftig nicht zum pfarrer wird/ und deswegen iſt ſie gantz oh- ne effect. Als wo einer von denjenigen beruffen oder obtrudiret wird/ die deſſen nicht macht haben/ die gemeinde ihn deßwegen auch nicht annimmt. Non recta iſt die jenige/ dadurch zwar warhafftig einer der gemeinde gegeben wiꝛd/ daß es aber auf eine ſolche weiſe geſchehen/ als nicht haͤtte geſchehen ſollen; als wo die vocantes aus affecten oder andern fleiſchlichen urſachen verfehlen/ wo die vocandi nicht tuͤchtig ſind/ von ihrer ſeiten den beruff erpracticiren/ oder ſonſten in ſolchem werck ſich nicht nach GOTTES regel halten. Was die erſte anlangt vocationis non ratæ, haͤtte man ſich ſolcher nicht theilhafftig zu machen/ noch derjenige/ welcher weiß/ daß der andere warhafftig keinen beruff hat/ ſich des andern dienſtes zu gebrauchen/ auſ- ſer den aͤuſſerſten nothfall/ da er alsdenn nicht ſowol auf ſeinen abſonderlichen amts-als auf den allgemeinen chriſten-beruff ſehen wuͤrde. Jch achte aber nicht/ daß quærens wird davor halten/ daß dieſes vitium in vocatione N. ſeye. Wie ich IV. Theil. u u u

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/533>, abgerufen am 22.11.2024.