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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. IV. SECTIO XXX.
selbst nicht einen eintzigen habe/ mit deme in einer correspondenz stünde/ oder alle
diejenige nachricht hätte/ welche nothwendig ist/ daraus abzunehmen/ was man
von jeden hoffen könte. Allein eine und andere junge leute/ die mich auf ihrer rei-
se hier gesprochen/ habe ich kennen lernen/ die aber noch nicht in autorität stehen/
so dann in den auswärtigen des reichs provinzen kenne etliche tapffere leute/ die
vor das reich GOttes hertzlich intentionirt, und mit guten gaben ausgerüstet sind.
Zu denen in dem reich selbsten/ dem bischoff/ professoribus und andern vornehmen
theologis will ich gleichwol aus der liebe das vertranen tragen/ ob mir wol GOtt
die freude nicht gegeben/ sie und jeglichen derselben nach demjenigen/ was sie von
ihm empfangen haben/ zu kennen/ daß sie dennoch leute seyn werden/ die so wol den
willen als das vermögen haben/ die sache GOttes mit nachdruck zu treiben/ und
vor die kirche/ so bey ihnen als aller andern orten (so viel das gemeine band unter
uns mit sich bringet) nachdrücklich zu sorgen. Welche gaben wir ihnen auch
stets vermehret zu werden mit andacht billig von dem HErrn erbitten zu helffen be-
fliessen seyn sollen. Jch komme aber gleich auf die absonderliche gethane anfrag:
1. Ob bey diesem elend die reformirte kirche aus Franckreich so gar zu ver-
lassen, und ob man nicht glauben möchte, daß wann ihnen die evangelische
wahrheit deutlich vorgestellet würde, selbige zur zeit so schwerer anfech-
tung noch tieffer verfangen möchte?
darzu ich noch setze/ (so zimlich in die vori-
ge sich einflichtet/ ob nicht zu glauben sey, daß man mit der engellischen kir-
chen könne in grössere
conjunction kommen? als welche in vielen stücken bis-
her näher an Lutheri als Calvini seite sich erkläret/ und bey besorgender gefahr der
päpstischen reformation gern würde mit andern sich verbinden. Auf diese fragen
mich zu expectoriren/ muß ich die sache wiederum in etliche stücke abtheilen.
1. Wann gefragt wird/ ob wir nicht der beträngten frantzösischen kirche uns an-
zunehmen; so achte/ daß an der bejahung derselben schwerlich ein recht christliches
hertz zu zweiffeln ursach habe; was aber die art anlangt/ dörffte es schwer werden/
solche zu determiniren/ und sehe ich meines orts nicht/ wie wir uns derselben mehr
annehmen könten/ als mit eifferiger aus liebreicher erbarmung thuender vorbitte
(welche ich nicht unbillig hielte auch öffentlich in der kirchen zu thun) mit gütigem
urtheil von ihnen (massen wir ihr leiden nicht als ein eigentlich von ihnen verschulde-
tes blosses straff-gericht/ sondern als ein zeugnüß der wahrheit zu achten haben/
nachdem sie einmal nicht um ihrer irrthum willen/ sondern um der gegen das pab-
sthum mit uns gemein habender wahrheit dieses mal verfolget werden) mit freund-
licher aufnahm und behand lung der flüchtigen/ mit intercedirung der hohen poten-

taten
q q q 3

ARTIC. IV. SECTIO XXX.
ſelbſt nicht einen eintzigen habe/ mit deme in einer correſpondenz ſtuͤnde/ oder alle
diejenige nachricht haͤtte/ welche nothwendig iſt/ daraus abzunehmen/ was man
von jeden hoffen koͤnte. Allein eine und andere junge leute/ die mich auf ihrer rei-
ſe hier geſprochen/ habe ich kennen lernen/ die aber noch nicht in autoritaͤt ſtehen/
ſo dann in den auswaͤrtigen des reichs provinzen kenne etliche tapffere leute/ die
vor das reich GOttes hertzlich intentionirt, und mit guten gaben ausgeruͤſtet ſind.
Zu denen in dem reich ſelbſten/ dem biſchoff/ profeſſoribus und andern vornehmen
theologis will ich gleichwol aus der liebe das vertranen tragen/ ob mir wol GOtt
die freude nicht gegeben/ ſie und jeglichen derſelben nach demjenigen/ was ſie von
ihm empfangen haben/ zu kennen/ daß ſie dennoch leute ſeyn werden/ die ſo wol den
willen als das vermoͤgen haben/ die ſache GOttes mit nachdruck zu treiben/ und
vor die kirche/ ſo bey ihnen als aller andern orten (ſo viel das gemeine band unter
uns mit ſich bringet) nachdruͤcklich zu ſorgen. Welche gaben wir ihnen auch
ſtets vermehret zu werden mit andacht billig von dem HErrn erbitten zu helffen be-
flieſſen ſeyn ſollen. Jch komme aber gleich auf die abſonderliche gethane anfrag:
1. Ob bey dieſem elend die reformirte kirche aus Franckreich ſo gar zu ver-
laſſen, und ob man nicht glauben moͤchte, daß wann ihnen die evangeliſche
wahrheit deutlich vorgeſtellet wuͤrde, ſelbige zur zeit ſo ſchwerer anfech-
tung noch tieffer verfangen moͤchte?
darzu ich noch ſetze/ (ſo zimlich in die vori-
ge ſich einflichtet/ ob nicht zu glauben ſey, daß man mit der engelliſchen kir-
chen koͤnne in groͤſſere
conjunction kommen? als welche in vielen ſtuͤcken bis-
her naͤher an Lutheri als Calvini ſeite ſich erklaͤret/ und bey beſorgender gefahr der
paͤpſtiſchen reformation gern wuͤrde mit andern ſich verbinden. Auf dieſe fragen
mich zu expectoriren/ muß ich die ſache wiederum in etliche ſtuͤcke abtheilen.
1. Wann gefragt wird/ ob wir nicht der betraͤngten frantzoͤſiſchen kirche uns an-
zunehmen; ſo achte/ daß an der bejahung derſelben ſchwerlich ein recht chriſtliches
hertz zu zweiffeln urſach habe; was aber die art anlangt/ doͤrffte es ſchwer werden/
ſolche zu determiniren/ und ſehe ich meines orts nicht/ wie wir uns derſelben mehr
annehmen koͤnten/ als mit eifferiger aus liebreicher erbarmung thuender vorbitte
(welche ich nicht unbillig hielte auch oͤffentlich in der kirchen zu thun) mit guͤtigem
urtheil von ihnen (maſſen wir ihr leiden nicht als ein eigentlich von ihnen verſchulde-
tes bloſſes ſtraff-gericht/ ſondern als ein zeugnuͤß der wahrheit zu achten haben/
nachdem ſie einmal nicht um ihrer irrthum willen/ ſondern um der gegen das pab-
ſthum mit uns gemein habender wahrheit dieſes mal verfolget werden) mit freund-
licher aufnahm und behand lung der fluͤchtigen/ mit intercedirung deꝛ hohen poten-

taten
q q q 3
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[493/0505] ARTIC. IV. SECTIO XXX. ſelbſt nicht einen eintzigen habe/ mit deme in einer correſpondenz ſtuͤnde/ oder alle diejenige nachricht haͤtte/ welche nothwendig iſt/ daraus abzunehmen/ was man von jeden hoffen koͤnte. Allein eine und andere junge leute/ die mich auf ihrer rei- ſe hier geſprochen/ habe ich kennen lernen/ die aber noch nicht in autoritaͤt ſtehen/ ſo dann in den auswaͤrtigen des reichs provinzen kenne etliche tapffere leute/ die vor das reich GOttes hertzlich intentionirt, und mit guten gaben ausgeruͤſtet ſind. Zu denen in dem reich ſelbſten/ dem biſchoff/ profeſſoribus und andern vornehmen theologis will ich gleichwol aus der liebe das vertranen tragen/ ob mir wol GOtt die freude nicht gegeben/ ſie und jeglichen derſelben nach demjenigen/ was ſie von ihm empfangen haben/ zu kennen/ daß ſie dennoch leute ſeyn werden/ die ſo wol den willen als das vermoͤgen haben/ die ſache GOttes mit nachdruck zu treiben/ und vor die kirche/ ſo bey ihnen als aller andern orten (ſo viel das gemeine band unter uns mit ſich bringet) nachdruͤcklich zu ſorgen. Welche gaben wir ihnen auch ſtets vermehret zu werden mit andacht billig von dem HErrn erbitten zu helffen be- flieſſen ſeyn ſollen. Jch komme aber gleich auf die abſonderliche gethane anfrag: 1. Ob bey dieſem elend die reformirte kirche aus Franckreich ſo gar zu ver- laſſen, und ob man nicht glauben moͤchte, daß wann ihnen die evangeliſche wahrheit deutlich vorgeſtellet wuͤrde, ſelbige zur zeit ſo ſchwerer anfech- tung noch tieffer verfangen moͤchte? darzu ich noch ſetze/ (ſo zimlich in die vori- ge ſich einflichtet/ ob nicht zu glauben ſey, daß man mit der engelliſchen kir- chen koͤnne in groͤſſere conjunction kommen? als welche in vielen ſtuͤcken bis- her naͤher an Lutheri als Calvini ſeite ſich erklaͤret/ und bey beſorgender gefahr der paͤpſtiſchen reformation gern wuͤrde mit andern ſich verbinden. Auf dieſe fragen mich zu expectoriren/ muß ich die ſache wiederum in etliche ſtuͤcke abtheilen. 1. Wann gefragt wird/ ob wir nicht der betraͤngten frantzoͤſiſchen kirche uns an- zunehmen; ſo achte/ daß an der bejahung derſelben ſchwerlich ein recht chriſtliches hertz zu zweiffeln urſach habe; was aber die art anlangt/ doͤrffte es ſchwer werden/ ſolche zu determiniren/ und ſehe ich meines orts nicht/ wie wir uns derſelben mehr annehmen koͤnten/ als mit eifferiger aus liebreicher erbarmung thuender vorbitte (welche ich nicht unbillig hielte auch oͤffentlich in der kirchen zu thun) mit guͤtigem urtheil von ihnen (maſſen wir ihr leiden nicht als ein eigentlich von ihnen verſchulde- tes bloſſes ſtraff-gericht/ ſondern als ein zeugnuͤß der wahrheit zu achten haben/ nachdem ſie einmal nicht um ihrer irrthum willen/ ſondern um der gegen das pab- ſthum mit uns gemein habender wahrheit dieſes mal verfolget werden) mit freund- licher aufnahm und behand lung der fluͤchtigen/ mit intercedirung deꝛ hohen poten- taten q q q 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/505>, abgerufen am 25.11.2024.