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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. IV. SECTIO XXX.
SECTIO XXX.
Zu dieser zeit ist zur besserung noch nichts haupt-
sächliches auszurichten/ sonderlich wegen der obern stände
verderbnüs. Doch hat man nicht allen versuch zu unterlas-
sen. Hoffnung von Schweden. Ob die bedrängte refor-
mirte in Franckreich zu verlassen. Ob eine vereinigung mit
den reformirten möglich. Wie es anzugreiffen. Wie vor-
sichtig zu verfahren/ damit nicht mehr spaltung folge. Ob
nicht einige ceremonien und gebräuche der alten kirchen wie-
der einzuführen. Was dabey zu bedencken. Beten
auf den knien: gewisse öffentliche fasten/
tägliche bet-stunden/ kirchen-
buß/ etc.

JCh gehe gleich auf dasjenige/ was das wichtigste unter allen übrigen ma-
terien ist/ und bekenne/ daß in ablesung dessen/ als sahe/ daß zu dieser
materie/ daran so offt gedacht/ durch gute freunde in der furcht GOttes
geführet wurde/ eine ungemeine freude und trieb bey mir gefunden/ auch daraus
fast eine hoffnung/ daß nicht aller göttlicher segen ausbleiben werde/ geschöpffet
habe. Weil auch mein gebet zu so wichtiger sache zu schwach seyn mag/ als habe
ich den 29. abends einige christliche freunde zu mir erbeten/ da wir vor dem ange-
sicht des HERRN nicht nur allein unser anliegen wegen des gegenwärtigen elen-
des der gesamten kirchen/ sodann sonsten unsere noth ausgeschüttet/ sondern den
himmlischen Vater demüthigst angeruffen haben/ daß er in einer wichtigen sache/ da
mein bedencken erfordert worden/ mir weisheit verleihen wolle/ daß ich/ was seines
willens u. der kirchen nützlich wäre/ erkennete/ und guten rath zu ertheilen vermöch-
te/ oder wo er mich dazu nicht würdigen wolte/ meine vorschläge aufs wenigste nie-
mand zu schaden zu gereichen regieren wolte. Wo ich dann nun offenhertzig meine
gedancken in meines werthesten bruders schooß ausschütten solle/ so ist 1. das erste/
daß ich fast nicht weiß/ ob in gegenwärtigem zustand etwas hauptsächliches u. wich-
tiges auszurichten geschaffet werden möge/ sondern sorge fast mehr/ daß wir in einer

zeit
IV. Theil. q q q
ARTIC. IV. SECTIO XXX.
SECTIO XXX.
Zu dieſer zeit iſt zur beſſerung noch nichts haupt-
ſaͤchliches auszurichten/ ſonderlich wegen der obern ſtaͤnde
verderbnuͤs. Doch hat man nicht allen verſuch zu unterlaſ-
ſen. Hoffnung von Schweden. Ob die bedraͤngte refor-
mirte in Franckreich zu verlaſſen. Ob eine vereinigung mit
den reformirten moͤglich. Wie es anzugreiffen. Wie vor-
ſichtig zu verfahren/ damit nicht mehr ſpaltung folge. Ob
nicht einige ceremonien und gebraͤuche der alten kirchen wie-
der einzufuͤhren. Was dabey zu bedencken. Beten
auf den knien: gewiſſe oͤffentliche faſten/
taͤgliche bet-ſtunden/ kirchen-
buß/ ꝛc.

JCh gehe gleich auf dasjenige/ was das wichtigſte unter allen uͤbrigen ma-
terien iſt/ und bekenne/ daß in ableſung deſſen/ als ſahe/ daß zu dieſer
materie/ daran ſo offt gedacht/ durch gute freunde in der furcht GOttes
gefuͤhret wurde/ eine ungemeine freude und trieb bey mir gefunden/ auch daraus
faſt eine hoffnung/ daß nicht aller goͤttlicher ſegen ausbleiben werde/ geſchoͤpffet
habe. Weil auch mein gebet zu ſo wichtiger ſache zu ſchwach ſeyn mag/ als habe
ich den 29. abends einige chriſtliche freunde zu mir erbeten/ da wir vor dem ange-
ſicht des HERRN nicht nur allein unſer anliegen wegen des gegenwaͤrtigen elen-
des der geſamten kirchen/ ſodann ſonſten unſere noth ausgeſchuͤttet/ ſondern den
himmliſchen Vater demuͤthigſt angeruffen haben/ daß er in einer wichtigen ſache/ da
mein bedencken erfordert worden/ mir weisheit verleihen wolle/ daß ich/ was ſeines
willens u. der kirchen nuͤtzlich waͤre/ erkennete/ und guten rath zu ertheilen vermoͤch-
te/ oder wo er mich dazu nicht wuͤrdigen wolte/ meine vorſchlaͤge aufs wenigſte nie-
mand zu ſchaden zu gereichen regieren wolte. Wo ich dann nun offenhertzig meine
gedancken in meines wertheſten bruders ſchooß ausſchuͤtten ſolle/ ſo iſt 1. das erſte/
daß ich faſt nicht weiß/ ob in gegenwaͤrtigem zuſtand etwas hauptſaͤchliches u. wich-
tiges auszurichten geſchaffet werden moͤge/ ſondern ſorge faſt mehr/ daß wir in einer

zeit
IV. Theil. q q q
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[489/0501] ARTIC. IV. SECTIO XXX. SECTIO XXX. Zu dieſer zeit iſt zur beſſerung noch nichts haupt- ſaͤchliches auszurichten/ ſonderlich wegen der obern ſtaͤnde verderbnuͤs. Doch hat man nicht allen verſuch zu unterlaſ- ſen. Hoffnung von Schweden. Ob die bedraͤngte refor- mirte in Franckreich zu verlaſſen. Ob eine vereinigung mit den reformirten moͤglich. Wie es anzugreiffen. Wie vor- ſichtig zu verfahren/ damit nicht mehr ſpaltung folge. Ob nicht einige ceremonien und gebraͤuche der alten kirchen wie- der einzufuͤhren. Was dabey zu bedencken. Beten auf den knien: gewiſſe oͤffentliche faſten/ taͤgliche bet-ſtunden/ kirchen- buß/ ꝛc. JCh gehe gleich auf dasjenige/ was das wichtigſte unter allen uͤbrigen ma- terien iſt/ und bekenne/ daß in ableſung deſſen/ als ſahe/ daß zu dieſer materie/ daran ſo offt gedacht/ durch gute freunde in der furcht GOttes gefuͤhret wurde/ eine ungemeine freude und trieb bey mir gefunden/ auch daraus faſt eine hoffnung/ daß nicht aller goͤttlicher ſegen ausbleiben werde/ geſchoͤpffet habe. Weil auch mein gebet zu ſo wichtiger ſache zu ſchwach ſeyn mag/ als habe ich den 29. abends einige chriſtliche freunde zu mir erbeten/ da wir vor dem ange- ſicht des HERRN nicht nur allein unſer anliegen wegen des gegenwaͤrtigen elen- des der geſamten kirchen/ ſodann ſonſten unſere noth ausgeſchuͤttet/ ſondern den himmliſchen Vater demuͤthigſt angeruffen haben/ daß er in einer wichtigen ſache/ da mein bedencken erfordert worden/ mir weisheit verleihen wolle/ daß ich/ was ſeines willens u. der kirchen nuͤtzlich waͤre/ erkennete/ und guten rath zu ertheilen vermoͤch- te/ oder wo er mich dazu nicht wuͤrdigen wolte/ meine vorſchlaͤge aufs wenigſte nie- mand zu ſchaden zu gereichen regieren wolte. Wo ich dann nun offenhertzig meine gedancken in meines wertheſten bruders ſchooß ausſchuͤtten ſolle/ ſo iſt 1. das erſte/ daß ich faſt nicht weiß/ ob in gegenwaͤrtigem zuſtand etwas hauptſaͤchliches u. wich- tiges auszurichten geſchaffet werden moͤge/ ſondern ſorge faſt mehr/ daß wir in einer zeit IV. Theil. q q q

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/501>, abgerufen am 25.11.2024.