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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. IV. SECTIO XXVII.
sondern seine selbst eigene gerechtigkeit/ welche uns geschencket und zugerechnet
wird/ daher es heisset/ daß er der HERR/ unsere gerechtigkeit seye/ Jerem. 23/
6. und daß er uns zur gerechtigkeit gemacht worden/ 1. Corinth. 1/ 30. hier-
aus folget 3. daß wo geredet wird von der gerechtigkeit selbst/ nicht aber der art/
wie sie zu uns kommet/ (de justitia ipsa, non de modo habendi) daß ein freu-
diger christ in der freudigkeit seines glaubens sagen/ und man auch so lehren mag/
daß er so gerecht vor GOTTES gericht/ als CHRJSTUS selbst seye: Weil
es beyderseits eine gerechtigkeit ist. Weil aber solche redens-art auch noch weiter
möchte ausgedehnet werden/ verwahret man sich billig bey deroselben gebrauch/
durch eine erklärung/ wie wir uns so gerecht als CHRJSTUM halten/ daß
es bey uns sein gnadengeschenck/ bey ihm aber seine eigene gerechtigkeit/ bey ihm
etwas einhafftendes und an ihm selbst befindliches/ bey uns aber etwas ausser uns
nur zugerechnetes/ bleibet. Dergleichen erklärung wil bey allen denjenigen for-
mulen nöthig seyn/ die entweder nicht gantz gemein sind/ oder in ihrer generalität
ungleich können verstanden werden. 4. Diese gerechtigkeit CHRJSTJ ist
nicht/ eigentlich zu reden/ diejenige/ welche der sohn GOTTES seiner mensch-
lichen natur in der persönlichen vereinigung mitgetheilet hat/ und die unter die gött-
liche eigenschafften selbst gehöret/ sondern die in seinem gehorsam/ daß er das
gesetz erfüllet hat/ sodann darinnen ausgestandenem leiden und sterben/ bestehet.
Wie unser D. Danh. sagt Hodos. phaen. 9. p. 910. justitia Christi a Christo prae-
stita h. e. obedientia Christi, tam activa, quam passiva vice nostri praestita.

Diejenige gerechtigkeit aber/ welche der person Christi selbst zustehet/ als eine gött-
liche eigenschafft/ kan uns so wenig als seine allmacht/ allweisheit u.s.f. zugerechnet
werden. Jndessen ist doch auch diese göttliche gerechtigkeit diejenige in Christo/ in
welcher er seinen gehorsam und leiden und die gerechtigkeit gewircket hat/ welche uns
zugerechnet wird. 5. Daher wolte ich nicht gern sagen/ so rein CHristus seine mensch-
liche natur gemacht hat in der persönlichen vereinigung/ so rein machet er mich durch
den glauben: sondern vielmehr/ so rein Christus in seinem gehorsam und leiden vor
seinem himmlischen vater gestanden und sein gerechter knecht Esa. 53/ 12. gewest ist/ so
rein machet er mich auch in der zurechnung. Auf diese art wird die sache recht aus-
gedruckt/ und kan niemand/ so unsere lehr recht gefaßt/ etwas dargegen aufbringen.
Was den lieben Statium anlanget/ ist mir auch dieses büchlein hertzlich ange-
nehm/ und habe kein bedencken/ andächtigen seelen dasselbe zu recommendiren/
wie es dann der kern ist der evangelischen lehr von der gnade und seligkeit der gläu-
bigen in CHristo/ meistens aus Luthero ausgezogen. Jch bekenne auch/ wol
inniglich dardurch bewogen zu seyn worden/ als ich es das erstemal lase;

Wor-
IV. Theil. p p p

ARTIC. IV. SECTIO XXVII.
ſondern ſeine ſelbſt eigene gerechtigkeit/ welche uns geſchencket und zugerechnet
wird/ daher es heiſſet/ daß er der HERR/ unſere gerechtigkeit ſeye/ Jerem. 23/
6. und daß er uns zur gerechtigkeit gemacht worden/ 1. Corinth. 1/ 30. hier-
aus folget 3. daß wo geredet wird von der gerechtigkeit ſelbſt/ nicht aber der art/
wie ſie zu uns kommet/ (de juſtitia ipſa, non de modo habendi) daß ein freu-
diger chriſt in der freudigkeit ſeines glaubens ſagen/ und man auch ſo lehren mag/
daß er ſo gerecht vor GOTTES gericht/ als CHRJSTUS ſelbſt ſeye: Weil
es beyderſeits eine gerechtigkeit iſt. Weil aber ſolche redens-art auch noch weiter
moͤchte ausgedehnet werden/ verwahret man ſich billig bey deroſelben gebrauch/
durch eine erklaͤrung/ wie wir uns ſo gerecht als CHRJSTUM halten/ daß
es bey uns ſein gnadengeſchenck/ bey ihm aber ſeine eigene gerechtigkeit/ bey ihm
etwas einhafftendes und an ihm ſelbſt befindliches/ bey uns aber etwas auſſer uns
nur zugerechnetes/ bleibet. Dergleichen erklaͤrung wil bey allen denjenigen for-
mulen noͤthig ſeyn/ die entweder nicht gantz gemein ſind/ oder in ihrer generalitaͤt
ungleich koͤnnen verſtanden werden. 4. Dieſe gerechtigkeit CHRJSTJ iſt
nicht/ eigentlich zu reden/ diejenige/ welche der ſohn GOTTES ſeiner menſch-
lichen natur in der perſoͤnlichen vereinigung mitgetheilet hat/ und die unter die goͤtt-
liche eigenſchafften ſelbſt gehoͤret/ ſondern die in ſeinem gehorſam/ daß er das
geſetz erfuͤllet hat/ ſodann darinnen ausgeſtandenem leiden und ſterben/ beſtehet.
Wie unſer D. Danh. ſagt Hodoſ. phæn. 9. p. 910. juſtitia Chriſti à Chriſto præ-
ſtita h. e. obedientia Chriſti, tam activa, quam paſſiva vice noſtri præſtita.

Diejenige gerechtigkeit aber/ welche der perſon Chriſti ſelbſt zuſtehet/ als eine goͤtt-
liche eigenſchafft/ kan uns ſo wenig als ſeine allmacht/ allweisheit u.ſ.f. zugerechnet
werden. Jndeſſen iſt doch auch dieſe goͤttliche gerechtigkeit diejenige in Chriſto/ in
welcher er ſeinen gehorſam und leiden und die gerechtigkeit gewircket hat/ welche uns
zugerechnet wird. 5. Daher wolte ich nicht gern ſagen/ ſo rein CHriſtus ſeine menſch-
liche natur gemacht hat in der perſoͤnlichen vereinigung/ ſo rein machet er mich durch
den glauben: ſondern vielmehr/ ſo rein Chriſtus in ſeinem gehorſam und leiden vor
ſeinem himmliſchen vater geſtanden und ſein gerechter knecht Eſa. 53/ 12. geweſt iſt/ ſo
rein machet er mich auch in der zurechnung. Auf dieſe art wird die ſache recht aus-
gedruckt/ und kan niemand/ ſo unſere lehr recht gefaßt/ etwas dargegen aufbringen.
Was den lieben Statium anlanget/ iſt mir auch dieſes buͤchlein hertzlich ange-
nehm/ und habe kein bedencken/ andaͤchtigen ſeelen daſſelbe zu recommendiren/
wie es dann der kern iſt der evangeliſchen lehr von der gnade und ſeligkeit der glaͤu-
bigen in CHriſto/ meiſtens aus Luthero ausgezogen. Jch bekenne auch/ wol
inniglich dardurch bewogen zu ſeyn worden/ als ich es das erſtemal laſe;

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IV. Theil. p p p
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[481/0493] ARTIC. IV. SECTIO XXVII. ſondern ſeine ſelbſt eigene gerechtigkeit/ welche uns geſchencket und zugerechnet wird/ daher es heiſſet/ daß er der HERR/ unſere gerechtigkeit ſeye/ Jerem. 23/ 6. und daß er uns zur gerechtigkeit gemacht worden/ 1. Corinth. 1/ 30. hier- aus folget 3. daß wo geredet wird von der gerechtigkeit ſelbſt/ nicht aber der art/ wie ſie zu uns kommet/ (de juſtitia ipſa, non de modo habendi) daß ein freu- diger chriſt in der freudigkeit ſeines glaubens ſagen/ und man auch ſo lehren mag/ daß er ſo gerecht vor GOTTES gericht/ als CHRJSTUS ſelbſt ſeye: Weil es beyderſeits eine gerechtigkeit iſt. Weil aber ſolche redens-art auch noch weiter moͤchte ausgedehnet werden/ verwahret man ſich billig bey deroſelben gebrauch/ durch eine erklaͤrung/ wie wir uns ſo gerecht als CHRJSTUM halten/ daß es bey uns ſein gnadengeſchenck/ bey ihm aber ſeine eigene gerechtigkeit/ bey ihm etwas einhafftendes und an ihm ſelbſt befindliches/ bey uns aber etwas auſſer uns nur zugerechnetes/ bleibet. Dergleichen erklaͤrung wil bey allen denjenigen for- mulen noͤthig ſeyn/ die entweder nicht gantz gemein ſind/ oder in ihrer generalitaͤt ungleich koͤnnen verſtanden werden. 4. Dieſe gerechtigkeit CHRJSTJ iſt nicht/ eigentlich zu reden/ diejenige/ welche der ſohn GOTTES ſeiner menſch- lichen natur in der perſoͤnlichen vereinigung mitgetheilet hat/ und die unter die goͤtt- liche eigenſchafften ſelbſt gehoͤret/ ſondern die in ſeinem gehorſam/ daß er das geſetz erfuͤllet hat/ ſodann darinnen ausgeſtandenem leiden und ſterben/ beſtehet. Wie unſer D. Danh. ſagt Hodoſ. phæn. 9. p. 910. juſtitia Chriſti à Chriſto præ- ſtita h. e. obedientia Chriſti, tam activa, quam paſſiva vice noſtri præſtita. Diejenige gerechtigkeit aber/ welche der perſon Chriſti ſelbſt zuſtehet/ als eine goͤtt- liche eigenſchafft/ kan uns ſo wenig als ſeine allmacht/ allweisheit u.ſ.f. zugerechnet werden. Jndeſſen iſt doch auch dieſe goͤttliche gerechtigkeit diejenige in Chriſto/ in welcher er ſeinen gehorſam und leiden und die gerechtigkeit gewircket hat/ welche uns zugerechnet wird. 5. Daher wolte ich nicht gern ſagen/ ſo rein CHriſtus ſeine menſch- liche natur gemacht hat in der perſoͤnlichen vereinigung/ ſo rein machet er mich durch den glauben: ſondern vielmehr/ ſo rein Chriſtus in ſeinem gehorſam und leiden vor ſeinem himmliſchen vater geſtanden und ſein gerechter knecht Eſa. 53/ 12. geweſt iſt/ ſo rein machet er mich auch in der zurechnung. Auf dieſe art wird die ſache recht aus- gedruckt/ und kan niemand/ ſo unſere lehr recht gefaßt/ etwas dargegen aufbringen. Was den lieben Statium anlanget/ iſt mir auch dieſes buͤchlein hertzlich ange- nehm/ und habe kein bedencken/ andaͤchtigen ſeelen daſſelbe zu recommendiren/ wie es dann der kern iſt der evangeliſchen lehr von der gnade und ſeligkeit der glaͤu- bigen in CHriſto/ meiſtens aus Luthero ausgezogen. Jch bekenne auch/ wol inniglich dardurch bewogen zu ſeyn worden/ als ich es das erſtemal laſe; Wor- IV. Theil. p p p

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/493>, abgerufen am 25.11.2024.