Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.ARTIC. IV. SECTIO XXVI. solle die meinung seyn/ so osst als vor dem HERRN meiner tauffpaten und alsoauch dessen gedencken werde. Wie dann dieses auch/ so viel ich noch sehe/ das ei- nige ist/ was aus denjenigen pflichten/ welche christlichen gevattern aus der kirchen absicht obliegen/ von mir an dem lieben kind zu thun müglich seyn wird: indeme der rechte eigentliche zweck der zeugnüß der tauff/ sodann die mitaufsicht auf die geist- liche erziehung der tauffpaten/ an entlegenen orten unmöglich sind/ noch gleicher massen wie sonsten übernommen werden können. Jm übrigen bedancke mich freundlich vor die hierinnen erzeigte ehre mit williger erbietung aller müglichen freundschafft/ und erwarte mit gelegenheit des namens meiner geliebten götlichen wegen des bey mir in dergleichen fällen gewöhnliches gedächtnüsses. Jch komme nunmehro auch auf die andere materie des geliebten schreibens/ betreffend das anlie- gen der frauen/ welche gern wieder heyrathen wolte. Wie hertzlich gern ich nun ihr geholffen sehen möchte/ so finde doch nicht/ daß solches ohne einige umstände gesche- hen könte. Wir wissen/ daß die ehe nicht getrennet werden kan ohne durch den ehe- bruch/ boßhafftige verlassung oder den tod. Von dem ersten ist in diesem fall keine vermuthung: vor einen malitiosum desertorem kan auch derjenige nicht gehalten werden/ der wider willen violentia bellica durch gefangenschafft in fremde ort ver- führet wird: der tod aber ist nicht erwiesen. Nun hat jegliche christliche obrigkeit auf alle weiß und weg vorzusehen/ daß nicht aus unvorsichtigkeit dergleichen hey- rathen geschehen/ die einmal vielmehr adulteria gewesen zu seyn offenbar werden würden/ da des andern ehegatten leben endlich bekant würde. Daß diese frau durch schreiben und abschickung sich des zustandes des mannes erkundiget hat/ ist wohlgethan gewest/ aber noch nicht gnug/ daß wegen nicht erlangten zwecks oder erlangter nachricht man des mannes tod zu demjenigen effect der wieder ver- heyrathung praesumiren könte. Daher wäre meine meinung/ daß nomine pu- blico, als zum exempel im namen seiner Hochfl. Durchl. oder auch der gesamten generalität/ oder durch wen dergleichen etwa nach dem kriegsstaat (der mir nicht so bekant) zu geschehen pfleget/ an jemand von frantzösischer seiten/ etwa wo man wüste/ durch was vor regiment die gefangene nach catalonien geführet worden/ o- der wer in catalonien das commando gehabt/ geschrieben und die nachfrag wie- derholet würde/ wo nicht zu zweifeln/ daß die intendenten allezeit in ihren registern ziemliche nachricht antreffen können. Diese nachfrage wird nun entweder die person ausfindig machen/ ob sie lebendig oder todt seye/ daraus der schluß so bald von selbsten kommet: oder da nichts auszufragen/ weil sie nomine publico geschehen/ hat sie doch mehr gültigkeit/ als diejenige/ die privatim vorgenommen worden/ und man eben der treue so gewiß nicht versichert ist/ daß man dermaleins sich daraus o o o 3
ARTIC. IV. SECTIO XXVI. ſolle die meinung ſeyn/ ſo oſſt als vor dem HERRN meiner tauffpaten und alſoauch deſſen gedencken werde. Wie dann dieſes auch/ ſo viel ich noch ſehe/ das ei- nige iſt/ was aus denjenigen pflichten/ welche chriſtlichen gevattern aus der kirchen abſicht obliegen/ von mir an dem lieben kind zu thun muͤglich ſeyn wird: indeme der rechte eigentliche zweck der zeugnuͤß der tauff/ ſodann die mitaufſicht auf die geiſt- liche erziehung der tauffpaten/ an entlegenen orten unmoͤglich ſind/ noch gleicher maſſen wie ſonſten uͤbernommen werden koͤnnen. Jm uͤbrigen bedancke mich freundlich vor die hierinnen erzeigte ehre mit williger erbietung aller muͤglichen freundſchafft/ und erwarte mit gelegenheit des namens meiner geliebten goͤtlichen wegen des bey mir in dergleichen faͤllen gewoͤhnliches gedaͤchtnuͤſſes. Jch komme nunmehro auch auf die andere materie des geliebten ſchꝛeibens/ betreffend das anlie- gen der frauen/ welche gern wieder heyrathen wolte. Wie hertzlich gern ich nun ihr geholffen ſehen moͤchte/ ſo finde doch nicht/ daß ſolches ohne einige umſtaͤnde geſche- hen koͤnte. Wir wiſſen/ daß die ehe nicht getrennet werden kan ohne durch den ehe- bruch/ boßhafftige verlaſſung oder den tod. Von dem erſten iſt in dieſem fall keine vermuthung: vor einen malitioſum deſertorem kan auch derjenige nicht gehalten werden/ der wider willen violentia bellica durch gefangenſchafft in fremde ort ver- fuͤhret wird: der tod aber iſt nicht erwieſen. Nun hat jegliche chriſtliche obrigkeit auf alle weiß und weg vorzuſehen/ daß nicht aus unvorſichtigkeit dergleichen hey- rathen geſchehen/ die einmal vielmehr adulteria geweſen zu ſeyn offenbar werden wuͤrden/ da des andern ehegatten leben endlich bekant wuͤrde. Daß dieſe frau durch ſchreiben und abſchickung ſich des zuſtandes des mannes erkundiget hat/ iſt wohlgethan geweſt/ aber noch nicht gnug/ daß wegen nicht erlangten zwecks oder erlangter nachricht man des mannes tod zu demjenigen effect der wieder ver- heyrathung præſumiren koͤnte. Daher waͤre meine meinung/ daß nomine pu- blico, als zum exempel im namen ſeiner Hochfl. Durchl. oder auch der geſamten generalitaͤt/ oder durch wen dergleichen etwa nach dem kriegsſtaat (der mir nicht ſo bekant) zu geſchehen pfleget/ an jemand von frantzoͤſiſcher ſeiten/ etwa wo man wuͤſte/ durch was vor regiment die gefangene nach catalonien gefuͤhret worden/ o- der wer in catalonien das commando gehabt/ geſchrieben und die nachfrag wie- derholet wuͤrde/ wo nicht zu zweifeln/ daß die intendenten allezeit in ihren regiſtern ziemliche nachricht antreffen koͤnnen. Dieſe nachfrage wird nun entweder die perſon ausfindig machen/ ob ſie lebendig oder todt ſeye/ daraus der ſchluß ſo bald von ſelbſten kommet: oder da nichts auszufragen/ weil ſie nomine publico geſchehen/ hat ſie doch mehr guͤltigkeit/ als diejenige/ die privatim vorgenommen worden/ und man eben der treue ſo gewiß nicht verſichert iſt/ daß man dermaleins ſich darauſ o o o 3
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ARTIC. IV. SECTIO XXVI.
ſolle die meinung ſeyn/ ſo oſſt als vor dem HERRN meiner tauffpaten und alſo
auch deſſen gedencken werde. Wie dann dieſes auch/ ſo viel ich noch ſehe/ das ei-
nige iſt/ was aus denjenigen pflichten/ welche chriſtlichen gevattern aus der kirchen
abſicht obliegen/ von mir an dem lieben kind zu thun muͤglich ſeyn wird: indeme der
rechte eigentliche zweck der zeugnuͤß der tauff/ ſodann die mitaufſicht auf die geiſt-
liche erziehung der tauffpaten/ an entlegenen orten unmoͤglich ſind/ noch gleicher
maſſen wie ſonſten uͤbernommen werden koͤnnen. Jm uͤbrigen bedancke mich
freundlich vor die hierinnen erzeigte ehre mit williger erbietung aller muͤglichen
freundſchafft/ und erwarte mit gelegenheit des namens meiner geliebten goͤtlichen
wegen des bey mir in dergleichen faͤllen gewoͤhnliches gedaͤchtnuͤſſes. Jch komme
nunmehro auch auf die andere materie des geliebten ſchꝛeibens/ betreffend das anlie-
gen der frauen/ welche gern wieder heyrathen wolte. Wie hertzlich gern ich nun ihr
geholffen ſehen moͤchte/ ſo finde doch nicht/ daß ſolches ohne einige umſtaͤnde geſche-
hen koͤnte. Wir wiſſen/ daß die ehe nicht getrennet werden kan ohne durch den ehe-
bruch/ boßhafftige verlaſſung oder den tod. Von dem erſten iſt in dieſem fall keine
vermuthung: vor einen malitioſum deſertorem kan auch derjenige nicht gehalten
werden/ der wider willen violentia bellica durch gefangenſchafft in fremde ort ver-
fuͤhret wird: der tod aber iſt nicht erwieſen. Nun hat jegliche chriſtliche obrigkeit
auf alle weiß und weg vorzuſehen/ daß nicht aus unvorſichtigkeit dergleichen hey-
rathen geſchehen/ die einmal vielmehr adulteria geweſen zu ſeyn offenbar werden
wuͤrden/ da des andern ehegatten leben endlich bekant wuͤrde. Daß dieſe frau
durch ſchreiben und abſchickung ſich des zuſtandes des mannes erkundiget hat/ iſt
wohlgethan geweſt/ aber noch nicht gnug/ daß wegen nicht erlangten zwecks oder
erlangter nachricht man des mannes tod zu demjenigen effect der wieder ver-
heyrathung præſumiren koͤnte. Daher waͤre meine meinung/ daß nomine pu-
blico, als zum exempel im namen ſeiner Hochfl. Durchl. oder auch der geſamten
generalitaͤt/ oder durch wen dergleichen etwa nach dem kriegsſtaat (der mir nicht
ſo bekant) zu geſchehen pfleget/ an jemand von frantzoͤſiſcher ſeiten/ etwa wo man
wuͤſte/ durch was vor regiment die gefangene nach catalonien gefuͤhret worden/ o-
der wer in catalonien das commando gehabt/ geſchrieben und die nachfrag wie-
derholet wuͤrde/ wo nicht zu zweifeln/ daß die intendenten allezeit in ihren regiſtern
ziemliche nachricht antreffen koͤnnen. Dieſe nachfrage wird nun entweder die perſon
ausfindig machen/ ob ſie lebendig oder todt ſeye/ daraus der ſchluß ſo bald von
ſelbſten kommet: oder da nichts auszufragen/ weil ſie nomine publico geſchehen/ hat
ſie doch mehr guͤltigkeit/ als diejenige/ die privatim vorgenommen worden/ und
man eben der treue ſo gewiß nicht verſichert iſt/ daß man dermaleins ſich
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/489>, abgerufen am 16.02.2025. |