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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
res hauptes kron/ und ihres hauses versorger zu missen. Jedoch zweiffele ich auch
nicht/ daß ihr hertz bisher von dem GOtt alles trostes durch den trost seines H.
Geistes also genugsam getröstet und befriediget worden seye/ daß sie sich in der
christlichen gedult und gelassenheit als eine gehorsame tochter dem willen ihres lie-
ben Vaters unterwerffe/ und auf seinen befehl ihm das in der welt liebst gewesene
willig überlasse. So versichere ich mich auch/ daß wie GOtt durch den dienst ihres
lieben eheherrn kräfftig gewesen ist/ andere in solchem gehorsam zu stärcken und in
trübsal zu trösten/ also werde nicht weniger segen zu dessen arbeit an ihr/ die zeit ih-
rer christlichen beywohnung gegeben haben/ ihr hertz dahin zu disponiren/ daß sie
alles mit kindlicher zufriedenheit aus seiner hand annehme/ und solches längst gelern-
ten probe dismal so viel besser zugeben vermöge. Daher sie meines armen trostes
und einfältigen zuspruchs mit mehreren zu thun nicht bedörffen wird. Jndessen lasse
nicht ab/ weil auch weder der freunde zureden noch unser eigen nachsinnen und vor-
satz vor sich vermag die verlangte ruhe dem hertzen zu geben/ und den trost zu wir-
cken/ sondern dazu die göttliche gnaden-krafft nöthig ist/ diese demüthig anzuruffen/
daß sie auch in ihr kräfftig seyn/ und sich empfindlich zu überwindung dieses schmer-
tzens in ihrer seele erweisen wolle. Er der allerliebste Vater wende zum fördersten
alle ihre sinne und gedancken von der betrachtung desjenigen verlusts/ und wie die
ihrige solchen fall mit fleischlichen augen ansehen möchten/ ab/ und hingegen auf
seinen heiligsten und väterlichen willen: zu erkennen/ daß einmal billich seye/ daß der
wille des allerhöchsten vor allen dingen geschehe/ und unserem eigenen willen weit
weit vorgezogen werde/ ja daß wir/ die wir täglich in der dritten bitte gebetet/ dein wil-
le geschehe/ in der that uns damit täglich demselben unterworffen haben/ daß wir
nicht verlangen noch begehren wolten/ was unser eigene sondern allein was sein des
liebsten vaters wille seye/ dahero wir uns in nichts über die erfüllung deßen/ was
die summa unsers gebets selbsten gewesen/ zu beschweren/ sondern ohne murren
unsern willen dem aufzuopffern haben/ der allein würdig ist/ seinen eigenen
willen zu haben/ und daher ein gläubiger Abraham auch seinen eigenen eintzigen
Sohn/ wo er solches erfordert/ ihm ohne widerrede zu überlassen hat. Wie
auch in dieser untergebung unter den göttlichen willen die einige wahre und
beständige ruhe einer seelen bestehet/ und jeglicher trost so vielmehr oder weniger sol-
che ruhe zuwege bringen kan/ als mehr oder weniger derselbe von dieser un-
terwerffung in sich fasset. Er wende auch ihrer sinne und gedancken ab von der
betrachtung gleichwie ihres verlusts/ also auch der in weilen an demselben in
seinem leben gesehenen betrübnüß und mancherley leyden/ mit welchen der
HErr nach seinem H. willen ihn auch zeit seines lebens manchmal geübet/ und
amt und zeit sauer gemacht hat werden lassen; als welche betrachtung nichts an-
ders als abermal neue wunden machen kan: Er richte sie hingegen auf tröstliche
betrachtung des seligen zustandes/ in welchem der liebste herr jetzo schwebet/
und in der gegenwärtigen seligkeit alles vormaliges leiden vergisset: Jndem
wiederum diese betrachtung machen wird/ daß sie ihm sein wolseyn hertzlich gön-
nen/ und desto lieber seiner entrathen werde/ wie auch in der welt zuweilen ein ehe-

gatt

Das ſiebende Capitel.
res hauptes kron/ und ihres hauſes verſorger zu miſſen. Jedoch zweiffele ich auch
nicht/ daß ihr hertz bisher von dem GOtt alles troſtes durch den troſt ſeines H.
Geiſtes alſo genugſam getroͤſtet und befriediget worden ſeye/ daß ſie ſich in der
chriſtlichen gedult und gelaſſenheit als eine gehorſame tochter dem willen ihres lie-
ben Vaters unterwerffe/ und auf ſeinen befehl ihm das in der welt liebſt geweſene
willig uͤberlaſſe. So verſichere ich mich auch/ daß wie GOtt durch den dienſt ihres
lieben eheherrn kraͤfftig geweſen iſt/ andere in ſolchem gehorſam zu ſtaͤrcken und in
truͤbſal zu troͤſten/ alſo werde nicht weniger ſegen zu deſſen arbeit an ihr/ die zeit ih-
rer chriſtlichen beywohnung gegeben haben/ ihr hertz dahin zu diſponiren/ daß ſie
alles mit kindlicher zufriedenheit aus ſeiner hand annehme/ und ſolches laͤngſt geleꝛn-
ten probe dismal ſo viel beſſer zugeben vermoͤge. Daher ſie meines armen troſtes
und einfaͤltigen zuſpruchs mit mehreren zu thun nicht bedoͤrffen wird. Jndeſſen laſſe
nicht ab/ weil auch weder der freunde zureden noch unſer eigen nachſinnen und vor-
ſatz vor ſich vermag die verlangte ruhe dem hertzen zu geben/ und den troſt zu wir-
cken/ ſondern dazu die goͤttliche gnaden-krafft noͤthig iſt/ dieſe demuͤthig anzuruffen/
daß ſie auch in ihr kraͤfftig ſeyn/ und ſich empfindlich zu uͤberwindung dieſes ſchmer-
tzens in ihrer ſeele erweiſen wolle. Er der allerliebſte Vater wende zum foͤrderſten
alle ihre ſinne und gedancken von der betrachtung desjenigen verluſts/ und wie die
ihrige ſolchen fall mit fleiſchlichen augen anſehen moͤchten/ ab/ und hingegen auf
ſeinen heiligſten und vaͤterlichen willen: zu erkennen/ daß einmal billich ſeye/ daß der
wille des allerhoͤchſten vor allen dingen geſchehe/ und unſerem eigenen willen weit
weit vorgezogen werde/ ja daß wir/ die wir taͤglich in deꝛ dꝛitten bitte gebetet/ dein wil-
le geſchehe/ in der that uns damit taͤglich demſelben unterworffen haben/ daß wir
nicht verlangen noch begehren wolten/ was unſer eigene ſondern allein was ſein des
liebſten vaters wille ſeye/ dahero wir uns in nichts uͤber die erfuͤllung deßen/ was
die ſumma unſers gebets ſelbſten geweſen/ zu beſchweren/ ſondern ohne murren
unſern willen dem aufzuopffern haben/ der allein wuͤrdig iſt/ ſeinen eigenen
willen zu haben/ und daher ein glaͤubiger Abraham auch ſeinen eigenen eintzigen
Sohn/ wo er ſolches erfordert/ ihm ohne widerrede zu uͤberlaſſen hat. Wie
auch in dieſer untergebung unter den goͤttlichen willen die einige wahre und
beſtaͤndige ruhe einer ſeelen beſtehet/ und jeglicher troſt ſo vielmehr oder weniger ſol-
che ruhe zuwege bringen kan/ als mehr oder weniger derſelbe von dieſer un-
terwerffung in ſich faſſet. Er wende auch ihrer ſinne und gedancken ab von der
betrachtung gleichwie ihres verluſts/ alſo auch der in weilen an demſelben in
ſeinem leben geſehenen betruͤbnuͤß und mancherley leyden/ mit welchen der
HErr nach ſeinem H. willen ihn auch zeit ſeines lebens manchmal geuͤbet/ und
amt und zeit ſauer gemacht hat werden laſſen; als welche betrachtung nichts an-
ders als abermal neue wunden machen kan: Er richte ſie hingegen auf troͤſtliche
betrachtung des ſeligen zuſtandes/ in welchem der liebſte herr jetzo ſchwebet/
und in der gegenwaͤrtigen ſeligkeit alles vormaliges leiden vergiſſet: Jndem
wiederum dieſe betrachtung machen wird/ daß ſie ihm ſein wolſeyn hertzlich goͤn-
nen/ und deſto lieber ſeiner entrathen werde/ wie auch in der welt zuweilen ein ehe-

gatt
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[434/0446] Das ſiebende Capitel. res hauptes kron/ und ihres hauſes verſorger zu miſſen. Jedoch zweiffele ich auch nicht/ daß ihr hertz bisher von dem GOtt alles troſtes durch den troſt ſeines H. Geiſtes alſo genugſam getroͤſtet und befriediget worden ſeye/ daß ſie ſich in der chriſtlichen gedult und gelaſſenheit als eine gehorſame tochter dem willen ihres lie- ben Vaters unterwerffe/ und auf ſeinen befehl ihm das in der welt liebſt geweſene willig uͤberlaſſe. So verſichere ich mich auch/ daß wie GOtt durch den dienſt ihres lieben eheherrn kraͤfftig geweſen iſt/ andere in ſolchem gehorſam zu ſtaͤrcken und in truͤbſal zu troͤſten/ alſo werde nicht weniger ſegen zu deſſen arbeit an ihr/ die zeit ih- rer chriſtlichen beywohnung gegeben haben/ ihr hertz dahin zu diſponiren/ daß ſie alles mit kindlicher zufriedenheit aus ſeiner hand annehme/ und ſolches laͤngſt geleꝛn- ten probe dismal ſo viel beſſer zugeben vermoͤge. Daher ſie meines armen troſtes und einfaͤltigen zuſpruchs mit mehreren zu thun nicht bedoͤrffen wird. Jndeſſen laſſe nicht ab/ weil auch weder der freunde zureden noch unſer eigen nachſinnen und vor- ſatz vor ſich vermag die verlangte ruhe dem hertzen zu geben/ und den troſt zu wir- cken/ ſondern dazu die goͤttliche gnaden-krafft noͤthig iſt/ dieſe demuͤthig anzuruffen/ daß ſie auch in ihr kraͤfftig ſeyn/ und ſich empfindlich zu uͤberwindung dieſes ſchmer- tzens in ihrer ſeele erweiſen wolle. Er der allerliebſte Vater wende zum foͤrderſten alle ihre ſinne und gedancken von der betrachtung desjenigen verluſts/ und wie die ihrige ſolchen fall mit fleiſchlichen augen anſehen moͤchten/ ab/ und hingegen auf ſeinen heiligſten und vaͤterlichen willen: zu erkennen/ daß einmal billich ſeye/ daß der wille des allerhoͤchſten vor allen dingen geſchehe/ und unſerem eigenen willen weit weit vorgezogen werde/ ja daß wir/ die wir taͤglich in deꝛ dꝛitten bitte gebetet/ dein wil- le geſchehe/ in der that uns damit taͤglich demſelben unterworffen haben/ daß wir nicht verlangen noch begehren wolten/ was unſer eigene ſondern allein was ſein des liebſten vaters wille ſeye/ dahero wir uns in nichts uͤber die erfuͤllung deßen/ was die ſumma unſers gebets ſelbſten geweſen/ zu beſchweren/ ſondern ohne murren unſern willen dem aufzuopffern haben/ der allein wuͤrdig iſt/ ſeinen eigenen willen zu haben/ und daher ein glaͤubiger Abraham auch ſeinen eigenen eintzigen Sohn/ wo er ſolches erfordert/ ihm ohne widerrede zu uͤberlaſſen hat. Wie auch in dieſer untergebung unter den goͤttlichen willen die einige wahre und beſtaͤndige ruhe einer ſeelen beſtehet/ und jeglicher troſt ſo vielmehr oder weniger ſol- che ruhe zuwege bringen kan/ als mehr oder weniger derſelbe von dieſer un- terwerffung in ſich faſſet. Er wende auch ihrer ſinne und gedancken ab von der betrachtung gleichwie ihres verluſts/ alſo auch der in weilen an demſelben in ſeinem leben geſehenen betruͤbnuͤß und mancherley leyden/ mit welchen der HErr nach ſeinem H. willen ihn auch zeit ſeines lebens manchmal geuͤbet/ und amt und zeit ſauer gemacht hat werden laſſen; als welche betrachtung nichts an- ders als abermal neue wunden machen kan: Er richte ſie hingegen auf troͤſtliche betrachtung des ſeligen zuſtandes/ in welchem der liebſte herr jetzo ſchwebet/ und in der gegenwaͤrtigen ſeligkeit alles vormaliges leiden vergiſſet: Jndem wiederum dieſe betrachtung machen wird/ daß ſie ihm ſein wolſeyn hertzlich goͤn- nen/ und deſto lieber ſeiner entrathen werde/ wie auch in der welt zuweilen ein ehe- gatt

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/446>, abgerufen am 22.11.2024.