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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. III. SECTIO XXII.
fahren/ darbey der welt wahrhafftig abgestorben wäre/ und zeit währender dieser
condition nichts anders als seinen aufenthalt/ nahrung/ kleid u. losament verlang-
te/ und sich so lang den armen gantz aufopfferte. Es bestünde aber seine verrichtung
theils/ daß er die von dieser wohlthat unterhaltene krancke fleißig besuchte/ u. an ih-
nen desto treulicher arbeitete/ als sie es um solche zeit bedürftiger und meistens auch
etwas anzunehmen begieriger sind/ theils aber daß er die jugend unterrichtete; wie er
dann gehalten seyn würde/ alle des orts kinder/ die u. dero eltern sie um einige vergel-
tung in schulen zu bringen nicht vermögen (weil wegen anderer kinder der übrigen
schulhalter widersetzung alles rückgängig machen würde/) ohne einiges entgelt/ in
lesen/ schreiben/ rechnen/ sonderlich aber in dem wahren Christenthum/ auf das treu-
lichste zu unterrichten. Darzu auch kommen müßte/ als viel das jährliche geld aus-
trüge/ daß man solchen kindern nöthige bücher/ den catechismum/ neu testament/ ge-
sangbuch und dergleichen verschaffete/ so dann mit einigen kleidungen und noth-
durfft/ denen die es eusserst bedürftig/ zur hand ginge. Wo nun das Ministeri-
um
oder einige glied desselben/ die etwas vermögen/ eine redliche absicht auf die eh-
re GOttes und liebe des nechsten haben/ so gehet an einem solchen ort der vorschlag
durch göttliche gnade leicht von statten/ und wird viel gutes gestifftet werden: Es
muß auch der Studiosus, auf den fast alles ankommt/ sich an dasselbe/ sonderlich
das glied/ dem die verwaltung aufgetragen/ aller dings halten/ vornemlich bey den
krancken sich nichts mehr anmassen/ als ihm gebühret/ und jenes treuen erinnerung
stets folge leisten/ sonderlich aber willig seyn/ über alles was er thut/ geziehmende
rechenschafft zu geben. Hingegen wo ein Ministerium, oder doch die dessen mäch-
tigste glieder/ dem guten und dessen beförderung nicht mit lauterm hertzen zuge-
than sind/ wie sie einen solchen Studiosum nicht leiden/ vielweniger ihm ihren
schutz und beyhülf/ dero er bedarf/ widerfahren lassen würden/ also bekenne ich ger-
ne/ daß ich an einem solchen ort keinen rath weiß/ wie wider des ministerii willen mit
armen anstalten zu rechtem göttlichen zweck etwas auszurichten wäre/ und müste
man lieber alsdann an den nechsten benachtbarten ort/ wo es in die geburt-
stadt solcher hindernüß wegen nicht seyn könte/ darmit wandern. Ach daß sich aber
der HErr über uns erbarme/ und uns allen die wir jedes orts an seiner gemeinde ar-
beiten/ einen solchen sinn gebe/ daß wir aller solcher gelegenheit des guten uns von
hertzen freuen/ und keine mit willen versäumen/ viel weniger uns irgend einer bößlich
widersetzen. Was im übrigen die besondere art der anstalten/ auch informa-
tion
anbelangt/ darinnen beruffe mich/ auf meines werthen Herrn M. Francken
zu Halle nicht allein praxin sondern auch durch den druck dem publico ertheilte
nachricht/ so voraugen liegen/ u. durch gottes segen noch manchen zur nachfolge be-
wegen/ und das gute weiter ausbreiten werden. Wormit schliesse/ und nechst noch-
maligem wunsch/ daß der himmlische vater der das wollen gewircket/ auch zu dem
vollbringen seine gnade verleihen/ also ihn zu einem gesegneten werckzeug der lieb

machen/
IV. Theil. f f f

ARTIC. III. SECTIO XXII.
fahren/ darbey der welt wahrhafftig abgeſtorben waͤre/ und zeit waͤhrender dieſer
condition nichts anders als ſeinen aufenthalt/ nahrung/ kleid u. loſament verlang-
te/ und ſich ſo lang den armen gantz aufopfferte. Es beſtuͤnde aber ſeine verrichtung
theils/ daß er die von dieſer wohlthat unterhaltene krancke fleißig beſuchte/ u. an ih-
nen deſto treulicher arbeitete/ als ſie es um ſolche zeit beduͤrftiger und meiſtens auch
etwas anzunehmen begieriger ſind/ theils aber daß er die jugend unterrichtete; wie er
dann gehalten ſeyn wuͤrde/ alle des orts kinder/ die u. dero eltern ſie um einige vergel-
tung in ſchulen zu bringen nicht vermoͤgen (weil wegen anderer kinder der uͤbrigen
ſchulhalter widerſetzung alles ruͤckgaͤngig machen wuͤrde/) ohne einiges entgelt/ in
leſen/ ſchreiben/ rechnen/ ſonderlich aber in dem wahren Chriſtenthum/ auf das treu-
lichſte zu unterrichten. Darzu auch kommen muͤßte/ als viel das jaͤhrliche geld aus-
truͤge/ daß man ſolchen kindern noͤthige buͤcher/ den catechiſmum/ neu teſtament/ ge-
ſangbuch und dergleichen verſchaffete/ ſo dann mit einigen kleidungen und noth-
durfft/ denen die es euſſerſt beduͤrftig/ zur hand ginge. Wo nun das Miniſteri-
um
oder einige glied deſſelben/ die etwas vermoͤgen/ eine redliche abſicht auf die eh-
re GOttes und liebe des nechſten haben/ ſo gehet an einem ſolchen ort der vorſchlag
durch goͤttliche gnade leicht von ſtatten/ und wird viel gutes geſtifftet werden: Es
muß auch der Studioſus, auf den faſt alles ankommt/ ſich an daſſelbe/ ſonderlich
das glied/ dem die verwaltung aufgetragen/ aller dings halten/ vornemlich bey den
krancken ſich nichts mehr anmaſſen/ als ihm gebuͤhret/ und jenes treuen erinnerung
ſtets folge leiſten/ ſonderlich aber willig ſeyn/ uͤber alles was er thut/ geziehmende
rechenſchafft zu geben. Hingegen wo ein Miniſterium, oder doch die deſſen maͤch-
tigſte glieder/ dem guten und deſſen befoͤrderung nicht mit lauterm hertzen zuge-
than ſind/ wie ſie einen ſolchen Studioſum nicht leiden/ vielweniger ihm ihren
ſchutz und beyhuͤlf/ dero er bedarf/ widerfahren laſſen wuͤrden/ alſo bekenne ich ger-
ne/ daß ich an einem ſolchen ort keinen rath weiß/ wie wider des miniſterii willen mit
armen anſtalten zu rechtem goͤttlichen zweck etwas auszurichten waͤre/ und muͤſte
man lieber alsdann an den nechſten benachtbarten ort/ wo es in die geburt-
ſtadt ſolcher hindernuͤß wegen nicht ſeyn koͤnte/ darmit wandern. Ach daß ſich aber
der HErr uͤber uns erbarme/ und uns allen die wir jedes orts an ſeiner gemeinde ar-
beiten/ einen ſolchen ſinn gebe/ daß wir aller ſolcher gelegenheit des guten uns von
hertzen freuen/ und keine mit willen verſaͤumen/ viel weniger uns irgend einer boͤßlich
widerſetzen. Was im uͤbrigen die beſondere art der anſtalten/ auch informa-
tion
anbelangt/ darinnen beruffe mich/ auf meines werthen Herrn M. Francken
zu Halle nicht allein praxin ſondern auch durch den druck dem publico ertheilte
nachricht/ ſo voraugen liegen/ u. durch gottes ſegen noch manchen zur nachfolge be-
wegen/ und das gute weiter ausbreiten werden. Wormit ſchlieſſe/ und nechſt noch-
maligem wunſch/ daß der himmliſche vater der das wollen gewircket/ auch zu dem
vollbringen ſeine gnade verleihen/ alſo ihn zu einem geſegneten werckzeug der lieb

machen/
IV. Theil. f f f
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[409/0421] ARTIC. III. SECTIO XXII. fahren/ darbey der welt wahrhafftig abgeſtorben waͤre/ und zeit waͤhrender dieſer condition nichts anders als ſeinen aufenthalt/ nahrung/ kleid u. loſament verlang- te/ und ſich ſo lang den armen gantz aufopfferte. Es beſtuͤnde aber ſeine verrichtung theils/ daß er die von dieſer wohlthat unterhaltene krancke fleißig beſuchte/ u. an ih- nen deſto treulicher arbeitete/ als ſie es um ſolche zeit beduͤrftiger und meiſtens auch etwas anzunehmen begieriger ſind/ theils aber daß er die jugend unterrichtete; wie er dann gehalten ſeyn wuͤrde/ alle des orts kinder/ die u. dero eltern ſie um einige vergel- tung in ſchulen zu bringen nicht vermoͤgen (weil wegen anderer kinder der uͤbrigen ſchulhalter widerſetzung alles ruͤckgaͤngig machen wuͤrde/) ohne einiges entgelt/ in leſen/ ſchreiben/ rechnen/ ſonderlich aber in dem wahren Chriſtenthum/ auf das treu- lichſte zu unterrichten. Darzu auch kommen muͤßte/ als viel das jaͤhrliche geld aus- truͤge/ daß man ſolchen kindern noͤthige buͤcher/ den catechiſmum/ neu teſtament/ ge- ſangbuch und dergleichen verſchaffete/ ſo dann mit einigen kleidungen und noth- durfft/ denen die es euſſerſt beduͤrftig/ zur hand ginge. Wo nun das Miniſteri- um oder einige glied deſſelben/ die etwas vermoͤgen/ eine redliche abſicht auf die eh- re GOttes und liebe des nechſten haben/ ſo gehet an einem ſolchen ort der vorſchlag durch goͤttliche gnade leicht von ſtatten/ und wird viel gutes geſtifftet werden: Es muß auch der Studioſus, auf den faſt alles ankommt/ ſich an daſſelbe/ ſonderlich das glied/ dem die verwaltung aufgetragen/ aller dings halten/ vornemlich bey den krancken ſich nichts mehr anmaſſen/ als ihm gebuͤhret/ und jenes treuen erinnerung ſtets folge leiſten/ ſonderlich aber willig ſeyn/ uͤber alles was er thut/ geziehmende rechenſchafft zu geben. Hingegen wo ein Miniſterium, oder doch die deſſen maͤch- tigſte glieder/ dem guten und deſſen befoͤrderung nicht mit lauterm hertzen zuge- than ſind/ wie ſie einen ſolchen Studioſum nicht leiden/ vielweniger ihm ihren ſchutz und beyhuͤlf/ dero er bedarf/ widerfahren laſſen wuͤrden/ alſo bekenne ich ger- ne/ daß ich an einem ſolchen ort keinen rath weiß/ wie wider des miniſterii willen mit armen anſtalten zu rechtem goͤttlichen zweck etwas auszurichten waͤre/ und muͤſte man lieber alsdann an den nechſten benachtbarten ort/ wo es in die geburt- ſtadt ſolcher hindernuͤß wegen nicht ſeyn koͤnte/ darmit wandern. Ach daß ſich aber der HErr uͤber uns erbarme/ und uns allen die wir jedes orts an ſeiner gemeinde ar- beiten/ einen ſolchen ſinn gebe/ daß wir aller ſolcher gelegenheit des guten uns von hertzen freuen/ und keine mit willen verſaͤumen/ viel weniger uns irgend einer boͤßlich widerſetzen. Was im uͤbrigen die beſondere art der anſtalten/ auch informa- tion anbelangt/ darinnen beruffe mich/ auf meines werthen Herrn M. Francken zu Halle nicht allein praxin ſondern auch durch den druck dem publico ertheilte nachricht/ ſo voraugen liegen/ u. durch gottes ſegen noch manchen zur nachfolge be- wegen/ und das gute weiter ausbreiten werden. Wormit ſchlieſſe/ und nechſt noch- maligem wunſch/ daß der himmliſche vater der das wollen gewircket/ auch zu dem vollbringen ſeine gnade verleihen/ alſo ihn zu einem geſegneten werckzeug der lieb machen/ IV. Theil. f f f

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/421>, abgerufen am 22.11.2024.