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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. III. SECT. XI.
sten und vornehmsten theil der gemeinde die freywillige abstellung auf eine
solche freundliche art erlanget worden/ wäre darnach zu gedencken/ ob alsdann
rathsam/ diese vollends auch durch Obrigkeitliches verbot davon abzubringen/
wo es nun mehr weniger widerspruch und invidiam gibet/ als da man das
gantze werck erstlich durch einen solch en zwang heben wolte. Dieses alles wür-
de so viel besser etwa von statten gehen/ wo mein werther bruder bey einigen
seinen benachtbarten mitbrüdern erhalten solte/ daß sie es mit ihren gemein-
den auf gleiche weise versuchten/ welche zusammen setzung abermal ein
trefflicher vortheil wäre/ um desto leichter durch zu dringen. Nun der
HERR gebe auch hierinnen die wahre klugheit der gerechten/ die jenige
mittel und wege zu erfinden und zu ergreiffen/ die die nützlichste sind/ und
welche er zu segnen beschlossen hat.

SECTIO XI.
Von Sonntag-gäst-setzen.
Ob unter Christen das setzen der gäste in wirthshäusern den
Sonntag verboten werden möge und solle?

JCch vermeine in dieser frage nicht von nöthen zu seyn/ die allgemeine
frage/ ob die Sabbaths-feyer uns Christen noch in dem neuen
Testament verbinde, oder aber mit denen ceremonien des al-
ten Testaments aufgehaben seye/
zu erörtern: Sondern verhoffe/ daß
ich solches dieses orts sicher praesupponiren möge/ wie es auch längst von
unterschiedlichen so unseren Evangelischen als auch Reformirten lehrern
ausfündig gemacht/ sonderlich aber erst letzlich von Herrn D. Osiandro Pro-
fessore
zu Tübingen stattlich erwiesen ist worden. Vorausgesetzt dessen/ so
kan in meinem gewissen nichts anders befinden/ alsdaß die obgesetzte frage
mit ja zu beantworten seye: Welches aufs einfältigste folgender massen zu
erweisen ist. Alles dasjenige mag und soll des Sonntags verboten werden/
welches die heiligung desselben gerade aufhebt und umstosset. Nun aber
das setzen der gäste auf den Sonntag hebet die heiligung desselben auf/ und
stösset sie um/ so mag und soll es also verboten werden. Den ersten satz
wird niemand wol leugnen können. Dann so wir gestehen/ daß uns die
heiligung des Sabbaths verbinde aus göttlichen gebot/ wie wirs nicht wol
leugnen können/ so stecket in dem gebot der heiligung zu gleich mit das verbot
aller entheiligung/ und also alles desjenigen/ was solcher heiligung entge-
gen stehet. Und was denn nach göttlichem gebot verboten ist/ solches mögen
nicht nur allein geistliche und weltliche/ jeglicher nach seinem stand gemässer

art/

ARTIC. III. SECT. XI.
ſten und vornehmſten theil der gemeinde die freywillige abſtellung auf eine
ſolche freundliche art erlanget worden/ waͤre darnach zu gedencken/ ob alsdann
rathſam/ dieſe vollends auch durch Obrigkeitliches verbot davon abzubringen/
wo es nun mehr weniger widerſpruch und invidiam gibet/ als da man das
gantze werck erſtlich durch einen ſolch en zwang heben wolte. Dieſes alles wuͤr-
de ſo viel beſſer etwa von ſtatten gehen/ wo mein werther bruder bey einigen
ſeinen benachtbarten mitbruͤdern erhalten ſolte/ daß ſie es mit ihren gemein-
den auf gleiche weiſe verſuchten/ welche zuſammen ſetzung abermal ein
trefflicher vortheil waͤre/ um deſto leichter durch zu dringen. Nun der
HERR gebe auch hierinnen die wahre klugheit der gerechten/ die jenige
mittel und wege zu erfinden und zu ergreiffen/ die die nuͤtzlichſte ſind/ und
welche er zu ſegnen beſchloſſen hat.

SECTIO XI.
Von Sonntag-gaͤſt-ſetzen.
Ob unter Chriſten das ſetzen der gaͤſte in wirthshaͤuſern den
Sonntag verboten werden moͤge und ſolle?

JCch vermeine in dieſer frage nicht von noͤthen zu ſeyn/ die allgemeine
frage/ ob die Sabbaths-feyer uns Chriſten noch in dem neuen
Teſtament verbinde, oder aber mit denen ceremonien des al-
ten Teſtaments aufgehaben ſeye/
zu eroͤrtern: Sondern verhoffe/ daß
ich ſolches dieſes orts ſicher præſupponiren moͤge/ wie es auch laͤngſt von
unterſchiedlichen ſo unſeren Evangeliſchen als auch Reformirten lehrern
ausfuͤndig gemacht/ ſonderlich aber erſt letzlich von Herrn D. Oſiandro Pro-
feſſore
zu Tuͤbingen ſtattlich erwieſen iſt worden. Vorausgeſetzt deſſen/ ſo
kan in meinem gewiſſen nichts anders befinden/ alsdaß die obgeſetzte frage
mit ja zu beantworten ſeye: Welches aufs einfaͤltigſte folgender maſſen zu
erweiſen iſt. Alles dasjenige mag und ſoll des Sonntags verboten werden/
welches die heiligung deſſelben gerade aufhebt und umſtoſſet. Nun aber
das ſetzen der gaͤſte auf den Sonntag hebet die heiligung deſſelben auf/ und
ſtoͤſſet ſie um/ ſo mag und ſoll es alſo verboten werden. Den erſten ſatz
wird niemand wol leugnen koͤnnen. Dann ſo wir geſtehen/ daß uns die
heiligung des Sabbaths verbinde aus goͤttlichen gebot/ wie wirs nicht wol
leugnen koͤnnen/ ſo ſtecket in dem gebot der heiligung zu gleich mit das verbot
aller entheiligung/ und alſo alles desjenigen/ was ſolcher heiligung entge-
gen ſtehet. Und was denn nach goͤttlichem gebot verboten iſt/ ſolches moͤgen
nicht nur allein geiſtliche und weltliche/ jeglicher nach ſeinem ſtand gemaͤſſer

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[375/0387] ARTIC. III. SECT. XI. ſten und vornehmſten theil der gemeinde die freywillige abſtellung auf eine ſolche freundliche art erlanget worden/ waͤre darnach zu gedencken/ ob alsdann rathſam/ dieſe vollends auch durch Obrigkeitliches verbot davon abzubringen/ wo es nun mehr weniger widerſpruch und invidiam gibet/ als da man das gantze werck erſtlich durch einen ſolch en zwang heben wolte. Dieſes alles wuͤr- de ſo viel beſſer etwa von ſtatten gehen/ wo mein werther bruder bey einigen ſeinen benachtbarten mitbruͤdern erhalten ſolte/ daß ſie es mit ihren gemein- den auf gleiche weiſe verſuchten/ welche zuſammen ſetzung abermal ein trefflicher vortheil waͤre/ um deſto leichter durch zu dringen. Nun der HERR gebe auch hierinnen die wahre klugheit der gerechten/ die jenige mittel und wege zu erfinden und zu ergreiffen/ die die nuͤtzlichſte ſind/ und welche er zu ſegnen beſchloſſen hat. 1684. SECTIO XI. Von Sonntag-gaͤſt-ſetzen. Ob unter Chriſten das ſetzen der gaͤſte in wirthshaͤuſern den Sonntag verboten werden moͤge und ſolle? JCch vermeine in dieſer frage nicht von noͤthen zu ſeyn/ die allgemeine frage/ ob die Sabbaths-feyer uns Chriſten noch in dem neuen Teſtament verbinde, oder aber mit denen ceremonien des al- ten Teſtaments aufgehaben ſeye/ zu eroͤrtern: Sondern verhoffe/ daß ich ſolches dieſes orts ſicher præſupponiren moͤge/ wie es auch laͤngſt von unterſchiedlichen ſo unſeren Evangeliſchen als auch Reformirten lehrern ausfuͤndig gemacht/ ſonderlich aber erſt letzlich von Herrn D. Oſiandro Pro- feſſore zu Tuͤbingen ſtattlich erwieſen iſt worden. Vorausgeſetzt deſſen/ ſo kan in meinem gewiſſen nichts anders befinden/ alsdaß die obgeſetzte frage mit ja zu beantworten ſeye: Welches aufs einfaͤltigſte folgender maſſen zu erweiſen iſt. Alles dasjenige mag und ſoll des Sonntags verboten werden/ welches die heiligung deſſelben gerade aufhebt und umſtoſſet. Nun aber das ſetzen der gaͤſte auf den Sonntag hebet die heiligung deſſelben auf/ und ſtoͤſſet ſie um/ ſo mag und ſoll es alſo verboten werden. Den erſten ſatz wird niemand wol leugnen koͤnnen. Dann ſo wir geſtehen/ daß uns die heiligung des Sabbaths verbinde aus goͤttlichen gebot/ wie wirs nicht wol leugnen koͤnnen/ ſo ſtecket in dem gebot der heiligung zu gleich mit das verbot aller entheiligung/ und alſo alles desjenigen/ was ſolcher heiligung entge- gen ſtehet. Und was denn nach goͤttlichem gebot verboten iſt/ ſolches moͤgen nicht nur allein geiſtliche und weltliche/ jeglicher nach ſeinem ſtand gemaͤſſer art/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/387>, abgerufen am 25.11.2024.