Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. III. SECTIO VI.

Catholische und Apostolische Römische kirche für eine mutter und
meisterin aller anderer kirchen. Auch verspreche und schwere ich
wahren gehorsam dem Römischen Bischoff des heiligen Petri det
Aposteln fürsten nachkommen und unsers HErrn JESU CHristi
stadthaltern/ dergleichen alle andere stücke/ so von den heiligen ca-
nonen und allgemeinen concilien/ fürnemlich aber dem heiligen Tri-
entischen concilio aufgesetzt/ beschlossen und erkläret worden/ die-
selbe bekenne und nehme ich unzweiffelich an. Zugleich auch alle
widrige lehre/ irrthum und ketzerey/ so von gemeldter Catho-
lischer kirchen verdamt/ verworffen und verflucht seynd/ dieselbe
verdamme/ verwerffe und verfluche ich ebenmäßig. Wer bey die-
ser profession nur die augen aufthut/ siehet klar/ daß ihm keine freyheit
bleibe/ sondern daß er absolute unter den gehorsam und zwang sich gibet/ zu
glauben was jetzo die kirche glauben heisset/ und wo ihm einige dispensation
geschiehet/ ists nicht anders/ als daß man gedult mit ihm tragen wolle/
daß er eben diese oder jene lehr/ als zum exempel fegfeuer oder dergleichen/
nicht fassen könne/ insgemein aber muß er glauben/ es seye doch alles wahr
was die Römische kirche lehret/ und also die unter solchem gemeinen begrieff
mit enthaltene/ ob wol von ihm ausgenommene stücke/ die ja wahrhaftig
nicht ausgenommen werden können/ daß nicht damit der grund der Rö-
mischen lehr zugleich mit dahin fiele. Also ists mit sothaner ausnahm nichts
als ein spiegelfechten/ die leut damit zu fangen: Sind sie alsdann einmal
darinn/ so finden sie selbst/ wo sie anders nicht gantz tum sind/ was es vor
eine meinung damit gehabt: Also bleibts darbey/ daß sich einer/ der sich zu
der Römischen kirchen wissentlich begibt/ damit thätlich schuldig mache aller
deroselben irrthüme/ und vor dieselbige vor GOtt stehen muß/ das gleichwol
bey Reformirten/ Arminianern oder Mennonisten nicht geschicht/ sondern jeg-
lichen deroselben treffen allein die irrthume deren er selbst vor seine person zu-
gethan ist/ mit den übrigen hat er keine gemeinschafft. Welches einmal ei-
ne sache ist/ die die Römische kirche so viel gefährlicher als andere irrige kir-
chen machet. Sonderlich wann wir gedencken/ daß auch in der Römischen
kirchen ihr GOttes dienst so bewandt/ daß man nothwendig sich der abgötte-
rey mit theilhafftig machen muß/ welches abermal bey andern kirchen
nicht geschiehet. Dann was ist die Meß in dem Pabstum anders als ein rech-
ter zusammen-fluß vieler greuel/ da man mit anbetung der hostien und also
brods/ mit anruffung der heiligen/ vertrauen auf dero verdienst/ und anders
dergleichen/ sich der abgötterey mit theilhafftig machen muß/ und solches ist

doch

ARTIC. III. SECTIO VI.

Catholiſche und Apoſtoliſche Roͤmiſche kirche fuͤr eine mutter und
meiſterin aller anderer kirchen. Auch verſpreche und ſchwere ich
wahren gehorſam dem Roͤmiſchen Biſchoff des heiligen Petri det
Apoſteln fuͤrſten nachkommen und unſers HErrn JESU CHriſti
ſtadthaltern/ dergleichen alle andere ſtuͤcke/ ſo von den heiligen ca-
nonen und allgemeinen concilien/ fuͤrnemlich aber dem heiligen Tri-
entiſchen concilio aufgeſetzt/ beſchloſſen und erklaͤret worden/ die-
ſelbe bekenne und nehme ich unzweiffelich an. Zugleich auch alle
widrige lehre/ irrthum und ketzerey/ ſo von gemeldter Catho-
liſcher kirchen verdamt/ verworffen und verflucht ſeynd/ dieſelbe
verdamme/ verwerffe und verfluche ich ebenmaͤßig. Wer bey die-
ſer profeſſion nur die augen aufthut/ ſiehet klar/ daß ihm keine freyheit
bleibe/ ſondern daß er abſolutè unter den gehorſam und zwang ſich gibet/ zu
glauben was jetzo die kirche glauben heiſſet/ und wo ihm einige diſpenſation
geſchiehet/ iſts nicht anders/ als daß man gedult mit ihm tragen wolle/
daß er eben dieſe oder jene lehr/ als zum exempel fegfeuer oder dergleichen/
nicht faſſen koͤnne/ insgemein aber muß er glauben/ es ſeye doch alles wahr
was die Roͤmiſche kirche lehret/ und alſo die unter ſolchem gemeinen begrieff
mit enthaltene/ ob wol von ihm ausgenommene ſtuͤcke/ die ja wahrhaftig
nicht ausgenommen werden koͤnnen/ daß nicht damit der grund der Roͤ-
miſchen lehr zugleich mit dahin fiele. Alſo iſts mit ſothaner ausnahm nichts
als ein ſpiegelfechten/ die leut damit zu fangen: Sind ſie alsdann einmal
darinn/ ſo finden ſie ſelbſt/ wo ſie anders nicht gantz tum ſind/ was es vor
eine meinung damit gehabt: Alſo bleibts darbey/ daß ſich einer/ der ſich zu
der Roͤmiſchen kirchen wiſſentlich begibt/ damit thaͤtlich ſchuldig mache aller
deroſelben irrthuͤme/ und vor dieſelbige vor GOtt ſtehen muß/ das gleichwol
bey Reformirten/ Arminianern oder Mennoniſten nicht geſchicht/ ſondern jeg-
lichen deroſelben treffen allein die irrthume deren er ſelbſt vor ſeine perſon zu-
gethan iſt/ mit den uͤbrigen hat er keine gemeinſchafft. Welches einmal ei-
ne ſache iſt/ die die Roͤmiſche kirche ſo viel gefaͤhrlicher als andere irrige kir-
chen machet. Sonderlich wann wir gedencken/ daß auch in der Roͤmiſchen
kirchen ihr GOttes dienſt ſo bewandt/ daß man nothwendig ſich der abgoͤtte-
rey mit theilhafftig machen muß/ welches abermal bey andern kirchen
nicht geſchiehet. Dann was iſt die Meß in dem Pabſtum anders als ein rech-
ter zuſammen-fluß vieler greuel/ da man mit anbetung der hoſtien und alſo
brods/ mit anruffung der heiligen/ vertrauen auf dero verdienſt/ und anders
dergleichen/ ſich der abgoͤtterey mit theilhafftig machen muß/ und ſolches iſt

doch

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[359/0371] ARTIC. III. SECTIO VI. Catholiſche und Apoſtoliſche Roͤmiſche kirche fuͤr eine mutter und meiſterin aller anderer kirchen. Auch verſpreche und ſchwere ich wahren gehorſam dem Roͤmiſchen Biſchoff des heiligen Petri det Apoſteln fuͤrſten nachkommen und unſers HErrn JESU CHriſti ſtadthaltern/ dergleichen alle andere ſtuͤcke/ ſo von den heiligen ca- nonen und allgemeinen concilien/ fuͤrnemlich aber dem heiligen Tri- entiſchen concilio aufgeſetzt/ beſchloſſen und erklaͤret worden/ die- ſelbe bekenne und nehme ich unzweiffelich an. Zugleich auch alle widrige lehre/ irrthum und ketzerey/ ſo von gemeldter Catho- liſcher kirchen verdamt/ verworffen und verflucht ſeynd/ dieſelbe verdamme/ verwerffe und verfluche ich ebenmaͤßig. Wer bey die- ſer profeſſion nur die augen aufthut/ ſiehet klar/ daß ihm keine freyheit bleibe/ ſondern daß er abſolutè unter den gehorſam und zwang ſich gibet/ zu glauben was jetzo die kirche glauben heiſſet/ und wo ihm einige diſpenſation geſchiehet/ iſts nicht anders/ als daß man gedult mit ihm tragen wolle/ daß er eben dieſe oder jene lehr/ als zum exempel fegfeuer oder dergleichen/ nicht faſſen koͤnne/ insgemein aber muß er glauben/ es ſeye doch alles wahr was die Roͤmiſche kirche lehret/ und alſo die unter ſolchem gemeinen begrieff mit enthaltene/ ob wol von ihm ausgenommene ſtuͤcke/ die ja wahrhaftig nicht ausgenommen werden koͤnnen/ daß nicht damit der grund der Roͤ- miſchen lehr zugleich mit dahin fiele. Alſo iſts mit ſothaner ausnahm nichts als ein ſpiegelfechten/ die leut damit zu fangen: Sind ſie alsdann einmal darinn/ ſo finden ſie ſelbſt/ wo ſie anders nicht gantz tum ſind/ was es vor eine meinung damit gehabt: Alſo bleibts darbey/ daß ſich einer/ der ſich zu der Roͤmiſchen kirchen wiſſentlich begibt/ damit thaͤtlich ſchuldig mache aller deroſelben irrthuͤme/ und vor dieſelbige vor GOtt ſtehen muß/ das gleichwol bey Reformirten/ Arminianern oder Mennoniſten nicht geſchicht/ ſondern jeg- lichen deroſelben treffen allein die irrthume deren er ſelbſt vor ſeine perſon zu- gethan iſt/ mit den uͤbrigen hat er keine gemeinſchafft. Welches einmal ei- ne ſache iſt/ die die Roͤmiſche kirche ſo viel gefaͤhrlicher als andere irrige kir- chen machet. Sonderlich wann wir gedencken/ daß auch in der Roͤmiſchen kirchen ihr GOttes dienſt ſo bewandt/ daß man nothwendig ſich der abgoͤtte- rey mit theilhafftig machen muß/ welches abermal bey andern kirchen nicht geſchiehet. Dann was iſt die Meß in dem Pabſtum anders als ein rech- ter zuſammen-fluß vieler greuel/ da man mit anbetung der hoſtien und alſo brods/ mit anruffung der heiligen/ vertrauen auf dero verdienſt/ und anders dergleichen/ ſich der abgoͤtterey mit theilhafftig machen muß/ und ſolches iſt doch

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Zitationshilfe:	Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/371>, abgerufen am 22.11.2024.

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