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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
mag das ministerium ohngefragt andere dasjenige verrichten/ was seines
amts/ und wie von GOtt also auch der kirchen überlassen ist. Wo es aber
auf die dinge kommt/ welche nicht nur diesen oder jenen angehen/ sondern die
kirche insgemein/ wegen daraus müglichen ärgernüsses/ betreffen/ oder auch
da die person/ gegen welche der schlüssel zu brauchen wäre/ sich mit unrecht
gravirt zu werden beschweren möchte/ da hat sich nun die kirche selbs der sache
wieder anzunehmen/ und acht zu geben/ daß das ihr anvertraute auch recht
administriret werde. Jn solchem fall stehet alsdenn die cognitio causae
nicht mehr allein bey den predigern/ sondern bey der gantzen kirche/ und hat
sie/ nachdem ihre verfassung ist/ selbs oder durch ihre verordnete/ das urtheil
zu sprechen/ wie mit den schlüsseln zu verfahren seye. Damit wird doch dem
predigamt nicht eingegriffen/ als welches/ nicht aber jemand anders/ gleich-
wol nach solchem ausspruch die schlüssel gebraucht/ und alsdann sein amt thut/
obwol nicht nach eigenem gutbefinden/ jedoch nach dem von der kirche/ was
sie in diesem fall göttlicher ordnung und ihrer erbauung das gemässeste be-
funden/ geurtheilet worden.

§. 16. Damit fället auch der andere einwurf/ weil die sacramenten
zu administriren dem predigamt befohlen: Dann solches wird auch gestan-
den/ aber die folge nicht zugelassen/ daß deswegen das urtheil/ wem die
sacramenten gebühren/ in den fällen/ da es streit gibet/ dem predigamt al-
lein gebühre. Diesem stehet entgegen die grosse gefahr der kirchen/ da sie
einiger weniger personen erkäntnüß bloß dahin unterworffen wäre/ und
bey diesen stünde/ wen sie vor ein glied der gemeinde (da ein jegliches glied/
als lang es ein solches ist/ recht zu allen der kirchen gemeinen gütern hat/
daher ihm keines von diesen bloß dahin versaget werden kan/ man schneide
es denn damit zugleich von dem leibe ab) erkennen wolten oder nicht: jenes
hingegen/ daß die administration der sacramenten an sich selbs gewissen
personen anvertrauet werde/ erfordert die ordnung in der kirchen/ und bey-
des bringt die göttliche verordnung mit sich/ daher beyde einander nicht
entgegen stehen können/ noch eines das andere aufheben solle/ die gewalt
nemlich der kirchen insgesamt und die verwaltung des predigamts. Wir
haben dergleichen ein exempel an der predigt des Evangelii selbst/ welche wir
ja unzweiffendlich dem ministerio nach GOttes ordnung zuschreiben/ und
nicht dulten solten/ wo jemand deroselben öffentlichen verichtung eingriff
thun wolte. Jndessen ist wiederum unleugbar/ daß das urtheil/ ob diese
oder jene lehr dem göttlichen wort gemäß seye oder nicht/ und als ob sie in der
gemeinde zu dulten und zu hören/ oder zu verwerffen oder zu verbieten seye/
nicht bey dem stand der prediger allein stehe/ sondern nach unserer allgemeinen
Evangelischen lehr der gantzen gemeinde gebühre/ und also diese darüber in

ihrer

Das ſiebende Capitel.
mag das miniſterium ohngefragt andere dasjenige verrichten/ was ſeines
amts/ und wie von GOtt alſo auch der kirchen uͤberlaſſen iſt. Wo es aber
auf die dinge kommt/ welche nicht nur dieſen oder jenen angehen/ ſondern die
kirche insgemein/ wegen daraus muͤglichen aͤrgernuͤſſes/ betreffen/ oder auch
da die perſon/ gegen welche der ſchluͤſſel zu brauchen waͤre/ ſich mit unrecht
gravirt zu werden beſchweren moͤchte/ da hat ſich nun die kirche ſelbs der ſache
wieder anzunehmen/ und acht zu geben/ daß das ihr anvertraute auch recht
adminiſtriret werde. Jn ſolchem fall ſtehet alsdenn die cognitio cauſæ
nicht mehr allein bey den predigern/ ſondern bey der gantzen kirche/ und hat
ſie/ nachdem ihre verfaſſung iſt/ ſelbs oder durch ihre verordnete/ das urtheil
zu ſprechen/ wie mit den ſchluͤſſeln zu verfahren ſeye. Damit wird doch dem
predigamt nicht eingegriffen/ als welches/ nicht aber jemand anders/ gleich-
wol nach ſolchem ausſpruch die ſchluͤſſel gebraucht/ und alsdann ſein amt thut/
obwol nicht nach eigenem gutbefinden/ jedoch nach dem von der kirche/ was
ſie in dieſem fall goͤttlicher ordnung und ihrer erbauung das gemaͤſſeſte be-
funden/ geurtheilet worden.

§. 16. Damit faͤllet auch der andere einwurf/ weil die ſacramenten
zu adminiſtriren dem predigamt befohlen: Dann ſolches wird auch geſtan-
den/ aber die folge nicht zugelaſſen/ daß deswegen das urtheil/ wem die
ſacramenten gebuͤhren/ in den faͤllen/ da es ſtreit gibet/ dem predigamt al-
lein gebuͤhre. Dieſem ſtehet entgegen die groſſe gefahr der kirchen/ da ſie
einiger weniger perſonen erkaͤntnuͤß bloß dahin unterworffen waͤre/ und
bey dieſen ſtuͤnde/ wen ſie vor ein glied der gemeinde (da ein jegliches glied/
als lang es ein ſolches iſt/ recht zu allen der kirchen gemeinen guͤtern hat/
daher ihm keines von dieſen bloß dahin verſaget werden kan/ man ſchneide
es denn damit zugleich von dem leibe ab) erkennen wolten oder nicht: jenes
hingegen/ daß die adminiſtration der ſacramenten an ſich ſelbs gewiſſen
perſonen anvertrauet werde/ erfordert die ordnung in der kirchen/ und bey-
des bringt die goͤttliche verordnung mit ſich/ daher beyde einander nicht
entgegen ſtehen koͤnnen/ noch eines das andere aufheben ſolle/ die gewalt
nemlich der kirchen insgeſamt und die verwaltung des predigamts. Wir
haben dergleichen ein exempel an der predigt des Evangelii ſelbſt/ welche wir
ja unzweiffendlich dem miniſterio nach GOttes ordnung zuſchreiben/ und
nicht dulten ſolten/ wo jemand deroſelben oͤffentlichen verichtung eingriff
thun wolte. Jndeſſen iſt wiederum unleugbar/ daß das urtheil/ ob dieſe
oder jene lehr dem goͤttlichen wort gemaͤß ſeye oder nicht/ und als ob ſie in der
gemeinde zu dulten und zu hoͤren/ oder zu verwerffen oder zu verbieten ſeye/
nicht bey dem ſtand der prediger allein ſtehe/ ſondern nach unſerer allgemeinen
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[290/0302] Das ſiebende Capitel. mag das miniſterium ohngefragt andere dasjenige verrichten/ was ſeines amts/ und wie von GOtt alſo auch der kirchen uͤberlaſſen iſt. Wo es aber auf die dinge kommt/ welche nicht nur dieſen oder jenen angehen/ ſondern die kirche insgemein/ wegen daraus muͤglichen aͤrgernuͤſſes/ betreffen/ oder auch da die perſon/ gegen welche der ſchluͤſſel zu brauchen waͤre/ ſich mit unrecht gravirt zu werden beſchweren moͤchte/ da hat ſich nun die kirche ſelbs der ſache wieder anzunehmen/ und acht zu geben/ daß das ihr anvertraute auch recht adminiſtriret werde. Jn ſolchem fall ſtehet alsdenn die cognitio cauſæ nicht mehr allein bey den predigern/ ſondern bey der gantzen kirche/ und hat ſie/ nachdem ihre verfaſſung iſt/ ſelbs oder durch ihre verordnete/ das urtheil zu ſprechen/ wie mit den ſchluͤſſeln zu verfahren ſeye. Damit wird doch dem predigamt nicht eingegriffen/ als welches/ nicht aber jemand anders/ gleich- wol nach ſolchem ausſpruch die ſchluͤſſel gebraucht/ und alsdann ſein amt thut/ obwol nicht nach eigenem gutbefinden/ jedoch nach dem von der kirche/ was ſie in dieſem fall goͤttlicher ordnung und ihrer erbauung das gemaͤſſeſte be- funden/ geurtheilet worden. §. 16. Damit faͤllet auch der andere einwurf/ weil die ſacramenten zu adminiſtriren dem predigamt befohlen: Dann ſolches wird auch geſtan- den/ aber die folge nicht zugelaſſen/ daß deswegen das urtheil/ wem die ſacramenten gebuͤhren/ in den faͤllen/ da es ſtreit gibet/ dem predigamt al- lein gebuͤhre. Dieſem ſtehet entgegen die groſſe gefahr der kirchen/ da ſie einiger weniger perſonen erkaͤntnuͤß bloß dahin unterworffen waͤre/ und bey dieſen ſtuͤnde/ wen ſie vor ein glied der gemeinde (da ein jegliches glied/ als lang es ein ſolches iſt/ recht zu allen der kirchen gemeinen guͤtern hat/ daher ihm keines von dieſen bloß dahin verſaget werden kan/ man ſchneide es denn damit zugleich von dem leibe ab) erkennen wolten oder nicht: jenes hingegen/ daß die adminiſtration der ſacramenten an ſich ſelbs gewiſſen perſonen anvertrauet werde/ erfordert die ordnung in der kirchen/ und bey- des bringt die goͤttliche verordnung mit ſich/ daher beyde einander nicht entgegen ſtehen koͤnnen/ noch eines das andere aufheben ſolle/ die gewalt nemlich der kirchen insgeſamt und die verwaltung des predigamts. Wir haben dergleichen ein exempel an der predigt des Evangelii ſelbſt/ welche wir ja unzweiffendlich dem miniſterio nach GOttes ordnung zuſchreiben/ und nicht dulten ſolten/ wo jemand deroſelben oͤffentlichen verichtung eingriff thun wolte. Jndeſſen iſt wiederum unleugbar/ daß das urtheil/ ob dieſe oder jene lehr dem goͤttlichen wort gemaͤß ſeye oder nicht/ und als ob ſie in der gemeinde zu dulten und zu hoͤren/ oder zu verwerffen oder zu verbieten ſeye/ nicht bey dem ſtand der prediger allein ſtehe/ ſondern nach unſerer allgemeinen Evangeliſchen lehr der gantzen gemeinde gebuͤhre/ und alſo dieſe daruͤber in ihrer

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/302>, abgerufen am 22.11.2024.