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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
wol aus der andern fliesset: Wird also anfangs gefragt: Ob die beyde
Consules mit deme/ was sie in der kirchen sich unterstanden zu thun/ etwas
straffbares und unrechts begangen haben? Hierauf können wir nicht an-
ders als mit ja antworten. Und haben dessen folgende ursachen. 1. Jst es
eine neuerung. Nun ists mit allen neuerungen in der kirchen GOTTes so
beschaffen/ daß dieselben/ wo sie auch zu dem guten und einführung etwas
bessers geschehen/ gleichwol bedächtlich vorzunehmen sind/ damit nicht an
statt des verhofften guten um der neurigkeit willen vielmehr anstoß und är-
gernüß erfolge/ wo solche einführung nicht mit gnugsamer vorsichtigkeit an-
gestellet wird. Etwas böses aber aufs neue einzuführen/ ist nicht nur vor
sich unrecht/ sondern noch viel schwerer/ als dasjenige böse/ so man zu wei-
len/ nachdem es veraltet/ nicht mehr abzuschaffen ohne noch gefährlichere
consequenzen vermag/ und es daher noch mit seufftzen leiden muß/ bis
GOTT mittel und wege zeiget/ solches auszuräumen. Dann so vielmehr
etwas erst neu einführen des unrecht iederman in die augen leuchtet/ so viel-
mehr schadet auch solch ärgernüß gegen andern/ deren man etwa eine weil
schon gewohnen müssen. Was aber etwas gantz indifferentes ist/ daraus
weder nutzen noch schaden vor sich selbst zu erwarten wäre/ ist eben schon be-
reits deswegen einzuführen unrecht/ wo man sihet/ daß sich jemand daran
stossen würde/ weil wir ohne ursach und mercklichen nutzen (welcher grösser
als dasjenige so daraus entstehen möchte) dem nechsten auch nicht nur gele-
genheit geben sollen/ daran er sich etwa stossen könte. Wann es dann der-
massen mit allen neuerungen beschaffen/ so sehen wir nicht/ wie diese action
anders als sündlich und unrecht angesehen werden mag. Ob nun praetendi-
r
et werden möchte/ daß es eine neuerung seye/ die zu einem der kirchen an sich
selbs guten und dero besserung suchenden zweck angesehen wäre/ können wir
uns dergleichen nicht einbilden. So ists also eine einführung eines dings/ so
entweder an sich böse oder doch aufs äusserste als an sich selbs indifferent,
angesehen werden mag. Welches aber unter beyden erwehlet wird/ machet
die that schon straffbar und unrecht: Dann wo auch dieses letzte ergriffen
wird/ so hat eine solche sache/ dazu weder noth noch mehrer nutzen der kirchen
getrleben/ wol aber anderer anstoß daher vorgesehen werden können/ nicht
mögen ohne sünde eingeführet werden.
2. Wo wir die sache selbs ansehen/ so finden wir/ daß es in der that ei-
ne solche weltlichkeit seye/ welche recht mit diesem namen nachmal har ge-
nennet und bestraffet werden mögen. Es ist eine sache/ die nach der welt
schmecket/ da wir gleichwol mit allem fleiß alle weltformigkeit aus der kir-
chen/ so viel müglich/ ausschaffen sollen. Wir wissen/ daß vor GOtt und
in CHristo kein unterscheid seye unter den menschen/ kein knecht noch freyer/
Gal.
Das ſiebende Capitel.
wol aus der andern flieſſet: Wird alſo anfangs gefragt: Ob die beyde
Conſules mit deme/ was ſie in der kirchen ſich unterſtanden zu thun/ etwas
ſtraffbares und unrechts begangen haben? Hierauf koͤnnen wir nicht an-
ders als mit ja antworten. Und haben deſſen folgende urſachen. 1. Jſt es
eine neuerung. Nun iſts mit allen neuerungen in der kirchen GOTTes ſo
beſchaffen/ daß dieſelben/ wo ſie auch zu dem guten und einfuͤhrung etwas
beſſers geſchehen/ gleichwol bedaͤchtlich vorzunehmen ſind/ damit nicht an
ſtatt des verhofften guten um der neurigkeit willen vielmehr anſtoß und aͤr-
gernuͤß erfolge/ wo ſolche einfuͤhrung nicht mit gnugſamer vorſichtigkeit an-
geſtellet wird. Etwas boͤſes aber aufs neue einzufuͤhren/ iſt nicht nur vor
ſich unrecht/ ſondern noch viel ſchwerer/ als dasjenige boͤſe/ ſo man zu wei-
len/ nachdem es veraltet/ nicht mehr abzuſchaffen ohne noch gefaͤhrlichere
conſequenzen vermag/ und es daher noch mit ſeufftzen leiden muß/ bis
GOTT mittel und wege zeiget/ ſolches auszuraͤumen. Dann ſo vielmehr
etwas erſt neu einfuͤhren des unrecht iederman in die augen leuchtet/ ſo viel-
mehr ſchadet auch ſolch aͤrgernuͤß gegen andern/ deren man etwa eine weil
ſchon gewohnen muͤſſen. Was aber etwas gantz indifferentes iſt/ daraus
weder nutzen noch ſchaden vor ſich ſelbſt zu erwarten waͤre/ iſt eben ſchon be-
reits deswegen einzufuͤhren unrecht/ wo man ſihet/ daß ſich jemand daran
ſtoſſen wuͤrde/ weil wir ohne urſach und mercklichen nutzen (welcher groͤſſer
als dasjenige ſo daraus entſtehen moͤchte) dem nechſten auch nicht nur gele-
genheit geben ſollen/ daran er ſich etwa ſtoſſen koͤnte. Wann es dann der-
maſſen mit allen neuerungen beſchaffen/ ſo ſehen wir nicht/ wie dieſe action
anders als ſuͤndlich und unrecht angeſehen werden mag. Ob nun prætendi-
r
et werden moͤchte/ daß es eine neuerung ſeye/ die zu einem der kirchen an ſich
ſelbs guten und dero beſſerung ſuchenden zweck angeſehen waͤre/ koͤnnen wir
uns dergleichen nicht einbilden. So iſts alſo eine einfuͤhrung eines dings/ ſo
entweder an ſich boͤſe oder doch aufs aͤuſſerſte als an ſich ſelbs indifferent,
angeſehen werden mag. Welches aber unter beyden erwehlet wird/ machet
die that ſchon ſtraffbar und unrecht: Dann wo auch dieſes letzte ergriffen
wird/ ſo hat eine ſolche ſache/ dazu weder noth noch mehrer nutzen der kirchen
getrleben/ wol aber anderer anſtoß daher vorgeſehen werden koͤnnen/ nicht
moͤgen ohne ſuͤnde eingefuͤhret werden.
2. Wo wir die ſache ſelbs anſehen/ ſo finden wir/ daß es in der that ei-
ne ſolche weltlichkeit ſeye/ welche recht mit dieſem namen nachmal har ge-
nennet und beſtraffet werden moͤgen. Es iſt eine ſache/ die nach der welt
ſchmecket/ da wir gleichwol mit allem fleiß alle weltformigkeit aus der kir-
chen/ ſo viel muͤglich/ ausſchaffen ſollen. Wir wiſſen/ daß vor GOtt und
in CHriſto kein unterſcheid ſeye unter den menſchen/ kein knecht noch freyer/
Gal.
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[240/0252] Das ſiebende Capitel. wol aus der andern flieſſet: Wird alſo anfangs gefragt: Ob die beyde Conſules mit deme/ was ſie in der kirchen ſich unterſtanden zu thun/ etwas ſtraffbares und unrechts begangen haben? Hierauf koͤnnen wir nicht an- ders als mit ja antworten. Und haben deſſen folgende urſachen. 1. Jſt es eine neuerung. Nun iſts mit allen neuerungen in der kirchen GOTTes ſo beſchaffen/ daß dieſelben/ wo ſie auch zu dem guten und einfuͤhrung etwas beſſers geſchehen/ gleichwol bedaͤchtlich vorzunehmen ſind/ damit nicht an ſtatt des verhofften guten um der neurigkeit willen vielmehr anſtoß und aͤr- gernuͤß erfolge/ wo ſolche einfuͤhrung nicht mit gnugſamer vorſichtigkeit an- geſtellet wird. Etwas boͤſes aber aufs neue einzufuͤhren/ iſt nicht nur vor ſich unrecht/ ſondern noch viel ſchwerer/ als dasjenige boͤſe/ ſo man zu wei- len/ nachdem es veraltet/ nicht mehr abzuſchaffen ohne noch gefaͤhrlichere conſequenzen vermag/ und es daher noch mit ſeufftzen leiden muß/ bis GOTT mittel und wege zeiget/ ſolches auszuraͤumen. Dann ſo vielmehr etwas erſt neu einfuͤhren des unrecht iederman in die augen leuchtet/ ſo viel- mehr ſchadet auch ſolch aͤrgernuͤß gegen andern/ deren man etwa eine weil ſchon gewohnen muͤſſen. Was aber etwas gantz indifferentes iſt/ daraus weder nutzen noch ſchaden vor ſich ſelbſt zu erwarten waͤre/ iſt eben ſchon be- reits deswegen einzufuͤhren unrecht/ wo man ſihet/ daß ſich jemand daran ſtoſſen wuͤrde/ weil wir ohne urſach und mercklichen nutzen (welcher groͤſſer als dasjenige ſo daraus entſtehen moͤchte) dem nechſten auch nicht nur gele- genheit geben ſollen/ daran er ſich etwa ſtoſſen koͤnte. Wann es dann der- maſſen mit allen neuerungen beſchaffen/ ſo ſehen wir nicht/ wie dieſe action anders als ſuͤndlich und unrecht angeſehen werden mag. Ob nun prætendi- ret werden moͤchte/ daß es eine neuerung ſeye/ die zu einem der kirchen an ſich ſelbs guten und dero beſſerung ſuchenden zweck angeſehen waͤre/ koͤnnen wir uns dergleichen nicht einbilden. So iſts alſo eine einfuͤhrung eines dings/ ſo entweder an ſich boͤſe oder doch aufs aͤuſſerſte als an ſich ſelbs indifferent, angeſehen werden mag. Welches aber unter beyden erwehlet wird/ machet die that ſchon ſtraffbar und unrecht: Dann wo auch dieſes letzte ergriffen wird/ ſo hat eine ſolche ſache/ dazu weder noth noch mehrer nutzen der kirchen getrleben/ wol aber anderer anſtoß daher vorgeſehen werden koͤnnen/ nicht moͤgen ohne ſuͤnde eingefuͤhret werden. 2. Wo wir die ſache ſelbs anſehen/ ſo finden wir/ daß es in der that ei- ne ſolche weltlichkeit ſeye/ welche recht mit dieſem namen nachmal har ge- nennet und beſtraffet werden moͤgen. Es iſt eine ſache/ die nach der welt ſchmecket/ da wir gleichwol mit allem fleiß alle weltformigkeit aus der kir- chen/ ſo viel muͤglich/ ausſchaffen ſollen. Wir wiſſen/ daß vor GOtt und in CHriſto kein unterſcheid ſeye unter den menſchen/ kein knecht noch freyer/ Gal.

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/252>, abgerufen am 25.11.2024.