Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

Bild:
<< vorherige Seite
Das siebende Capitel.

HJerauf in der furcht des HERRN zu antworten, achte offenbar
gnug zu seyn, daß kein gespenst sondern allerdings lauter betrug ge-
wesen seye. 1. Jst zwar kein gnugsamer grund solches zu erweisen,
aber konte doch bald eine sorge machen, und bestärckt die übrige indicia so
vielmehr, der leute kümmerlicher zustand, über den und daß ihnen die ver-
sprochene freyheit auf das hauß nicht gehalten würde, die eltern geklaget:
Daher sie vermuthlich dergleichen vor ein mittel mögen gehoffet haben,
nicht nur almosen zu bekommen, die sie auch von der Fr. Gräfin genommen,
sondern auch aus erbarmen ihres unglücks die freyheit ihres hauses zu er-
langen. 2. Jst nichts geschehen, oder wird vorhin, ehe der betrug anfieng
sich zu eussern, geschehen zu seyn vorgegeben, das nothwendig ein gespenst
erfordert hätte, in dem die leute nichts als über das kratzen geklaget. 3.
Hat das kratzen so bald jedesmal aufgehöret, als das mägdlein sein la-
ger ändern und die hände frey zeigen müssen. Auch 4. ihr kratzen dem vermein-
ten kratzen des gespenstes gleich gelautet. 5. Sie selbs wie sie es gemacht ge-
wiesen. 6. Nicht nur ein sondern mehrmal den betrug auch in gegenwart
der eltern, so bald sie durch die furcht der straff nicht zurück gehalten worden,
gestanden. 7. So dann die eltern, wo man mit ernst an sie gesetzt, und sie
keine ausflucht gesehen, gleichfals solches bekannt. Sonderlich 8. der va-
ter die communion nach solcher bekäntnüs, zu dero er mit betrohung, wo
er die warheit nicht sagen würde, unwürdiger niessung beweget worden,
empfangen, und damit in gewisser maaß seine aussage bestätiget. 9. Zu wel-
chem allem die vielfältigen variationen der leute unter sich, und wiederum
eines jeden selbs, wo seine unterschiedliche depositiones gegen einander
gehalten worden, kommen, und also das vorgeben des gespenstes (so ohne
das albern genug lautet) nicht nur verdächtig gemacht, sondern dessen falsch-
heit dargestellet haben. So gar daß fast zu zweiffeln seyn solte, ob ein ver-
ständiger mann, dem alle diese umstände vorgestellet worden, den betrug
in der sache zu erkennen, anstehen möge. Der punct des abendmahls muß
zu der andern frage ausgesetzet werden, und gründet sich auf derselben be-
antwortung.

Die andere frage.
Ob nicht zu schliessen, daß das mägdgen vor sich allein derglei-
chen schwerlich erdichtet, sondern ihre eltern zu hülffe gehabt
habe, zumal sie auch solches gestanden.

DJeses zu schliessen gibt nicht nur vermuthung des mägdgens gerin-
ges alter von 9. jahren, sondern festen grund, weil sein betrug so
handgreifflich war, daß die eltern, wo sie auch gantz dumm wären,

den-
Das ſiebende Capitel.

HJerauf in der furcht des HERRN zu antworten, achte offenbar
gnug zu ſeyn, daß kein geſpenſt ſondern allerdings lauter betrug ge-
weſen ſeye. 1. Jſt zwar kein gnugſamer grund ſolches zu erweiſen,
aber konte doch bald eine ſorge machen, und beſtaͤrckt die uͤbrige indicia ſo
vielmehr, der leute kuͤmmerlicher zuſtand, uͤber den und daß ihnen die ver-
ſprochene freyheit auf das hauß nicht gehalten wuͤrde, die eltern geklaget:
Daher ſie vermuthlich dergleichen vor ein mittel moͤgen gehoffet haben,
nicht nur almoſen zu bekommen, die ſie auch von der Fr. Graͤfin genommen,
ſondern auch aus erbarmen ihres ungluͤcks die freyheit ihres hauſes zu er-
langen. 2. Jſt nichts geſchehen, oder wird vorhin, ehe der betrug anfieng
ſich zu euſſern, geſchehen zu ſeyn vorgegeben, das nothwendig ein geſpenſt
erfordert haͤtte, in dem die leute nichts als uͤber das kratzen geklaget. 3.
Hat das kratzen ſo bald jedesmal aufgehoͤret, als das maͤgdlein ſein la-
ger aͤndern und die haͤnde frey zeigen muͤſſen. Auch 4. ihr kratzen dem vermein-
ten kratzen des geſpenſtes gleich gelautet. 5. Sie ſelbs wie ſie es gemacht ge-
wieſen. 6. Nicht nur ein ſondern mehrmal den betrug auch in gegenwart
der eltern, ſo bald ſie durch die furcht der ſtraff nicht zuruͤck gehalten worden,
geſtanden. 7. So dann die eltern, wo man mit ernſt an ſie geſetzt, und ſie
keine ausflucht geſehen, gleichfals ſolches bekannt. Sonderlich 8. der va-
ter die communion nach ſolcher bekaͤntnuͤs, zu dero er mit betrohung, wo
er die warheit nicht ſagen wuͤrde, unwuͤrdiger nieſſung beweget worden,
empfangen, und damit in gewiſſer maaß ſeine auſſage beſtaͤtiget. 9. Zu wel-
chem allem die vielfaͤltigen variationen der leute unter ſich, und wiederum
eines jeden ſelbs, wo ſeine unterſchiedliche depoſitiones gegen einander
gehalten worden, kommen, und alſo das vorgeben des geſpenſtes (ſo ohne
das albern genug lautet) nicht nur verdaͤchtig gemacht, ſondern deſſen falſch-
heit dargeſtellet haben. So gar daß faſt zu zweiffeln ſeyn ſolte, ob ein ver-
ſtaͤndiger mann, dem alle dieſe umſtaͤnde vorgeſtellet worden, den betrug
in der ſache zu erkennen, anſtehen moͤge. Der punct des abendmahls muß
zu der andern frage ausgeſetzet werden, und gruͤndet ſich auf derſelben be-
antwortung.

Die andere frage.
Ob nicht zu ſchlieſſen, daß das maͤgdgen vor ſich allein derglei-
chen ſchwerlich erdichtet, ſondern ihre eltern zu huͤlffe gehabt
habe, zumal ſie auch ſolches geſtanden.

DJeſes zu ſchlieſſen gibt nicht nur vermuthung des maͤgdgens gerin-
ges alter von 9. jahren, ſondern feſten grund, weil ſein betrug ſo
handgreifflich war, daß die eltern, wo ſie auch gantz dumm waͤren,

den-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0182" n="170"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das &#x017F;iebende Capitel.</hi> </fw><lb/>
              <p><hi rendition="#in">H</hi>Jerauf in der furcht des HERRN zu antworten, achte offenbar<lb/>
gnug zu &#x017F;eyn, daß kein ge&#x017F;pen&#x017F;t &#x017F;ondern allerdings lauter betrug ge-<lb/>
we&#x017F;en &#x017F;eye. 1. J&#x017F;t zwar kein gnug&#x017F;amer grund &#x017F;olches zu erwei&#x017F;en,<lb/>
aber konte doch bald eine &#x017F;orge machen, und be&#x017F;ta&#x0364;rckt die u&#x0364;brige <hi rendition="#aq">indicia</hi> &#x017F;o<lb/>
vielmehr, der leute ku&#x0364;mmerlicher zu&#x017F;tand, u&#x0364;ber den und daß ihnen die ver-<lb/>
&#x017F;prochene freyheit auf das hauß nicht gehalten wu&#x0364;rde, die eltern geklaget:<lb/>
Daher &#x017F;ie vermuthlich dergleichen vor ein mittel mo&#x0364;gen gehoffet haben,<lb/>
nicht nur almo&#x017F;en zu bekommen, die &#x017F;ie auch von der Fr. Gra&#x0364;fin genommen,<lb/>
&#x017F;ondern auch aus erbarmen ihres unglu&#x0364;cks die freyheit ihres hau&#x017F;es zu er-<lb/>
langen. 2. J&#x017F;t nichts ge&#x017F;chehen, oder wird vorhin, ehe der betrug anfieng<lb/>
&#x017F;ich zu eu&#x017F;&#x017F;ern, ge&#x017F;chehen zu &#x017F;eyn vorgegeben, das nothwendig ein ge&#x017F;pen&#x017F;t<lb/>
erfordert ha&#x0364;tte, in dem die leute nichts als u&#x0364;ber das kratzen geklaget. 3.<lb/>
Hat das kratzen &#x017F;o bald jedesmal aufgeho&#x0364;ret, als das ma&#x0364;gdlein &#x017F;ein la-<lb/>
ger a&#x0364;ndern und die ha&#x0364;nde frey zeigen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Auch 4. ihr kratzen dem vermein-<lb/>
ten kratzen des ge&#x017F;pen&#x017F;tes gleich gelautet. 5. Sie &#x017F;elbs wie &#x017F;ie es gemacht ge-<lb/>
wie&#x017F;en. 6. Nicht nur ein &#x017F;ondern mehrmal den betrug auch in gegenwart<lb/>
der eltern, &#x017F;o bald &#x017F;ie durch die furcht der &#x017F;traff nicht zuru&#x0364;ck gehalten worden,<lb/>
ge&#x017F;tanden. 7. So dann die eltern, wo man mit ern&#x017F;t an &#x017F;ie ge&#x017F;etzt, und &#x017F;ie<lb/>
keine ausflucht ge&#x017F;ehen, gleichfals &#x017F;olches bekannt. Sonderlich 8. der va-<lb/>
ter die <hi rendition="#aq">communion</hi> nach &#x017F;olcher beka&#x0364;ntnu&#x0364;s, zu dero er mit betrohung, wo<lb/>
er die warheit nicht &#x017F;agen wu&#x0364;rde, unwu&#x0364;rdiger nie&#x017F;&#x017F;ung beweget worden,<lb/>
empfangen, und damit in gewi&#x017F;&#x017F;er maaß &#x017F;eine au&#x017F;&#x017F;age be&#x017F;ta&#x0364;tiget. 9. Zu wel-<lb/>
chem allem die vielfa&#x0364;ltigen <hi rendition="#aq">variation</hi>en der leute unter &#x017F;ich, und wiederum<lb/>
eines jeden &#x017F;elbs, wo &#x017F;eine unter&#x017F;chiedliche <hi rendition="#aq">depo&#x017F;itiones</hi> gegen einander<lb/>
gehalten worden, kommen, und al&#x017F;o das vorgeben des ge&#x017F;pen&#x017F;tes (&#x017F;o ohne<lb/>
das albern genug lautet) nicht nur verda&#x0364;chtig gemacht, &#x017F;ondern de&#x017F;&#x017F;en fal&#x017F;ch-<lb/>
heit darge&#x017F;tellet haben. So gar daß fa&#x017F;t zu zweiffeln &#x017F;eyn &#x017F;olte, ob ein ver-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndiger mann, dem alle die&#x017F;e um&#x017F;ta&#x0364;nde vorge&#x017F;tellet worden, den betrug<lb/>
in der &#x017F;ache zu erkennen, an&#x017F;tehen mo&#x0364;ge. Der punct des abendmahls muß<lb/>
zu der andern frage ausge&#x017F;etzet werden, und gru&#x0364;ndet &#x017F;ich auf der&#x017F;elben be-<lb/>
antwortung.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Die andere frage.</hi><lb/> <hi rendition="#fr">Ob nicht zu &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en, daß das ma&#x0364;gdgen vor &#x017F;ich allein derglei-<lb/>
chen &#x017F;chwerlich erdichtet, &#x017F;ondern ihre eltern zu hu&#x0364;lffe gehabt<lb/>
habe, zumal &#x017F;ie auch &#x017F;olches ge&#x017F;tanden.</hi> </head><lb/>
              <p><hi rendition="#in">D</hi>Je&#x017F;es zu &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en gibt nicht nur vermuthung des ma&#x0364;gdgens gerin-<lb/>
ges alter von 9. jahren, &#x017F;ondern fe&#x017F;ten grund, weil &#x017F;ein betrug &#x017F;o<lb/>
handgreifflich war, daß die eltern, wo &#x017F;ie auch gantz dumm wa&#x0364;ren,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0182] Das ſiebende Capitel. HJerauf in der furcht des HERRN zu antworten, achte offenbar gnug zu ſeyn, daß kein geſpenſt ſondern allerdings lauter betrug ge- weſen ſeye. 1. Jſt zwar kein gnugſamer grund ſolches zu erweiſen, aber konte doch bald eine ſorge machen, und beſtaͤrckt die uͤbrige indicia ſo vielmehr, der leute kuͤmmerlicher zuſtand, uͤber den und daß ihnen die ver- ſprochene freyheit auf das hauß nicht gehalten wuͤrde, die eltern geklaget: Daher ſie vermuthlich dergleichen vor ein mittel moͤgen gehoffet haben, nicht nur almoſen zu bekommen, die ſie auch von der Fr. Graͤfin genommen, ſondern auch aus erbarmen ihres ungluͤcks die freyheit ihres hauſes zu er- langen. 2. Jſt nichts geſchehen, oder wird vorhin, ehe der betrug anfieng ſich zu euſſern, geſchehen zu ſeyn vorgegeben, das nothwendig ein geſpenſt erfordert haͤtte, in dem die leute nichts als uͤber das kratzen geklaget. 3. Hat das kratzen ſo bald jedesmal aufgehoͤret, als das maͤgdlein ſein la- ger aͤndern und die haͤnde frey zeigen muͤſſen. Auch 4. ihr kratzen dem vermein- ten kratzen des geſpenſtes gleich gelautet. 5. Sie ſelbs wie ſie es gemacht ge- wieſen. 6. Nicht nur ein ſondern mehrmal den betrug auch in gegenwart der eltern, ſo bald ſie durch die furcht der ſtraff nicht zuruͤck gehalten worden, geſtanden. 7. So dann die eltern, wo man mit ernſt an ſie geſetzt, und ſie keine ausflucht geſehen, gleichfals ſolches bekannt. Sonderlich 8. der va- ter die communion nach ſolcher bekaͤntnuͤs, zu dero er mit betrohung, wo er die warheit nicht ſagen wuͤrde, unwuͤrdiger nieſſung beweget worden, empfangen, und damit in gewiſſer maaß ſeine auſſage beſtaͤtiget. 9. Zu wel- chem allem die vielfaͤltigen variationen der leute unter ſich, und wiederum eines jeden ſelbs, wo ſeine unterſchiedliche depoſitiones gegen einander gehalten worden, kommen, und alſo das vorgeben des geſpenſtes (ſo ohne das albern genug lautet) nicht nur verdaͤchtig gemacht, ſondern deſſen falſch- heit dargeſtellet haben. So gar daß faſt zu zweiffeln ſeyn ſolte, ob ein ver- ſtaͤndiger mann, dem alle dieſe umſtaͤnde vorgeſtellet worden, den betrug in der ſache zu erkennen, anſtehen moͤge. Der punct des abendmahls muß zu der andern frage ausgeſetzet werden, und gruͤndet ſich auf derſelben be- antwortung. Die andere frage. Ob nicht zu ſchlieſſen, daß das maͤgdgen vor ſich allein derglei- chen ſchwerlich erdichtet, ſondern ihre eltern zu huͤlffe gehabt habe, zumal ſie auch ſolches geſtanden. DJeſes zu ſchlieſſen gibt nicht nur vermuthung des maͤgdgens gerin- ges alter von 9. jahren, ſondern feſten grund, weil ſein betrug ſo handgreifflich war, daß die eltern, wo ſie auch gantz dumm waͤren, den-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/182
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/182>, abgerufen am 22.12.2024.