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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. I. SECTIO XXIV.
mich auch entsinne, viel gutes darinnen gefunden zu haben: Aber mir leid
ist, daß ich um mein exemplar, so jemand gelehnt habe, gekommen, dabey son-
sten, was mir in demselben sonderlich gefallen, und woran ich etwa anstoß
gehabt, notirt hatte. Den Antichristianismum und excidium Germaniae
habe ich noch, aber mit fleiß oder gantz nicht durchlesen können, weiß auch
nicht, ob krauen darff, daß sie gantz, wie sie seine arbeit sind, und ohne zu-
satz, heraus gekommen, weil er sie nicht selbs sondern andere heraus gegeben
haben werden. Wie sein name in der Marck, als eines schwermers oder als
eines treumeinenden dieners Christi angesehen werde, weiß ich nicht. Jch
rathe aber allezeit guten freunden in dergleichen sache, daß sie vorsichtig ge-
hen, und also eines theils sich das urtheil nicht nehmen über solche leute, sie
zu verdammen, oder anderer urtheil sich theilhaftig machen, wo sie schwere
schuld auf sich laden könten, andern theils aber, daß sie sich auch fremder
händel nicht annehmen, noch in unnöthige streit und verdacht selbs stürtzen.
Gnug ists daß sie einen fremden knecht nicht richten, der seinem Herrn steht
und fällt; Wo sie etwas gutes in einem solchen beschuldigten mann gelesen ha-
ben, oder gewiß von ihm wissen, solches bescheidentlich vertheidigen, und
das offenbahrlich gute, als viel sie können nicht eben lästern lassen, oder dar-
an gemeinschafft haben, dahero zuweiln, nach dem dadurch etwas auszu-
richten hoffnung ist, welche einiges solches gute lästern, mit freundlichkeit
erinnern, der sache weißlicher nach zudencken: nicht aber sind sie verbunden,
völlig seine partey anzunehmen, und damit ohne jemands nutzen hingegen
ihnen selbsten schaden zu thun. So vielmehr weil offtmals das gute bey
solchen leuten auch mit einiger schwachheit, entweder daß sich einige irr-
thume auch einschleichen, oder sie sich in dem eyffer übernehmen, und nicht
alle moderation zu gebrauchen gewußt haben (wie wir fast dergleichen bey
allen oder doch meisten finden und darinnen ein sonderliches göttliches ge-
richt bemercken können) vermischet ist, welches zwar bey christlichen her-
tzen nicht zuwege bringt, solche leute gantz zu verdammen, oder auch ihr
gutes (wie manchmal so viele unbesonnene eyfferer thun) zugleich zu verwerf-
fen, aber es bringet doch so viel billich zu wegen, daß sie sich nicht verbunden
zu achten haben, jene und alles das ihre bloß dahin zu behaupten, und über
sich zu nehmen, sondern bleiben in ihrer freyheit, daß wie sie keinen men-
schen, und also auch solche angeschuldigte, nicht vor unfehlbar halten, sie
sich des rechts gebrauchen, in allem alles zu prüffen und das gut befundene
zu behalten, das übrige dem autori zu überlassen, indessen zu glauben, es
seye nicht genung, wenn auch in einem buch einige irrthume gewiesen wer-
den könten, daß man deswegen den gebrauch desselben gantz müsse fahren
lassen, wann sonsten auch gute dinge darinnen sind. Dann wie wir auch die

väter

ARTIC. I. SECTIO XXIV.
mich auch entſinne, viel gutes darinnen gefunden zu haben: Aber mir leid
iſt, daß ich um mein exemplar, ſo jemand gelehnt habe, gekommen, dabey ſon-
ſten, was mir in demſelben ſonderlich gefallen, und woran ich etwa anſtoß
gehabt, notirt hatte. Den Antichriſtianiſmum und excidium Germaniæ
habe ich noch, aber mit fleiß oder gantz nicht durchleſen koͤnnen, weiß auch
nicht, ob krauen darff, daß ſie gantz, wie ſie ſeine arbeit ſind, und ohne zu-
ſatz, heraus gekommen, weil er ſie nicht ſelbs ſondern andere heraus gegeben
haben werden. Wie ſein name in der Marck, als eines ſchwermers oder als
eines treumeinenden dieners Chriſti angeſehen werde, weiß ich nicht. Jch
rathe aber allezeit guten freunden in dergleichen ſache, daß ſie vorſichtig ge-
hen, und alſo eines theils ſich das urtheil nicht nehmen uͤber ſolche leute, ſie
zu verdammen, oder anderer urtheil ſich theilhaftig machen, wo ſie ſchwere
ſchuld auf ſich laden koͤnten, andern theils aber, daß ſie ſich auch fremder
haͤndel nicht annehmen, noch in unnoͤthige ſtreit und verdacht ſelbs ſtuͤrtzen.
Gnug iſts daß ſie einen fremden knecht nicht richten, der ſeinem Herrn ſteht
und faͤllt; Wo ſie etwas gutes in einem ſolchen beſchuldigten mann geleſen ha-
ben, oder gewiß von ihm wiſſen, ſolches beſcheidentlich vertheidigen, und
das offenbahrlich gute, als viel ſie koͤnnen nicht eben laͤſtern laſſen, oder dar-
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richten hoffnung iſt, welche einiges ſolches gute laͤſtern, mit freundlichkeit
erinnern, der ſache weißlicher nach zudencken: nicht aber ſind ſie verbunden,
voͤllig ſeine partey anzunehmen, und damit ohne jemands nutzen hingegen
ihnen ſelbſten ſchaden zu thun. So vielmehr weil offtmals das gute bey
ſolchen leuten auch mit einiger ſchwachheit, entweder daß ſich einige irr-
thume auch einſchleichen, oder ſie ſich in dem eyffer uͤbernehmen, und nicht
alle moderation zu gebrauchen gewußt haben (wie wir faſt dergleichen bey
allen oder doch meiſten finden und darinnen ein ſonderliches goͤttliches ge-
richt bemercken koͤnnen) vermiſchet iſt, welches zwar bey chriſtlichen her-
tzen nicht zuwege bringt, ſolche leute gantz zu verdammen, oder auch ihr
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fen, aber es bringet doch ſo viel billich zu wegen, daß ſie ſich nicht verbunden
zu achten haben, jene und alles das ihre bloß dahin zu behaupten, und uͤber
ſich zu nehmen, ſondern bleiben in ihrer freyheit, daß wie ſie keinen men-
ſchen, und alſo auch ſolche angeſchuldigte, nicht vor unfehlbar halten, ſie
ſich des rechts gebrauchen, in allem alles zu pruͤffen und das gut befundene
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ſeye nicht genung, wenn auch in einem buch einige irrthume gewieſen wer-
den koͤnten, daß man deswegen den gebrauch deſſelben gantz muͤſſe fahren
laſſen, wann ſonſten auch gute dinge darinnen ſind. Dann wie wir auch die

vaͤter
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[127/0139] ARTIC. I. SECTIO XXIV. mich auch entſinne, viel gutes darinnen gefunden zu haben: Aber mir leid iſt, daß ich um mein exemplar, ſo jemand gelehnt habe, gekommen, dabey ſon- ſten, was mir in demſelben ſonderlich gefallen, und woran ich etwa anſtoß gehabt, notirt hatte. Den Antichriſtianiſmum und excidium Germaniæ habe ich noch, aber mit fleiß oder gantz nicht durchleſen koͤnnen, weiß auch nicht, ob krauen darff, daß ſie gantz, wie ſie ſeine arbeit ſind, und ohne zu- ſatz, heraus gekommen, weil er ſie nicht ſelbs ſondern andere heraus gegeben haben werden. Wie ſein name in der Marck, als eines ſchwermers oder als eines treumeinenden dieners Chriſti angeſehen werde, weiß ich nicht. Jch rathe aber allezeit guten freunden in dergleichen ſache, daß ſie vorſichtig ge- hen, und alſo eines theils ſich das urtheil nicht nehmen uͤber ſolche leute, ſie zu verdammen, oder anderer urtheil ſich theilhaftig machen, wo ſie ſchwere ſchuld auf ſich laden koͤnten, andern theils aber, daß ſie ſich auch fremder haͤndel nicht annehmen, noch in unnoͤthige ſtreit und verdacht ſelbs ſtuͤrtzen. Gnug iſts daß ſie einen fremden knecht nicht richten, der ſeinem Herrn ſteht und faͤllt; Wo ſie etwas gutes in einem ſolchen beſchuldigten mann geleſen ha- ben, oder gewiß von ihm wiſſen, ſolches beſcheidentlich vertheidigen, und das offenbahrlich gute, als viel ſie koͤnnen nicht eben laͤſtern laſſen, oder dar- an gemeinſchafft haben, dahero zuweiln, nach dem dadurch etwas auszu- richten hoffnung iſt, welche einiges ſolches gute laͤſtern, mit freundlichkeit erinnern, der ſache weißlicher nach zudencken: nicht aber ſind ſie verbunden, voͤllig ſeine partey anzunehmen, und damit ohne jemands nutzen hingegen ihnen ſelbſten ſchaden zu thun. So vielmehr weil offtmals das gute bey ſolchen leuten auch mit einiger ſchwachheit, entweder daß ſich einige irr- thume auch einſchleichen, oder ſie ſich in dem eyffer uͤbernehmen, und nicht alle moderation zu gebrauchen gewußt haben (wie wir faſt dergleichen bey allen oder doch meiſten finden und darinnen ein ſonderliches goͤttliches ge- richt bemercken koͤnnen) vermiſchet iſt, welches zwar bey chriſtlichen her- tzen nicht zuwege bringt, ſolche leute gantz zu verdammen, oder auch ihr gutes (wie manchmal ſo viele unbeſonnene eyfferer thun) zugleich zu verwerf- fen, aber es bringet doch ſo viel billich zu wegen, daß ſie ſich nicht verbunden zu achten haben, jene und alles das ihre bloß dahin zu behaupten, und uͤber ſich zu nehmen, ſondern bleiben in ihrer freyheit, daß wie ſie keinen men- ſchen, und alſo auch ſolche angeſchuldigte, nicht vor unfehlbar halten, ſie ſich des rechts gebrauchen, in allem alles zu pruͤffen und das gut befundene zu behalten, das uͤbrige dem autori zu uͤberlaſſen, indeſſen zu glauben, es ſeye nicht genung, wenn auch in einem buch einige irrthume gewieſen wer- den koͤnten, daß man deswegen den gebrauch deſſelben gantz muͤſſe fahren laſſen, wann ſonſten auch gute dinge darinnen ſind. Dann wie wir auch die vaͤter

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/139>, abgerufen am 24.11.2024.