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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
dern auch unsrer kirchen lehrer zu beypflichtern hat/ die ich auch mit derglei-
chen bescheidenheit handle/ daß ich sie niemand als zu glauben nötig auffdrin-
ge/ setzen sich der leute so viele/ sorglich aber vornehmlich der ursach wegen/
nicht so wol daß sie die materia selbs von solcher wichtigkeit achteten/ denn
sonsten würde gleicher widerspruch damal als in Franckfurt schon davon ge-
schrieben/ entstanden seyen/ sondern daß man an solchem ort mich dem man
um der andern ursach willen feind ist/ am nachdrückligsten angreiffen zu kön-
nen glaubet.

Bey allen diesen unruhen aber tröstet mich von meiner seiten/ und beru-
higet mein gewissen/ einmal dz ich weis/ keinen einigen selbs jemal zu erst an-
gegriffen zu haben/ sondern von andern allein angegriffen zu seyen/ so dann/ dz
ich mir der wahrheit meiner lehr u. auffrichtiger absicht dessen was ich gethan
bewust bin/ hingegen meiner widrigen fleischliche absichten sich fast allent-
halben offenbahren/ daher auff sie alle schuld der unruhe fället. Jndessen
betrübt mich dieses offt allein so fern/ von dem himmlischen Vater zu einem
stein des anstosses gesetzt zu seyen/ daran sich ihrer viele ob wol aus eigner
schuld stossen/ und damit so wol manche der unsrigen ärgern/ als auch den
wiedrigen uns zu lästern mehr anlaß geben. Ob wol/ wo die sache recht er-
wogen wird/ keine andere religionen gnugsame ursachen haben/ sich unsrer
uneinigkeiten zu ihrem vortheil zu rühmen: Jn dem wann es darauff kom-
met/ eine jede vor ihrer eignen thür gleichen unrath weg zu kehren hat. So
gar in dem Papstuhm/ da man doch solche gewaltsame mittel der äusserli-
chen einigkeit brauchet/ und mit tyranney über die gewissen herrschet/ kan
man doch nicht alle außbrechende uneinigkeit verhüten: wie dessen zeugen
sind die Quietisten (deren feuer in Jtalien nicht/ wie man gedencken möchte/
gantz gedämpffet/ sondern gleichsam unter der erden glumset/ u. zu seiner zeit
wieder außbrechen mag) die Jansenisten/ die starcke denunciationes gegen die
gantze Jesuitische societät des P. Valeriani Magni, neulich des Mons. Arnauld,
insgesamt die widrigkeit gegen dieselbe der Patrun Oratorii in Franckreich;
der langen streitigkeiten der Dominicaner gegen die Franciscaner und Jesui-
t
en zu geschweigen. Also auch hats unter den Reformirten von alten u. noch
bisher uneinigkeiten gegeben unter den Absolutisten u. hypotheticis, unter
Coccejanis und Maresianis, auch Voetianis, unter den Episcopalibus und
Presbyterianis, in Engelland. Ja auch die kleinere hauffen der Mennoni-
sten
und Quacker haben sich nicht vor uneinigkeit/ die so gar in trennung
außgebrochen/ verwahren können. Dieses sage ich nicht/ die schuld deren/
die bey uns solche unruhe stifften/ auff zu heben/ denn da uns GOTT seine
wahrheit in mehrern mans hat erkennen lassen/ solten wir uns auch der einig-
keit vor andere mehr rühmen können/ sondern allein zu zeigen/ daß sich schwa-

che

Das ſechſte Capitel.
dern auch unſrer kirchen lehrer zu beypflichtern hat/ die ich auch mit derglei-
chen beſcheidenheit handle/ daß ich ſie niemand als zu glauben noͤtig auffdrin-
ge/ ſetzen ſich der leute ſo viele/ ſorglich aber vornehmlich der urſach wegen/
nicht ſo wol daß ſie die materia ſelbs von ſolcher wichtigkeit achteten/ denn
ſonſten wuͤrde gleicher widerſpruch damal als in Franckfurt ſchon davon ge-
ſchrieben/ entſtanden ſeyen/ ſondern daß man an ſolchem ort mich dem man
um der andern urſach willen feind iſt/ am nachdruͤckligſten angreiffen zu koͤn-
nen glaubet.

Bey allen dieſen unruhen aber troͤſtet mich von meiner ſeiten/ und beru-
higet mein gewiſſen/ einmal dz ich weis/ keinen einigen ſelbs jemal zu erſt an-
gegriffen zu haben/ ſondern von andern allein angegriffen zu ſeyen/ ſo dañ/ dz
ich mir der wahrheit meiner lehr u. auffrichtiger abſicht deſſen was ich gethan
bewuſt bin/ hingegen meiner widrigen fleiſchliche abſichten ſich faſt allent-
halben offenbahren/ daher auff ſie alle ſchuld der unruhe faͤllet. Jndeſſen
betruͤbt mich dieſes offt allein ſo fern/ von dem himmliſchen Vater zu einem
ſtein des anſtoſſes geſetzt zu ſeyen/ daran ſich ihrer viele ob wol aus eigner
ſchuld ſtoſſen/ und damit ſo wol manche der unſrigen aͤrgern/ als auch den
wiedrigen uns zu laͤſtern mehr anlaß geben. Ob wol/ wo die ſache recht er-
wogen wird/ keine andere religionen gnugſame urſachen haben/ ſich unſrer
uneinigkeiten zu ihrem vortheil zu ruͤhmen: Jn dem wann es darauff kom-
met/ eine jede vor ihrer eignen thuͤr gleichen unrath weg zu kehren hat. So
gar in dem Papſtuhm/ da man doch ſolche gewaltſame mittel der aͤuſſerli-
chen einigkeit brauchet/ und mit tyranney uͤber die gewiſſen herrſchet/ kan
man doch nicht alle außbrechende uneinigkeit verhuͤten: wie deſſen zeugen
ſind die Quietiſten (deren feuer in Jtalien nicht/ wie man gedencken moͤchte/
gantz gedaͤmpffet/ ſondern gleichſam unter der erden glumſet/ u. zu ſeiner zeit
wieder außbrechen mag) die Janſeniſten/ die ſtarcke denũciationes gegen die
gantze Jeſuitiſche ſocietaͤt des P. Valeriani Magni, neulich des Monſ. Arnauld,
insgeſamt die widrigkeit gegen dieſelbe der Patrũ Oratorii in Franckreich;
der langen ſtreitigkeiten der Dominicaner gegen die Franciſcaner und Jeſui-
t
en zu geſchweigen. Alſo auch hats unter den Reformirten von alten u. noch
bisher uneinigkeiten gegeben unter den Abſolutiſten u. hypotheticis, unter
Coccejanis und Mareſianis, auch Voetianis, unter den Epiſcopalibus und
Presbyterianis, in Engelland. Ja auch die kleinere hauffen der Mennoni-
ſten
und Quacker haben ſich nicht vor uneinigkeit/ die ſo gar in trennung
außgebrochen/ verwahren koͤnnen. Dieſes ſage ich nicht/ die ſchuld deren/
die bey uns ſolche unruhe ſtifften/ auff zu heben/ denn da uns GOTT ſeine
wahrheit in mehrern mans hat erkennen laſſen/ ſolten wir uns auch der einig-
keit vor andere mehr ruͤhmen koͤnnen/ ſondern allein zu zeigen/ daß ſich ſchwa-

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[966/0984] Das ſechſte Capitel. dern auch unſrer kirchen lehrer zu beypflichtern hat/ die ich auch mit derglei- chen beſcheidenheit handle/ daß ich ſie niemand als zu glauben noͤtig auffdrin- ge/ ſetzen ſich der leute ſo viele/ ſorglich aber vornehmlich der urſach wegen/ nicht ſo wol daß ſie die materia ſelbs von ſolcher wichtigkeit achteten/ denn ſonſten wuͤrde gleicher widerſpruch damal als in Franckfurt ſchon davon ge- ſchrieben/ entſtanden ſeyen/ ſondern daß man an ſolchem ort mich dem man um der andern urſach willen feind iſt/ am nachdruͤckligſten angreiffen zu koͤn- nen glaubet. Bey allen dieſen unruhen aber troͤſtet mich von meiner ſeiten/ und beru- higet mein gewiſſen/ einmal dz ich weis/ keinen einigen ſelbs jemal zu erſt an- gegriffen zu haben/ ſondern von andern allein angegriffen zu ſeyen/ ſo dañ/ dz ich mir der wahrheit meiner lehr u. auffrichtiger abſicht deſſen was ich gethan bewuſt bin/ hingegen meiner widrigen fleiſchliche abſichten ſich faſt allent- halben offenbahren/ daher auff ſie alle ſchuld der unruhe faͤllet. Jndeſſen betruͤbt mich dieſes offt allein ſo fern/ von dem himmliſchen Vater zu einem ſtein des anſtoſſes geſetzt zu ſeyen/ daran ſich ihrer viele ob wol aus eigner ſchuld ſtoſſen/ und damit ſo wol manche der unſrigen aͤrgern/ als auch den wiedrigen uns zu laͤſtern mehr anlaß geben. Ob wol/ wo die ſache recht er- wogen wird/ keine andere religionen gnugſame urſachen haben/ ſich unſrer uneinigkeiten zu ihrem vortheil zu ruͤhmen: Jn dem wann es darauff kom- met/ eine jede vor ihrer eignen thuͤr gleichen unrath weg zu kehren hat. So gar in dem Papſtuhm/ da man doch ſolche gewaltſame mittel der aͤuſſerli- chen einigkeit brauchet/ und mit tyranney uͤber die gewiſſen herrſchet/ kan man doch nicht alle außbrechende uneinigkeit verhuͤten: wie deſſen zeugen ſind die Quietiſten (deren feuer in Jtalien nicht/ wie man gedencken moͤchte/ gantz gedaͤmpffet/ ſondern gleichſam unter der erden glumſet/ u. zu ſeiner zeit wieder außbrechen mag) die Janſeniſten/ die ſtarcke denũciationes gegen die gantze Jeſuitiſche ſocietaͤt des P. Valeriani Magni, neulich des Monſ. Arnauld, insgeſamt die widrigkeit gegen dieſelbe der Patrũ Oratorii in Franckreich; der langen ſtreitigkeiten der Dominicaner gegen die Franciſcaner und Jeſui- ten zu geſchweigen. Alſo auch hats unter den Reformirten von alten u. noch bisher uneinigkeiten gegeben unter den Abſolutiſten u. hypotheticis, unter Coccejanis und Mareſianis, auch Voetianis, unter den Epiſcopalibus und Presbyterianis, in Engelland. Ja auch die kleinere hauffen der Mennoni- ſten und Quacker haben ſich nicht vor uneinigkeit/ die ſo gar in trennung außgebrochen/ verwahren koͤnnen. Dieſes ſage ich nicht/ die ſchuld deren/ die bey uns ſolche unruhe ſtifften/ auff zu heben/ denn da uns GOTT ſeine wahrheit in mehrern mans hat erkennen laſſen/ ſolten wir uns auch der einig- keit vor andere mehr ruͤhmen koͤnnen/ ſondern allein zu zeigen/ daß ſich ſchwa- che

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 966. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/984>, abgerufen am 23.11.2024.