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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. II. SECTIO XLII.

DAs erste war die nicht nur von uns beiderseits/ sondern auch von fast allen
andern mit-brüdern auch anderwertlich/ führende klagen wegen der weni-
gen frucht/ so wir mit aller unsrer arbeit bey den gemeinden auszurichten fin-
den: da ich nicht zweiffle/ daß wir dessen einige ursach auch selbs auff uns nehmen
müssen/ und zu bekennen haben/ daß auch an uns manches manglen mag/ und uns
zuweilen einweniger maß gegeben wird/ nach dem wir uns eines mehrern unwür-
dig machen/ also daß der HERR in unsre seelen/ die noch nicht recht gereiniget/
nicht mehr licht/ seiner ordnung nach/ geben kan/ damit eine auch stärckere erleuch-
tung von uns bey andern entstünde: indessen halte mich doch versichert/ daß nicht
weniger schuld bey den gemeinden seye und hingegen das maaß der uns ertheilten
gnade an sich selbs zu völliger heiligung der anvertrauten gnug seyn würde wo nicht
von diesen die meiste sich der gütigen göttlichem würckung widersetzten: dazu wir
zwar auch letzlich GOttes gericht setzen/ und dessen gerechtigkeit veneriren müssen/
der manchmal vorige sünden derer/ an denen wir zu arbeiten haben/ mit zurück-
haltung fernerer gnade bestraffet. Jndessen ist mir hertzlich lieb/ daß derselbe auff
die jenige erinnerung gekommen/ daß wir offt nichts ausgerichtet zu haben meinen/
und nachmal durch GOttes regierung eines besseren gewahr werden: daran
nicht nur offt gedacht/ die gewißheit dessen/ ob ich auch nichts erfahre/ auff die gött-
liche versicherung gesetzet/ und folgends selbs unterschiedliche mal dergleichen exem-
pel bemercket/ sie auch als sonderlich zu meiner stärckung von dem himmlischen Va-
ter angesehen vor neue wolthaten GOttes gehalten habe. Nechst dem ist mir
auch von grund der seelen angenehm gewesen/ daß wir beiderseits auch darinnen
einstimmig sind/ daß der HERR HERR seiner kirchen noch einigen sonnenschein
und besserung versprochen habe/ und also noch vorbehalte. Was aber die art des
anbruchs desselben anlangt/ werden wir vielleicht auch darinnen nicht weit von ein-
ander abgehen/ daß wir beyde erkennen/ es werde auff eine art geschehen/ die kein
mensch völlig vorher erkennen oder bestimmen könne/ ja wer sich dessen unternehmen
wolte/ ohne vermessenheit solches zu thun nicht vermöchte. Ob nicht GOTT
freylich neben den ordentlichen gnaden-mitteln/ wo er sein grosses werck wird auß-
richten/ manches ausser der ordnung thun möchte/ will auch nicht in abrede seyn/ son-
dern achte es seiner weißheit nicht ungemäß. Jndessen sehe ich dannoch das weni-
ge/ was GOtt hie und da in diesen tagen geschehen und auffgehen lässet/ auch an/
als etwas dazu gehöriges/ nicht daß auff der gleichen gemeine weise das gantze
werck zum stande solte gebracht werden/ sondern daß der HERR etwa jetzt eine be-
reitung machet der jenigen seelen/ an dero gedult und leyden er in den bevorstehen-
den schwehrsten trübsalen/ und wo Babel/ vielleicht das letste mal/ die heiligen (der
gleichen dann auch vorhanden seyn müssen) überwinden solle/ gepriesen werden
will: oder daß er die steine allgemach bereitet/ aus denen er nach solchen schwehr-

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ARTIC. II. SECTIO XLII.

DAs erſte war die nicht nur von uns beiderſeits/ ſondern auch von faſt allen
andern mit-bruͤdern auch anderwertlich/ fuͤhrende klagen wegen der weni-
gen frucht/ ſo wir mit aller unſrer arbeit bey den gemeinden auszurichten fin-
den: da ich nicht zweiffle/ daß wir deſſen einige urſach auch ſelbs auff uns nehmen
muͤſſen/ und zu bekennen haben/ daß auch an uns manches manglen mag/ und uns
zuweilen einweniger maß gegeben wird/ nach dem wir uns eines mehrern unwuͤr-
dig machen/ alſo daß der HERR in unſre ſeelen/ die noch nicht recht gereiniget/
nicht mehr licht/ ſeiner ordnung nach/ geben kan/ damit eine auch ſtaͤrckere erleuch-
tung von uns bey andern entſtuͤnde: indeſſen halte mich doch verſichert/ daß nicht
weniger ſchuld bey den gemeinden ſeye und hingegen das maaß der uns ertheilten
gnade an ſich ſelbs zu voͤlliger heiligung der anvertrauten gnug ſeyn wuͤrde wo nicht
von dieſen die meiſte ſich der guͤtigen goͤttlichem wuͤrckung widerſetzten: dazu wir
zwar auch letzlich GOttes gericht ſetzen/ und deſſen geꝛechtigkeit veneriren muͤſſen/
der manchmal vorige ſuͤnden derer/ an denen wir zu arbeiten haben/ mit zuruͤck-
haltung fernerer gnade beſtraffet. Jndeſſen iſt mir hertzlich lieb/ daß derſelbe auff
die jenige erinnerung gekommen/ daß wir offt nichts ausgerichtet zu haben meinen/
und nachmal durch GOttes regierung eines beſſeren gewahr werden: daran
nicht nur offt gedacht/ die gewißheit deſſen/ ob ich auch nichts erfahre/ auff die goͤtt-
liche verſicherung geſetzet/ und folgends ſelbs unterſchiedliche mal dergleichen exem-
pel bemercket/ ſie auch als ſonderlich zu meiner ſtaͤrckung von dem himmliſchen Va-
ter angeſehen vor neue wolthaten GOttes gehalten habe. Nechſt dem iſt mir
auch von grund der ſeelen angenehm geweſen/ daß wir beiderſeits auch darinnen
einſtimmig ſind/ daß der HERR HERR ſeiner kirchen noch einigen ſonnenſchein
und beſſerung verſprochen habe/ und alſo noch vorbehalte. Was aber die art des
anbruchs deſſelben anlangt/ werden wir vielleicht auch darinnen nicht weit von ein-
ander abgehen/ daß wir beyde erkennen/ es werde auff eine art geſchehen/ die kein
menſch voͤllig vorher erkennen oder beſtimmen koͤnne/ ja wer ſich deſſen unternehmen
wolte/ ohne vermeſſenheit ſolches zu thun nicht vermoͤchte. Ob nicht GOTT
freylich neben den ordentlichen gnaden-mitteln/ wo er ſein groſſes werck wird auß-
richten/ manches auſſer der ordnung thun moͤchte/ will auch nicht in abrede ſeyn/ ſon-
dern achte es ſeiner weißheit nicht ungemaͤß. Jndeſſen ſehe ich dannoch das weni-
ge/ was GOtt hie und da in dieſen tagen geſchehen und auffgehen laͤſſet/ auch an/
als etwas dazu gehoͤriges/ nicht daß auff der gleichen gemeine weiſe das gantze
werck zum ſtande ſolte gebracht werden/ ſondern daß der HERR etwa jetzt eine be-
reitung machet der jenigen ſeelen/ an dero gedult und leyden er in den bevorſtehen-
den ſchwehrſten truͤbſalen/ und wo Babel/ vielleicht das letſte mal/ die heiligen (der
gleichen dann auch vorhanden ſeyn muͤſſen) uͤberwinden ſolle/ geprieſen werden
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[843/0861] ARTIC. II. SECTIO XLII. DAs erſte war die nicht nur von uns beiderſeits/ ſondern auch von faſt allen andern mit-bruͤdern auch anderwertlich/ fuͤhrende klagen wegen der weni- gen frucht/ ſo wir mit aller unſrer arbeit bey den gemeinden auszurichten fin- den: da ich nicht zweiffle/ daß wir deſſen einige urſach auch ſelbs auff uns nehmen muͤſſen/ und zu bekennen haben/ daß auch an uns manches manglen mag/ und uns zuweilen einweniger maß gegeben wird/ nach dem wir uns eines mehrern unwuͤr- dig machen/ alſo daß der HERR in unſre ſeelen/ die noch nicht recht gereiniget/ nicht mehr licht/ ſeiner ordnung nach/ geben kan/ damit eine auch ſtaͤrckere erleuch- tung von uns bey andern entſtuͤnde: indeſſen halte mich doch verſichert/ daß nicht weniger ſchuld bey den gemeinden ſeye und hingegen das maaß der uns ertheilten gnade an ſich ſelbs zu voͤlliger heiligung der anvertrauten gnug ſeyn wuͤrde wo nicht von dieſen die meiſte ſich der guͤtigen goͤttlichem wuͤrckung widerſetzten: dazu wir zwar auch letzlich GOttes gericht ſetzen/ und deſſen geꝛechtigkeit veneriren muͤſſen/ der manchmal vorige ſuͤnden derer/ an denen wir zu arbeiten haben/ mit zuruͤck- haltung fernerer gnade beſtraffet. Jndeſſen iſt mir hertzlich lieb/ daß derſelbe auff die jenige erinnerung gekommen/ daß wir offt nichts ausgerichtet zu haben meinen/ und nachmal durch GOttes regierung eines beſſeren gewahr werden: daran nicht nur offt gedacht/ die gewißheit deſſen/ ob ich auch nichts erfahre/ auff die goͤtt- liche verſicherung geſetzet/ und folgends ſelbs unterſchiedliche mal dergleichen exem- pel bemercket/ ſie auch als ſonderlich zu meiner ſtaͤrckung von dem himmliſchen Va- ter angeſehen vor neue wolthaten GOttes gehalten habe. Nechſt dem iſt mir auch von grund der ſeelen angenehm geweſen/ daß wir beiderſeits auch darinnen einſtimmig ſind/ daß der HERR HERR ſeiner kirchen noch einigen ſonnenſchein und beſſerung verſprochen habe/ und alſo noch vorbehalte. Was aber die art des anbruchs deſſelben anlangt/ werden wir vielleicht auch darinnen nicht weit von ein- ander abgehen/ daß wir beyde erkennen/ es werde auff eine art geſchehen/ die kein menſch voͤllig vorher erkennen oder beſtimmen koͤnne/ ja wer ſich deſſen unternehmen wolte/ ohne vermeſſenheit ſolches zu thun nicht vermoͤchte. Ob nicht GOTT freylich neben den ordentlichen gnaden-mitteln/ wo er ſein groſſes werck wird auß- richten/ manches auſſer der ordnung thun moͤchte/ will auch nicht in abrede ſeyn/ ſon- dern achte es ſeiner weißheit nicht ungemaͤß. Jndeſſen ſehe ich dannoch das weni- ge/ was GOtt hie und da in dieſen tagen geſchehen und auffgehen laͤſſet/ auch an/ als etwas dazu gehoͤriges/ nicht daß auff der gleichen gemeine weiſe das gantze werck zum ſtande ſolte gebracht werden/ ſondern daß der HERR etwa jetzt eine be- reitung machet der jenigen ſeelen/ an dero gedult und leyden er in den bevorſtehen- den ſchwehrſten truͤbſalen/ und wo Babel/ vielleicht das letſte mal/ die heiligen (der gleichen dann auch vorhanden ſeyn muͤſſen) uͤberwinden ſolle/ geprieſen werden will: oder daß er die ſteine allgemach bereitet/ aus denen eꝛ nach ſolchen ſchwehr- ſten Ooooo 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 843. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/861>, abgerufen am 21.11.2024.