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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
worden ist. Vol. f. 77. u. f. . f. 92. u. f. Nun möchte so bald vor ihn dieses ange-
führet werden/ daß so wol die jungfrau als auch er selbs sich anders und orthodo-
xe
gnug erklähret haben/ insgesamt auch der Karigsin/ von dero ohne daß als einer
der Göttlichen dinge unkündigen person wol müglich ist/ daß sie/ wie jegliches ge-
redet gewesen/ nicht gnugsam eingenommen habe/ aussage in unterschiedlichen
durch die andere zeugen und die eigne erklährung geschwächet worden seye. Aber
ich erkenne gern/ das Gaulicke nicht allerdings zu entschuldigen seye/ sondern ge-
zeiget habe/ daß er die lehre der rechtfertigung und heiligung nicht recht verstehe/
unterschiedliches irrig darinnen gefasset/ und sich in reden verstossen habe/ daher
ihm so wohl ein verweiß als besserer unterricht gebühret. Hingegengraviret die-
ses exempel die gantze sache/ wo es recht erwogen wird/ bey weitem nicht dermassen/
als es zu erst das ansehen haben möchte. Dann was biß daher von einer neuen
secte und irrthum ausgesprenget/ und untersucht worden/ betrifft eigentlich die-
ses/ daß oder ob die von M. Francken/ M. Schaden und andern haltende collegia
eine neue secte ausgebrütet haben/ und die Pietisten so die jenige seyen sollen/ wel-
che aus jener collegiis daß ihrige hergenommen/ also auch allein nach deme zu
urtheilen wären/ was sie daraus gehöret hätten/ irriger lehre schuldig seyen. Sol-
ches wird nun im geringsten durch dieses exempel nicht erwiesen: Jndem 1. Gau-
licke nicht allein ein studiosus medicinae der dazu vor noch nicht vieler zeit ein wil-
des wüstes leben geführet zu haben Vol. . f. 54. b. bezeuget wird/ sondern mir
auch anderwerts her bekant worden ist/ daß er bereits vor etzlichen jahren/ ehe der
nahme der pietisten bekant/ oder von dergleichen collegiis gehöret worden ist/
nicht in allen vor richtig gehalten worden seye. 2. Ob er wohl nach Vol. . f. 79.
b. 80.
in M. Antonii, M. Francken/ und M. Schaden collegiis fleißig gewesen
zu seyn gestehet/ bekenet er dannoch selbs/ daß er darinnen die jenige dinge nicht ge-
höret/ welche ihn vorgehalten worden sind: so muß auch sonsten wenig absonder-
liche kundschafft mit denselben vorgegangen seyn/ den M. Schade Vol. . f. 8. b.
bezeuget/ daß er ein eintzig mahl bey ihm auff der stube gewesen/ aber damahl we-
nig/ von den imputirten meinungen aber gar nichts/ geredet habe: Daher we-
der er selbs/ noch andere die dieser gefragt/ wie fleißig er in den collegiis gewesen/
bezeugen haben können. 3. Jst also der irrthum einer einzeln person/ der sie von
andern nicht her hat/ noch sich auff diese bezeugt/ den so genanten Pietisten so we-
nig zu zumessen/ als ein rechtglaubiges Ministerium sich nicht zumessen liesse/ wann
auch unter ihrer gemeinde/ so sie vor ihre lehrer erkennet/ sich einige personen finden
solten/ die in privat-discursen sich einiger irriger reden zu weilen vernehmen lies-
sen/ wo nur diese nicht sagen können/ daß sie dieselbe von ihnen haben. Wäre aber
dieses die rechte eigentliche lehre der so genandten Pietisten/ so würde sie nicht Gau-
licke allem/ sondern weil in den collegiis/ sonderlich auff die letzte/ der numerus
allezeit groß/ vermuthlich aber allezeit auch unter denselben einige lästerer gewesen/

ihrer

Das ſechſte Capitel.
worden iſt. Vol. ♂ f. 77. u. f. ☿. f. 92. u. f. Nun moͤchte ſo bald vor ihn dieſes ange-
fuͤhret werden/ daß ſo wol die jungfrau als auch er ſelbs ſich anders und orthodo-
xe
gnug erklaͤhret haben/ insgeſamt auch der Karigſin/ von dero ohne daß als einer
der Goͤttlichen dinge unkuͤndigen perſon wol muͤglich iſt/ daß ſie/ wie jegliches ge-
redet geweſen/ nicht gnugſam eingenommen habe/ ausſage in unterſchiedlichen
durch die andere zeugen und die eigne erklaͤhrung geſchwaͤchet worden ſeye. Aber
ich erkenne gern/ das Gaulicke nicht allerdings zu entſchuldigen ſeye/ ſondern ge-
zeiget habe/ daß er die lehre der rechtfertigung und heiligung nicht recht verſtehe/
unterſchiedliches irrig darinnen gefaſſet/ und ſich in reden verſtoſſen habe/ daher
ihm ſo wohl ein verweiß als beſſerer unterricht gebuͤhret. Hingegengraviret die-
ſes exempel die gantze ſache/ wo es recht erwogen wird/ bey weitem nicht dermaſſen/
als es zu erſt das anſehen haben moͤchte. Dann was biß daher von einer neuen
ſecte und irrthum ausgeſprenget/ und unterſucht worden/ betrifft eigentlich die-
ſes/ daß oder ob die von M. Francken/ M. Schaden und andern haltende collegia
eine neue ſecte ausgebruͤtet haben/ und die Pietiſten ſo die jenige ſeyen ſollen/ wel-
che aus jener collegiis daß ihrige hergenommen/ alſo auch allein nach deme zu
urtheilen waͤren/ was ſie daraus gehoͤret haͤtten/ irriger lehre ſchuldig ſeyen. Sol-
ches wird nun im geringſten durch dieſes exempel nicht erwieſen: Jndem 1. Gau-
licke nicht allein ein ſtudioſus medicinæ der dazu vor noch nicht vieler zeit ein wil-
des wuͤſtes leben gefuͤhret zu haben Vol. ♂. f. 54. b. bezeuget wird/ ſondern mir
auch anderwerts her bekant worden iſt/ daß er bereits vor etzlichen jahren/ ehe der
nahme der pietiſten bekant/ oder von dergleichen collegiis gehoͤret worden iſt/
nicht in allen vor richtig gehalten worden ſeye. 2. Ob er wohl nach Vol. ♂. f. 79.
b. 80.
in M. Antonii, M. Francken/ und M. Schaden collegiis fleißig geweſen
zu ſeyn geſtehet/ bekenet er dannoch ſelbs/ daß er darinnen die jenige dinge nicht ge-
hoͤret/ welche ihn vorgehalten worden ſind: ſo muß auch ſonſten wenig abſonder-
liche kundſchafft mit denſelben vorgegangen ſeyn/ den M. Schade Vol. ♂. f. 8. b.
bezeuget/ daß er ein eintzig mahl bey ihm auff der ſtube geweſen/ aber damahl we-
nig/ von den imputirten meinungen aber gar nichts/ geredet habe: Daher we-
der er ſelbs/ noch andere die dieſer gefragt/ wie fleißig er in den collegiis geweſen/
bezeugen haben koͤnnen. 3. Jſt alſo der irrthum einer einzeln perſon/ der ſie von
andern nicht her hat/ noch ſich auff dieſe bezeugt/ den ſo genanten Pietiſten ſo we-
nig zu zumeſſen/ als ein rechtglaubiges Miniſterium ſich nicht zumeſſen lieſſe/ wann
auch unter ihrer gemeinde/ ſo ſie vor ihre lehrer erkennet/ ſich einige perſonen finden
ſolten/ die in privat-diſcurſen ſich einiger irriger reden zu weilen vernehmen lieſ-
ſen/ wo nur dieſe nicht ſagen koͤnnen/ daß ſie dieſelbe von ihnen haben. Waͤre aber
dieſes die rechte eigentliche lehre der ſo genandten Pietiſten/ ſo wuͤrde ſie nicht Gau-
licke allem/ ſondern weil in den collegiis/ ſonderlich auff die letzte/ der numerus
allezeit groß/ vermuthlich aber allezeit auch unter denſelben einige laͤſterer geweſen/

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[808/0826] Das ſechſte Capitel. worden iſt. Vol. ♂ f. 77. u. f. ☿. f. 92. u. f. Nun moͤchte ſo bald vor ihn dieſes ange- fuͤhret werden/ daß ſo wol die jungfrau als auch er ſelbs ſich anders und orthodo- xe gnug erklaͤhret haben/ insgeſamt auch der Karigſin/ von dero ohne daß als einer der Goͤttlichen dinge unkuͤndigen perſon wol muͤglich iſt/ daß ſie/ wie jegliches ge- redet geweſen/ nicht gnugſam eingenommen habe/ ausſage in unterſchiedlichen durch die andere zeugen und die eigne erklaͤhrung geſchwaͤchet worden ſeye. Aber ich erkenne gern/ das Gaulicke nicht allerdings zu entſchuldigen ſeye/ ſondern ge- zeiget habe/ daß er die lehre der rechtfertigung und heiligung nicht recht verſtehe/ unterſchiedliches irrig darinnen gefaſſet/ und ſich in reden verſtoſſen habe/ daher ihm ſo wohl ein verweiß als beſſerer unterricht gebuͤhret. Hingegengraviret die- ſes exempel die gantze ſache/ wo es recht erwogen wird/ bey weitem nicht dermaſſen/ als es zu erſt das anſehen haben moͤchte. Dann was biß daher von einer neuen ſecte und irrthum ausgeſprenget/ und unterſucht worden/ betrifft eigentlich die- ſes/ daß oder ob die von M. Francken/ M. Schaden und andern haltende collegia eine neue ſecte ausgebruͤtet haben/ und die Pietiſten ſo die jenige ſeyen ſollen/ wel- che aus jener collegiis daß ihrige hergenommen/ alſo auch allein nach deme zu urtheilen waͤren/ was ſie daraus gehoͤret haͤtten/ irriger lehre ſchuldig ſeyen. Sol- ches wird nun im geringſten durch dieſes exempel nicht erwieſen: Jndem 1. Gau- licke nicht allein ein ſtudioſus medicinæ der dazu vor noch nicht vieler zeit ein wil- des wuͤſtes leben gefuͤhret zu haben Vol. ♂. f. 54. b. bezeuget wird/ ſondern mir auch anderwerts her bekant worden iſt/ daß er bereits vor etzlichen jahren/ ehe der nahme der pietiſten bekant/ oder von dergleichen collegiis gehoͤret worden iſt/ nicht in allen vor richtig gehalten worden ſeye. 2. Ob er wohl nach Vol. ♂. f. 79. b. 80. in M. Antonii, M. Francken/ und M. Schaden collegiis fleißig geweſen zu ſeyn geſtehet/ bekenet er dannoch ſelbs/ daß er darinnen die jenige dinge nicht ge- hoͤret/ welche ihn vorgehalten worden ſind: ſo muß auch ſonſten wenig abſonder- liche kundſchafft mit denſelben vorgegangen ſeyn/ den M. Schade Vol. ♂. f. 8. b. bezeuget/ daß er ein eintzig mahl bey ihm auff der ſtube geweſen/ aber damahl we- nig/ von den imputirten meinungen aber gar nichts/ geredet habe: Daher we- der er ſelbs/ noch andere die dieſer gefragt/ wie fleißig er in den collegiis geweſen/ bezeugen haben koͤnnen. 3. Jſt alſo der irrthum einer einzeln perſon/ der ſie von andern nicht her hat/ noch ſich auff dieſe bezeugt/ den ſo genanten Pietiſten ſo we- nig zu zumeſſen/ als ein rechtglaubiges Miniſterium ſich nicht zumeſſen lieſſe/ wann auch unter ihrer gemeinde/ ſo ſie vor ihre lehrer erkennet/ ſich einige perſonen finden ſolten/ die in privat-diſcurſen ſich einiger irriger reden zu weilen vernehmen lieſ- ſen/ wo nur dieſe nicht ſagen koͤnnen/ daß ſie dieſelbe von ihnen haben. Waͤre aber dieſes die rechte eigentliche lehre der ſo genandten Pietiſten/ ſo wuͤrde ſie nicht Gau- licke allem/ ſondern weil in den collegiis/ ſonderlich auff die letzte/ der numerus allezeit groß/ vermuthlich aber allezeit auch unter denſelben einige laͤſterer geweſen/ ihrer

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 808. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/826>, abgerufen am 22.11.2024.