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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
setzet/ und auff meiner überzeugung/ daß solche erklährung in jenen worten in der
that stecke. Gegen diesen vorzug spreche ich nichts/ ja setze noch dazu/ daß unsre
gemeine dolmetschungen auch noch erst nach dem grund-text examiniret zu wer-
den nöthig haben/ und also wann man in dem grösten rigor reden wolten/ nicht
recht das formal wort GOttes wären. Welche bemerckung von nicht geringer
wichtigkeit ist/ sondern weiset/ weil Mhhl. gleichwohl das wort in den dolmet-
schungen vor das formal göttliche wort/ und das gewisse kräfftigste mittel unsrer
erleuchtung erkennet/ da doch ein menschlicher fleiß in der übersetzung dazu gekom-
men ist/ der nicht nur irrthumen unterworffen war/ sondern wircklich in vielen
stellen/ ob nicht in dem übersetzen gefehlet worden/ mit gutem grund disputiret
wird daß denn/ ob auch in den worten der erklährung was menschliches dazu ge-
komm[en] wäre/ solches aufs wenigste die krafft des worts zu unsrer erbauung
nicht auf hebe oder schwäche. Wie denn dieses nun ferner hinzuthue/ wie ich den
unmittelbahren worten des H. Geistes wegen solcher gewißheit dem gedachten
vorzug nicht nur gönne/ sondern selbs darüber eiffern wolte/ wo jemand das jenige/
da etwas von menschlicher hand dazu gekommen/ demselben gleich zu machen sich
unterstünde/ daß gleichwohl solchen unterscheid/ welchen Mhhr scheinet zu intendi-
ren/ was betrifft die krafft die menschliche seele zu erleuchten und zu bessern/ nicht
zugeben könte/ sondern mich versicheren/ es habe das material göttliche wort/ wie
es zu nennen beliebet hat (ich rede aber von dem jenigen/ wo die erklährungen und
daraus ziehende gebräuche mit der schrifft wahrhafftig übereinstimmen/ dazu die
vorige prüfung der gewißheit wegen gehöret/ und also auch von den jenigen per-
sonen/ die der gewißheit wegen überzeuget sind) eben diejenige seligmachende
krafft als das so genante formal wort GOttes selbs. Dieser satz bestärcket sich
so bald aus der gethanen bemerckung wegen der dolmetschungen/ so von den blos-
sen menschen gemacht worden/ und also keines praecise der jenigen wort/ welche
von dem H. Geist eingegeben worden/ darinnen gelesen oder gehöret wird. Dann
sind diese zu der erbauung und innerlichen wirckung bey denen/ so nun an der rich-
tigen übersetzung nicht zweiffeln/ nicht von geringerer krafft/ als wo man sie in
der grundsprach läse/ welches ich von Mhhl. zugestanden zu werden nicht zweif-
feln will/ und sonsten folgen würde/ daß welche die grundsprachen nicht verstehen/
und also das allermeiste theil aller christen/ allzu vieles/ was ihnen zur seligkeit
nötig ist/ ermangeln müste/ welches mir mit göttlicher güte und weißheit sich nicht
zu reimen vorkommet: so folget/ daß was die würckung der wort in der seelen an-
langt/ derselben dadurch nichts abgehe/ ob schon menschlicher fleiß dabey etwas
zu thun gehabt/ und die wort die man höret/ aus demselben gesetzet sind/ und kan
man deswegen auch die krafft des so genanten material worts GOttes nicht ge-
ringer schätzen. Die sache kommet daher/ weil ob schon so wohl die wort selbs/
als die dadurch angedeutete oder darinnen enthaltene göttliche wahrheiten von
dem H. Geist sind/ jene als gleichsam das kästlein/ diese als die darinnen verwahr-

te

Das ſechſte Capitel.
ſetzet/ und auff meiner uͤberzeugung/ daß ſolche erklaͤhrung in jenen worten in der
that ſtecke. Gegen dieſen vorzug ſpreche ich nichts/ ja ſetze noch dazu/ daß unſre
gemeine dolmetſchungen auch noch erſt nach dem grund-text examiniret zu wer-
den noͤthig haben/ und alſo wann man in dem groͤſten rigor reden wolten/ nicht
recht das formal wort GOttes waͤren. Welche bemerckung von nicht geringer
wichtigkeit iſt/ ſondern weiſet/ weil Mhhl. gleichwohl das wort in den dolmet-
ſchungen vor das formal goͤttliche wort/ und das gewiſſe kraͤfftigſte mittel unſrer
erleuchtung erkennet/ da doch ein menſchlicher fleiß in der uͤberſetzung dazu gekom-
men iſt/ der nicht nur irrthumen unterworffen war/ ſondern wircklich in vielen
ſtellen/ ob nicht in dem uͤberſetzen gefehlet worden/ mit gutem grund diſputiret
wird daß denn/ ob auch in den worten der erklaͤhrung was menſchliches dazu ge-
komm[en] waͤre/ ſolches aufs wenigſte die krafft des worts zu unſrer erbauung
nicht auf hebe oder ſchwaͤche. Wie denn dieſes nun ferner hinzuthue/ wie ich den
unmittelbahren worten des H. Geiſtes wegen ſolcher gewißheit dem gedachten
vorzug nicht nur goͤnne/ ſondern ſelbs daruͤber eiffern wolte/ wo jemand das jenige/
da etwas von menſchlicher hand dazu gekom̃en/ demſelben gleich zu machen ſich
unterſtuͤnde/ daß gleichwohl ſolchen unterſcheid/ welchen Mhhr ſcheinet zu intendi-
ren/ was betrifft die krafft die menſchliche ſeele zu erleuchten und zu beſſern/ nicht
zugeben koͤnte/ ſondern mich verſicheren/ es habe das material goͤttliche wort/ wie
es zu nennen beliebet hat (ich rede aber von dem jenigen/ wo die erklaͤhrungen und
daraus ziehende gebraͤuche mit der ſchrifft wahrhafftig uͤbereinſtimmen/ dazu die
vorige pruͤfung der gewißheit wegen gehoͤret/ und alſo auch von den jenigen per-
ſonen/ die der gewißheit wegen uͤberzeuget ſind) eben diejenige ſeligmachende
krafft als das ſo genante formal wort GOttes ſelbs. Dieſer ſatz beſtaͤrcket ſich
ſo bald aus der gethanen bemerckung wegen der dolmetſchungen/ ſo von den bloſ-
ſen menſchen gemacht worden/ und alſo keines præciſe der jenigen wort/ welche
von dem H. Geiſt eingegeben worden/ darinnen geleſen oder gehoͤret wird. Dann
ſind dieſe zu der erbauung und innerlichen wirckung bey denen/ ſo nun an der rich-
tigen uͤberſetzung nicht zweiffeln/ nicht von geringerer krafft/ als wo man ſie in
der grundſprach laͤſe/ welches ich von Mhhl. zugeſtanden zu werden nicht zweif-
feln will/ und ſonſten folgen wuͤrde/ daß welche die grundſprachen nicht verſtehen/
und alſo das allermeiſte theil aller chriſten/ allzu vieles/ was ihnen zur ſeligkeit
noͤtig iſt/ ermangeln muͤſte/ welches mir mit goͤttlicher guͤte und weißheit ſich nicht
zu reimen vorkommet: ſo folget/ daß was die wuͤrckung der wort in der ſeelen an-
langt/ derſelben dadurch nichts abgehe/ ob ſchon menſchlicher fleiß dabey etwas
zu thun gehabt/ und die wort die man hoͤret/ aus demſelben geſetzet ſind/ und kan
man deswegen auch die krafft des ſo genanten material worts GOttes nicht ge-
ringer ſchaͤtzen. Die ſache kommet daher/ weil ob ſchon ſo wohl die wort ſelbs/
als die dadurch angedeutete oder darinnen enthaltene goͤttliche wahrheiten von
dem H. Geiſt ſind/ jene als gleichſam das kaͤſtlein/ dieſe als die darinnen verwahr-

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[754/0772] Das ſechſte Capitel. ſetzet/ und auff meiner uͤberzeugung/ daß ſolche erklaͤhrung in jenen worten in der that ſtecke. Gegen dieſen vorzug ſpreche ich nichts/ ja ſetze noch dazu/ daß unſre gemeine dolmetſchungen auch noch erſt nach dem grund-text examiniret zu wer- den noͤthig haben/ und alſo wann man in dem groͤſten rigor reden wolten/ nicht recht das formal wort GOttes waͤren. Welche bemerckung von nicht geringer wichtigkeit iſt/ ſondern weiſet/ weil Mhhl. gleichwohl das wort in den dolmet- ſchungen vor das formal goͤttliche wort/ und das gewiſſe kraͤfftigſte mittel unſrer erleuchtung erkennet/ da doch ein menſchlicher fleiß in der uͤberſetzung dazu gekom- men iſt/ der nicht nur irrthumen unterworffen war/ ſondern wircklich in vielen ſtellen/ ob nicht in dem uͤberſetzen gefehlet worden/ mit gutem grund diſputiret wird daß denn/ ob auch in den worten der erklaͤhrung was menſchliches dazu ge- kommen waͤre/ ſolches aufs wenigſte die krafft des worts zu unſrer erbauung nicht auf hebe oder ſchwaͤche. Wie denn dieſes nun ferner hinzuthue/ wie ich den unmittelbahren worten des H. Geiſtes wegen ſolcher gewißheit dem gedachten vorzug nicht nur goͤnne/ ſondern ſelbs daruͤber eiffern wolte/ wo jemand das jenige/ da etwas von menſchlicher hand dazu gekom̃en/ demſelben gleich zu machen ſich unterſtuͤnde/ daß gleichwohl ſolchen unterſcheid/ welchen Mhhr ſcheinet zu intendi- ren/ was betrifft die krafft die menſchliche ſeele zu erleuchten und zu beſſern/ nicht zugeben koͤnte/ ſondern mich verſicheren/ es habe das material goͤttliche wort/ wie es zu nennen beliebet hat (ich rede aber von dem jenigen/ wo die erklaͤhrungen und daraus ziehende gebraͤuche mit der ſchrifft wahrhafftig uͤbereinſtimmen/ dazu die vorige pruͤfung der gewißheit wegen gehoͤret/ und alſo auch von den jenigen per- ſonen/ die der gewißheit wegen uͤberzeuget ſind) eben diejenige ſeligmachende krafft als das ſo genante formal wort GOttes ſelbs. Dieſer ſatz beſtaͤrcket ſich ſo bald aus der gethanen bemerckung wegen der dolmetſchungen/ ſo von den bloſ- ſen menſchen gemacht worden/ und alſo keines præciſe der jenigen wort/ welche von dem H. Geiſt eingegeben worden/ darinnen geleſen oder gehoͤret wird. Dann ſind dieſe zu der erbauung und innerlichen wirckung bey denen/ ſo nun an der rich- tigen uͤberſetzung nicht zweiffeln/ nicht von geringerer krafft/ als wo man ſie in der grundſprach laͤſe/ welches ich von Mhhl. zugeſtanden zu werden nicht zweif- feln will/ und ſonſten folgen wuͤrde/ daß welche die grundſprachen nicht verſtehen/ und alſo das allermeiſte theil aller chriſten/ allzu vieles/ was ihnen zur ſeligkeit noͤtig iſt/ ermangeln muͤſte/ welches mir mit goͤttlicher guͤte und weißheit ſich nicht zu reimen vorkommet: ſo folget/ daß was die wuͤrckung der wort in der ſeelen an- langt/ derſelben dadurch nichts abgehe/ ob ſchon menſchlicher fleiß dabey etwas zu thun gehabt/ und die wort die man hoͤret/ aus demſelben geſetzet ſind/ und kan man deswegen auch die krafft des ſo genanten material worts GOttes nicht ge- ringer ſchaͤtzen. Die ſache kommet daher/ weil ob ſchon ſo wohl die wort ſelbs/ als die dadurch angedeutete oder darinnen enthaltene goͤttliche wahrheiten von dem H. Geiſt ſind/ jene als gleichſam das kaͤſtlein/ dieſe als die darinnen verwahr- te

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 754. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/772>, abgerufen am 22.11.2024.