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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
bald vorbey gehen/ damit man auffs neue ihm dancke/ wo dieselbe auff Babel zu-
rück gefallen/ und das verstöhrte Zion wieder auffzubauen zeit und stunde/ auch se-
gen von oben/ gegeben wird; so endlich so weit nicht mehr weg seyn kan/ und mit
desto hertzlicher gedult zu erwarten seyn wird. 1687.

SECTIO XII.

Auff die klagen des mangels der nöthigen besondern
erbauung: daß man zuweilen durch angemaßte freyheit
der meynungen sich darum bringe/ woran eine fromme
seele sich alsdenn zu halten habe.

DJe sehnliche neulich bey mir ausgeschüttete klagen sind mir tieff zu hertzen
getrungen; ach wie wünschte so sehnlich/ daß so leicht helffen und rath schaf-
fen könte/ als ich dessen schwertzen mit fühle: Wie mir aber die specialia,
worauf solche klagen [jede]s stückes zielen/ nicht zur gnüge bekannt sind/ so weiß nicht/
was auf dieselbe antworten solte/ als insgemein nochmal die gedult/ als das edelste
heil-pflaster aller sonst verzweiffeltesten schäden zu recommendiren: wozu noch
setze eine vor Gott anstellende hertzliche untersuchung/ wormit wir insgesammt die
vor deme unter mehreren geweste offenhertzige vertraulichkeit selbst gehindert/ oder
auch Gott hindernüssen darein kommen zu lassen gereitzet haben. Wir werden ins-
gesamt in aufrichtiger prüfung so vieles finden/ daß wir sagen müssen/ der HErr
seye gerecht/ der uns dasjenige nicht länger gelassen/ was wir entweder nicht danck-
barlich zu rechtem gebrauch angewendet/ oder wohl gar mißbrauchet haben. Wie
ich mich denn versichere/ als viel menschlich von der sache geurtheilet werden mag/
da wir mit einander bey der ersten absicht/ dahin einig zu trachten/ wie wir die uns
bey unserer kirchen von jugend auf (und zwar als viel mich gewiß achte/ warhafftig
aus dem wort des HErrn) vorgetragene und eingetruckte warheiten fruchtbar ma-
chen/ und wohin uns dieselbe weisen allein in die übung bringen möchten/ geblie-
ben wären/ solte der bau in Gottes segen trefflich von statten gegangen/ und ver-
gebens gewesen seyn/ womit iemand denselben zu stöhren gesucht solte haben.
Aber ungebundene freyheit/ so einen herrlichen schein hatte/ hat das glücklich vor-
gehabte betrübter weise ins stecken gebracht/ da auch hertzlich gesinnete erstlich
stutzig und forchtsam würden/ darauff wahrhafftig solche gefahr dero der verhoffte
nutzen nicht gleich geachtet werden könte/ wargenommen/ und sich zurücke ziehen
müssen; andere aber so etwa ohne das das gute auch nicht anders als mit schälen
augen angesehen/ dardurch die verlangte gelegenheit bekommen haben/ demjeni-
gen sich zu widersetzen/ woran man billich mangel und bedencken nun mehr zeigen

könte.

Das ſechſte Capitel.
bald vorbey gehen/ damit man auffs neue ihm dancke/ wo dieſelbe auff Babel zu-
ruͤck gefallen/ und das verſtoͤhrte Zion wieder auffzubauen zeit und ſtunde/ auch ſe-
gen von oben/ gegeben wird; ſo endlich ſo weit nicht mehr weg ſeyn kan/ und mit
deſto hertzlicher gedult zu erwarten ſeyn wird. 1687.

SECTIO XII.

Auff die klagen des mangels der noͤthigen beſondern
erbauung: daß man zuweilen durch angemaßte freyheit
der meynungen ſich darum bringe/ woran eine fromme
ſeele ſich alsdenn zu halten habe.

DJe ſehnliche neulich bey mir ausgeſchuͤttete klagen ſind mir tieff zu hertzen
getrungen; ach wie wuͤnſchte ſo ſehnlich/ daß ſo leicht helffen und rath ſchaf-
fen koͤnte/ als ich deſſen ſchwertzen mit fuͤhle: Wie mir aber die ſpecialia,
worauf ſolche klagen [jede]s ſtuͤckes zielen/ nicht zur gnuͤge bekannt ſind/ ſo weiß nicht/
was auf dieſelbe antworten ſolte/ als insgemein nochmal die gedult/ als das edelſte
heil-pflaſter aller ſonſt verzweiffelteſten ſchaͤden zu recommendiren: wozu noch
ſetze eine vor Gott anſtellende hertzliche unterſuchung/ wormit wir insgeſammt die
vor deme unter mehreren geweſte offenhertzige vertraulichkeit ſelbſt gehindert/ oder
auch Gott hindernuͤſſen darein kommen zu laſſen gereitzet haben. Wir werden ins-
geſamt in aufrichtiger pruͤfung ſo vieles finden/ daß wir ſagen muͤſſen/ der HErr
ſeye gerecht/ der uns dasjenige nicht laͤnger gelaſſen/ was wir entweder nicht danck-
barlich zu rechtem gebrauch angewendet/ oder wohl gar mißbrauchet haben. Wie
ich mich denn verſichere/ als viel menſchlich von der ſache geurtheilet werden mag/
da wir mit einander bey der erſten abſicht/ dahin einig zu trachten/ wie wir die uns
bey unſerer kirchen von jugend auf (und zwar als viel mich gewiß achte/ warhafftig
aus dem wort des HErrn) vorgetragene uñ eingetruckte warheiten fruchtbar ma-
chen/ und wohin uns dieſelbe weiſen allein in die uͤbung bringen moͤchten/ geblie-
ben waͤren/ ſolte der bau in Gottes ſegen trefflich von ſtatten gegangen/ und ver-
gebens geweſen ſeyn/ womit iemand denſelben zu ſtoͤhren geſucht ſolte haben.
Aber ungebundene freyheit/ ſo einen herrlichen ſchein hatte/ hat das gluͤcklich vor-
gehabte betruͤbter weiſe ins ſtecken gebracht/ da auch hertzlich geſinnete erſtlich
ſtutzig und forchtſam wuͤrden/ darauff wahrhafftig ſolche gefahr dero der verhoffte
nutzen nicht gleich geachtet werden koͤnte/ wargenommen/ und ſich zuruͤcke ziehen
muͤſſen; andere aber ſo etwa ohne das das gute auch nicht anders als mit ſchaͤlen
augen angeſehen/ dardurch die verlangte gelegenheit bekommen haben/ demjeni-
gen ſich zu widerſetzen/ woran man billich mangel und bedencken nun mehr zeigen

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[709[708]/0726] Das ſechſte Capitel. bald vorbey gehen/ damit man auffs neue ihm dancke/ wo dieſelbe auff Babel zu- ruͤck gefallen/ und das verſtoͤhrte Zion wieder auffzubauen zeit und ſtunde/ auch ſe- gen von oben/ gegeben wird; ſo endlich ſo weit nicht mehr weg ſeyn kan/ und mit deſto hertzlicher gedult zu erwarten ſeyn wird. 1687. SECTIO XII. Auff die klagen des mangels der noͤthigen beſondern erbauung: daß man zuweilen durch angemaßte freyheit der meynungen ſich darum bringe/ woran eine fromme ſeele ſich alsdenn zu halten habe. DJe ſehnliche neulich bey mir ausgeſchuͤttete klagen ſind mir tieff zu hertzen getrungen; ach wie wuͤnſchte ſo ſehnlich/ daß ſo leicht helffen und rath ſchaf- fen koͤnte/ als ich deſſen ſchwertzen mit fuͤhle: Wie mir aber die ſpecialia, worauf ſolche klagen jedes ſtuͤckes zielen/ nicht zur gnuͤge bekannt ſind/ ſo weiß nicht/ was auf dieſelbe antworten ſolte/ als insgemein nochmal die gedult/ als das edelſte heil-pflaſter aller ſonſt verzweiffelteſten ſchaͤden zu recommendiren: wozu noch ſetze eine vor Gott anſtellende hertzliche unterſuchung/ wormit wir insgeſammt die vor deme unter mehreren geweſte offenhertzige vertraulichkeit ſelbſt gehindert/ oder auch Gott hindernuͤſſen darein kommen zu laſſen gereitzet haben. Wir werden ins- geſamt in aufrichtiger pruͤfung ſo vieles finden/ daß wir ſagen muͤſſen/ der HErr ſeye gerecht/ der uns dasjenige nicht laͤnger gelaſſen/ was wir entweder nicht danck- barlich zu rechtem gebrauch angewendet/ oder wohl gar mißbrauchet haben. Wie ich mich denn verſichere/ als viel menſchlich von der ſache geurtheilet werden mag/ da wir mit einander bey der erſten abſicht/ dahin einig zu trachten/ wie wir die uns bey unſerer kirchen von jugend auf (und zwar als viel mich gewiß achte/ warhafftig aus dem wort des HErrn) vorgetragene uñ eingetruckte warheiten fruchtbar ma- chen/ und wohin uns dieſelbe weiſen allein in die uͤbung bringen moͤchten/ geblie- ben waͤren/ ſolte der bau in Gottes ſegen trefflich von ſtatten gegangen/ und ver- gebens geweſen ſeyn/ womit iemand denſelben zu ſtoͤhren geſucht ſolte haben. Aber ungebundene freyheit/ ſo einen herrlichen ſchein hatte/ hat das gluͤcklich vor- gehabte betruͤbter weiſe ins ſtecken gebracht/ da auch hertzlich geſinnete erſtlich ſtutzig und forchtſam wuͤrden/ darauff wahrhafftig ſolche gefahr dero der verhoffte nutzen nicht gleich geachtet werden koͤnte/ wargenommen/ und ſich zuruͤcke ziehen muͤſſen; andere aber ſo etwa ohne das das gute auch nicht anders als mit ſchaͤlen augen angeſehen/ dardurch die verlangte gelegenheit bekommen haben/ demjeni- gen ſich zu widerſetzen/ woran man billich mangel und bedencken nun mehr zeigen koͤnte.

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 709[708]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/726>, abgerufen am 22.11.2024.