Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.ARTIC. II. SECTIO II. fast einig in einer mittelmäßigen gabe der öffentlichen predigtenund catechisirung zu bestehen/ so viel mich erkennen kan/ achte/ mir nicht anders vorkommt/ als daß es von dem Herrn zu dieser stelle eigenlich gewidmet und darnach gerichtet seye/ in dem sol- che bey einen gantz volckreicher gemeinde ihren meissten gebrauch ha- ben: hingegen in Dreßden solte an einer function stehen/ da die gemeinde aus zwahr viel höhern an stande/ aber an zahl we- nigern personen bestehet/ aber zu dem catechismo keine gelegen- heit vor mir sehe. Woraus folget/ daß die mir vornehmlich geeignete gaben daselbsten ehe weniger als mehr frucht zu schaffen gelegenheit finden dürfften: welches ich gleichwohl mit den wei- sen rath und providenz GOTTes/ der uns kennet/ nicht aller- dings reimen kan. 5. So vielmehr wo ich dieses hinzusetze/ welches mein schwehr- stes anliegen ist/ daß ich hingegen bey mir die jenige gaben und qualitäten am allerwenigsten finde/ welche am allermeisten bey der aufftragenden function erfordert werden. Nach meinen begriff will dieses hohe amt einen man haben/ welcher von ungemeiner klugheit in allen amtsverrichtungen seye/ eine einem Theologo an- ständige gravität habe/ zu erlangung einer solchen autorität/ die ihn zum nachtruck seines amts dienlich/ so dann mit einer getrosten hertzhafftigkeit ausgerüstet seye/ nicht nur eine in dem amt nöthi- ge resolution in schwehren sachen in dem hertzen zu fassen/ sondern auch dieselbe ohne turbation des gemütss/ wie es von nöthen ist/ in das werck zu richten. Wie ich aber in den geringern dingen ge- gen jene zu rechnen so thane klugheit nicht finde/ sondern so offt- mahls auch in nach vermögen überlegten sachen bey dem ausgang et- was anders als verhoffet hatte erfahre/ und also daß non puta- ram sagen muß/ so der klugheit zu wider ist: also wird jeder- man/ der mich kennet/ befinden/ daß mirs auch an den manglet/ was natürlicher weise zu sothanen dotibus erfordert wird. Daß also wo ich hirauff sehe/ so viel ich mich prüffen kan (da gleichwohl der HERR nicht fordert/ blindlings in eine gefahr hinein zu lauf- fen) Qqqq
ARTIC. II. SECTIO II. faſt einig in einer mittelmaͤßigen gabe der oͤffentlichen predigtenund catechiſirung zu beſtehen/ ſo viel mich erkennen kan/ achte/ mir nicht anders vorkommt/ als daß es von dem Herrn zu dieſer ſtelle eigenlich gewidmet und darnach gerichtet ſeye/ in dem ſol- che bey einen gantz volckreicher gemeinde ihren meiſſten gebrauch ha- ben: hingegen in Dreßden ſolte an einer function ſtehen/ da die gemeinde aus zwahr viel hoͤhern an ſtande/ aber an zahl we- nigern perſonen beſtehet/ aber zu dem catechiſmo keine gelegen- heit vor mir ſehe. Woraus folget/ daß die mir vornehmlich geeignete gaben daſelbſten ehe weniger als mehr frucht zu ſchaffen gelegenheit finden duͤrfften: welches ich gleichwohl mit den wei- ſen rath und providenz GOTTes/ der uns kennet/ nicht aller- dings reimen kan. 5. So vielmehr wo ich dieſes hinzuſetze/ welches mein ſchwehr- ſtes anliegen iſt/ daß ich hingegen bey mir die jenige gaben und qualitaͤten am allerwenigſten finde/ welche am allermeiſten bey der aufftragenden function erfordert werden. Nach meinen begriff will dieſes hohe amt einen man haben/ welcher von ungemeiner klugheit in allen amtsverrichtungen ſeye/ eine einem Theologo an- ſtaͤndige gravität habe/ zu erlangung einer ſolchen autoritaͤt/ die ihn zum nachtruck ſeines amts dienlich/ ſo dann mit einer getroſten hertzhafftigkeit ausgeruͤſtet ſeye/ nicht nur eine in dem amt noͤthi- ge reſolution in ſchwehren ſachen in dem hertzen zu faſſen/ ſondern auch dieſelbe ohne turbation des gemuͤtss/ wie es von noͤthen iſt/ in das werck zu richten. Wie ich aber in den geringern dingen ge- gen jene zu rechnen ſo thane klugheit nicht finde/ ſondern ſo offt- mahls auch in nach vermoͤgen uͤberlegten ſachen bey dem ausgang et- was anders als verhoffet hatte erfahre/ und alſo daß non puta- ram ſagen muß/ ſo der klugheit zu wider iſt: alſo wird jeder- man/ der mich kennet/ befinden/ daß mirs auch an den manglet/ was natuͤrlicher weiſe zu ſothanen dotibus erfordert wird. Daß alſo wo ich hirauff ſehe/ ſo viel ich mich pruͤffen kan (da gleichwohl der HERR nicht fordert/ blindlings in eine gefahr hinein zu lauf- fen) Qqqq
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ARTIC. II. SECTIO II.
faſt einig in einer mittelmaͤßigen gabe der oͤffentlichen predigten
und catechiſirung zu beſtehen/ ſo viel mich erkennen kan/ achte/
mir nicht anders vorkommt/ als daß es von dem Herrn zu dieſer
ſtelle eigenlich gewidmet und darnach gerichtet ſeye/ in dem ſol-
che bey einen gantz volckreicher gemeinde ihren meiſſten gebrauch ha-
ben: hingegen in Dreßden ſolte an einer function ſtehen/ da
die gemeinde aus zwahr viel hoͤhern an ſtande/ aber an zahl we-
nigern perſonen beſtehet/ aber zu dem catechiſmo keine gelegen-
heit vor mir ſehe. Woraus folget/ daß die mir vornehmlich
geeignete gaben daſelbſten ehe weniger als mehr frucht zu ſchaffen
gelegenheit finden duͤrfften: welches ich gleichwohl mit den wei-
ſen rath und providenz GOTTes/ der uns kennet/ nicht aller-
dings reimen kan.
5.
So vielmehr wo ich dieſes hinzuſetze/ welches mein ſchwehr-
ſtes anliegen iſt/ daß ich hingegen bey mir die jenige gaben und
qualitaͤten am allerwenigſten finde/ welche am allermeiſten bey der
aufftragenden function erfordert werden. Nach meinen begriff
will dieſes hohe amt einen man haben/ welcher von ungemeiner
klugheit in allen amtsverrichtungen ſeye/ eine einem Theologo an-
ſtaͤndige gravität habe/ zu erlangung einer ſolchen autoritaͤt/ die
ihn zum nachtruck ſeines amts dienlich/ ſo dann mit einer getroſten
hertzhafftigkeit ausgeruͤſtet ſeye/ nicht nur eine in dem amt noͤthi-
ge reſolution in ſchwehren ſachen in dem hertzen zu faſſen/ ſondern
auch dieſelbe ohne turbation des gemuͤtss/ wie es von noͤthen iſt/
in das werck zu richten. Wie ich aber in den geringern dingen ge-
gen jene zu rechnen ſo thane klugheit nicht finde/ ſondern ſo offt-
mahls auch in nach vermoͤgen uͤberlegten ſachen bey dem ausgang et-
was anders als verhoffet hatte erfahre/ und alſo daß non puta-
ram ſagen muß/ ſo der klugheit zu wider iſt: alſo wird jeder-
man/ der mich kennet/ befinden/ daß mirs auch an den manglet/
was natuͤrlicher weiſe zu ſothanen dotibus erfordert wird. Daß
alſo wo ich hirauff ſehe/ ſo viel ich mich pruͤffen kan (da gleichwohl
der HERR nicht fordert/ blindlings in eine gefahr hinein zu lauf-
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 673. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/691>, abgerufen am 02.07.2024. |