Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.ARTIC. I. DISTINCT. I. SECT. VII. befindlich seyn/ von solchen die zum andern und dritten mahl abgefallen seyn; Eshat aber Herr Stenger wohl in acht zunehmen/ daß in der Schrifft der perso- nen nicht so viel befindlich sind/ deren gantzes leben darinn stunde; und folget al- so nicht: von dieser person lesen wir nicht/ daß sie jemahl/ oder von einer andern allein einmahl/ daß sie von GOtt abgewichen seyn/ deßwegen ists auch sonst nie geschehen: (Weswegen es gar gefährlich ist/ mit ihm zu sagen von gewissen per- sonen/ von denen in der Schrifft keine schwere sünde auffgezeichnet seind/ daß sol- che niemahl keine begangen) Solche autoritas negata machet die sache nicht aus. Und wenn denn auch keine exempel gezeiget werden mögten/ ist damit zum gegentheil noch nichts gewonnen. So sind die jenige/ deren leben außfuhrlicher in der Schrifft beschrieben wird/ gemeiniglich exempel sonderbahrer hocherleuch- ter leute/ da es wohl seyn mag/ daß ein- und andere derselben etwa nicht mehr als einmahl von ihrem GOtt abgetreten. Aber darauß folget nicht/ daß derwegen der jenigen mehr seyen/ von denen solches auch mögte gesagt werden: Wo es a- ber anders geschehe/ sey es ein gantz ausserodentliches. Gesetzt also: (weil wir in solcher frage/ unser urthel vor dißmahl nicht interponiren wollen) David seye nicht mehr/ als in dem handel Uriae von GOtt abgefallen/ folget noch nicht/ daß dieses das gemeine aller kinder GOttes seye. Wir wollen aber Herr Stengern vor dißmahl alleine vorhalten das exempel der Galater; Die waren von Paulo durch das Evangelium aus dem Heidenthum (seynd einige unter denselben auch Jüden gewesen/ wie fast erscheinet/ und solche nachmahl sich wiederum der in der beschneidung beschehenen wiedergeburt verlustig gemacht/ wie Nicodemus Joh. 3. daß dahero die bekehrung Pauli die zweyte wiedergeburt gewesen/ so gehet von seiten derselben das exempel/ so viel stärcker gegen Herr Stengers meynung) bekehret worden/ und solches also/ daß Paulus vieles von ihnen rühmet/ daß sie den heiligen Geist empfangen 3/ 3. vieles schon deßwegen gelitten. vers. 4. GOtt habe ihnen den Geist gereicht/ und unter ihnen thaten gethan/ v. 5. Sie seyn da- mahls seelig gewesen. 4. 15. Jst also nicht zuzweifelen/ daß damahls die rechte erleuchtete busse in ihrer bekehrung geschehen seye: Gleichwol war nicht nur einer oder ander von ihnen/ sondern die meisten wo nicht alle/ wiederum von der war- heit abgetreten/ und hatten sich verführen lassen: Daß Paulus sagen darff; Sie seyen bezaubert (Christus seye unter ihnen gecreutziget/ sie haben Christum ver- lassen/ sie seyen von der gnade abgefallen. Sind lauter anzeigungen/ daß nun- mehr sie im verdamlichen stand gestanden/ und also todtsünden begangen. Gleich- wohl gebiehret sie Paulus wiederum mit schme[r]tzen. c. 4. v. 19. und glaubt/ daß Christus wiederum eine gestalt in ihnen gewinnen werde: und solches hält er vor nichts ausserordentliches/ weil ers an der gantzen oder vielmehr vielen gemeinen versucht/ und darzu hoffnung hat. Aber es bedarff nicht/ daß wir in den exem- peln uns lange auffhalten. 4. Wird angezogen der spruch/ Hiob. 33. 29. Siehe das alles G 2
ARTIC. I. DISTINCT. I. SECT. VII. befindlich ſeyn/ von ſolchen die zum andern und dritten mahl abgefallen ſeyn; Eshat aber Herr Stenger wohl in acht zunehmen/ daß in der Schrifft der perſo- nen nicht ſo viel befindlich ſind/ deren gantzes leben darinn ſtunde; und folget al- ſo nicht: von dieſer perſon leſen wir nicht/ daß ſie jemahl/ oder von einer andern allein einmahl/ daß ſie von GOtt abgewichen ſeyn/ deßwegen iſts auch ſonſt nie geſchehen: (Weswegen es gar gefaͤhrlich iſt/ mit ihm zu ſagen von gewiſſen per- ſonen/ von denen in der Schrifft keine ſchwere ſuͤnde auffgezeichnet ſeind/ daß ſol- che niemahl keine begangen) Solche autoritas negata machet die ſache nicht aus. Und wenn denn auch keine exempel gezeiget werden moͤgten/ iſt damit zum gegentheil noch nichts gewonnen. So ſind die jenige/ deren leben außfuhrlicher in der Schrifft beſchrieben wird/ gemeiniglich exempel ſonderbahrer hocherleuch- ter leute/ da es wohl ſeyn mag/ daß ein- und andere derſelben etwa nicht mehr als einmahl von ihrem GOtt abgetreten. Aber darauß folget nicht/ daß derwegen der jenigen mehr ſeyen/ von denen ſolches auch moͤgte geſagt werden: Wo es a- ber anders geſchehe/ ſey es ein gantz auſſerodentliches. Geſetzt alſo: (weil wir in ſolcher frage/ unſer urthel vor dißmahl nicht interponiren wollen) David ſeye nicht mehr/ als in dem handel Uriæ von GOtt abgefallen/ folget noch nicht/ daß dieſes das gemeine aller kinder GOttes ſeye. Wir wollen aber Herr Stengern vor dißmahl alleine vorhalten das exempel der Galater; Die waren von Paulo durch das Evangelium aus dem Heidenthum (ſeynd einige unter denſelben auch Juͤden geweſen/ wie faſt erſcheinet/ und ſolche nachmahl ſich wiederum der in der beſchneidung beſchehenen wiedergeburt verluſtig gemacht/ wie Nicodemus Joh. 3. daß dahero die bekehrung Pauli die zweyte wiedergeburt geweſen/ ſo gehet von ſeiten derſelben das exempel/ ſo viel ſtaͤrcker gegen Herr Stengers meynung) bekehret worden/ und ſolches alſo/ daß Paulus vieles von ihnen ruͤhmet/ daß ſie den heiligen Geiſt empfangen 3/ 3. vieles ſchon deßwegen gelitten. verſ. 4. GOtt habe ihnen den Geiſt gereicht/ und unter ihnen thaten gethan/ v. 5. Sie ſeyn da- mahls ſeelig geweſen. 4. 15. Jſt alſo nicht zuzweifelen/ daß damahls die rechte erleuchtete buſſe in ihrer bekehrung geſchehen ſeye: Gleichwol war nicht nur einer oder ander von ihnen/ ſondern die meiſten wo nicht alle/ wiederum von der war- heit abgetreten/ und hatten ſich verfuͤhren laſſen: Daß Paulus ſagen darff; Sie ſeyen bezaubert (Chriſtus ſeye unter ihnen gecreutziget/ ſie haben Chriſtum ver- laſſen/ ſie ſeyen von der gnade abgefallen. Sind lauter anzeigungen/ daß nun- mehr ſie im verdamlichen ſtand geſtanden/ und alſo todtſuͤnden begangen. Gleich- wohl gebiehret ſie Paulus wiederum mit ſchme[r]tzen. c. 4. v. 19. und glaubt/ daß Chriſtus wiederum eine geſtalt in ihnen gewinnen werde: und ſolches haͤlt er vor nichts auſſerordentliches/ weil ers an der gantzen oder vielmehr vielen gemeinen verſucht/ und darzu hoffnung hat. Aber es bedarff nicht/ daß wir in den exem- peln uns lange auffhalten. 4. Wird angezogen der ſpruch/ Hiob. 33. 29. Siehe das alles G 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0069" n="51"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARTIC</hi>. I. DISTINCT. I. <hi rendition="#g">SECT</hi>. VII.</hi></fw><lb/> befindlich ſeyn/ von ſolchen die zum andern und dritten mahl abgefallen ſeyn; Es<lb/> hat aber Herr Stenger wohl in acht zunehmen/ daß in der Schrifft der perſo-<lb/> nen nicht ſo viel befindlich ſind/ deren gantzes leben darinn ſtunde; und folget al-<lb/> ſo nicht: von dieſer perſon leſen wir nicht/ daß ſie jemahl/ oder von einer andern<lb/> allein einmahl/ daß ſie von GOtt abgewichen ſeyn/ deßwegen iſts auch ſonſt nie<lb/> geſchehen: (Weswegen es gar gefaͤhrlich iſt/ mit ihm zu ſagen von gewiſſen per-<lb/> ſonen/ von denen in der Schrifft keine ſchwere ſuͤnde auffgezeichnet ſeind/ daß ſol-<lb/> che niemahl keine begangen) Solche <hi rendition="#aq">autoritas negata</hi> machet die ſache nicht<lb/> aus. Und wenn denn auch keine exempel gezeiget werden moͤgten/ iſt damit zum<lb/> gegentheil noch nichts gewonnen. So ſind die jenige/ deren leben außfuhrlicher<lb/> in der Schrifft beſchrieben wird/ gemeiniglich exempel ſonderbahrer hocherleuch-<lb/> ter leute/ da es wohl ſeyn mag/ daß ein- und andere derſelben etwa nicht mehr als<lb/> einmahl von ihrem GOtt abgetreten. Aber darauß folget nicht/ daß derwegen<lb/> der jenigen mehr ſeyen/ von denen ſolches auch moͤgte geſagt werden: Wo es a-<lb/> ber anders geſchehe/ ſey es ein gantz auſſerodentliches. Geſetzt alſo: (weil wir<lb/> in ſolcher frage/ unſer urthel vor dißmahl nicht <hi rendition="#aq">interponiren</hi> wollen) David ſeye<lb/> nicht mehr/ als in dem handel <hi rendition="#aq">Uriæ</hi> von GOtt abgefallen/ folget noch nicht/ daß<lb/> dieſes das gemeine aller kinder GOttes ſeye. Wir wollen aber Herr Stengern<lb/> vor dißmahl alleine vorhalten das exempel der Galater; Die waren von Paulo<lb/> durch das Evangelium aus dem Heidenthum (ſeynd einige unter denſelben auch<lb/> Juͤden geweſen/ wie faſt erſcheinet/ und ſolche nachmahl ſich wiederum der in der<lb/> beſchneidung beſchehenen wiedergeburt verluſtig gemacht/ wie <hi rendition="#aq">Nicodemus Joh.<lb/> 3.</hi> daß dahero die bekehrung Pauli die zweyte wiedergeburt geweſen/ ſo gehet<lb/> von ſeiten derſelben das exempel/ ſo viel ſtaͤrcker gegen Herr Stengers meynung)<lb/> bekehret worden/ und ſolches alſo/ daß Paulus vieles von ihnen ruͤhmet/ daß ſie<lb/> den heiligen Geiſt empfangen 3/ 3. vieles ſchon deßwegen gelitten. verſ. 4. GOtt<lb/> habe ihnen den Geiſt gereicht/ und unter ihnen thaten gethan/ v. 5. Sie ſeyn da-<lb/> mahls ſeelig geweſen. 4. 15. Jſt alſo nicht zuzweifelen/ daß damahls die rechte<lb/> erleuchtete buſſe in ihrer bekehrung geſchehen ſeye: Gleichwol war nicht nur einer<lb/> oder ander von ihnen/ ſondern die meiſten wo nicht alle/ wiederum von der war-<lb/> heit abgetreten/ und hatten ſich verfuͤhren laſſen: Daß Paulus ſagen darff; Sie<lb/> ſeyen bezaubert (Chriſtus ſeye unter ihnen gecreutziget/ ſie haben Chriſtum ver-<lb/> laſſen/ ſie ſeyen von der gnade abgefallen. Sind lauter anzeigungen/ daß nun-<lb/> mehr ſie im verdamlichen ſtand geſtanden/ und alſo todtſuͤnden begangen. Gleich-<lb/> wohl gebiehret ſie Paulus wiederum mit ſchme<supplied>r</supplied>tzen. <hi rendition="#aq">c. 4. v. 19.</hi> und glaubt/ daß<lb/> Chriſtus wiederum eine geſtalt in ihnen gewinnen werde: und ſolches haͤlt er vor<lb/> nichts auſſerordentliches/ weil ers an der gantzen oder vielmehr vielen gemeinen<lb/> verſucht/ und darzu hoffnung hat. Aber es bedarff nicht/ daß wir in den exem-<lb/> peln uns lange auffhalten. 4. Wird angezogen der ſpruch/ <hi rendition="#fr">Hiob. 33. 29. Siehe das</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig">G 2</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">alles</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [51/0069]
ARTIC. I. DISTINCT. I. SECT. VII.
befindlich ſeyn/ von ſolchen die zum andern und dritten mahl abgefallen ſeyn; Es
hat aber Herr Stenger wohl in acht zunehmen/ daß in der Schrifft der perſo-
nen nicht ſo viel befindlich ſind/ deren gantzes leben darinn ſtunde; und folget al-
ſo nicht: von dieſer perſon leſen wir nicht/ daß ſie jemahl/ oder von einer andern
allein einmahl/ daß ſie von GOtt abgewichen ſeyn/ deßwegen iſts auch ſonſt nie
geſchehen: (Weswegen es gar gefaͤhrlich iſt/ mit ihm zu ſagen von gewiſſen per-
ſonen/ von denen in der Schrifft keine ſchwere ſuͤnde auffgezeichnet ſeind/ daß ſol-
che niemahl keine begangen) Solche autoritas negata machet die ſache nicht
aus. Und wenn denn auch keine exempel gezeiget werden moͤgten/ iſt damit zum
gegentheil noch nichts gewonnen. So ſind die jenige/ deren leben außfuhrlicher
in der Schrifft beſchrieben wird/ gemeiniglich exempel ſonderbahrer hocherleuch-
ter leute/ da es wohl ſeyn mag/ daß ein- und andere derſelben etwa nicht mehr als
einmahl von ihrem GOtt abgetreten. Aber darauß folget nicht/ daß derwegen
der jenigen mehr ſeyen/ von denen ſolches auch moͤgte geſagt werden: Wo es a-
ber anders geſchehe/ ſey es ein gantz auſſerodentliches. Geſetzt alſo: (weil wir
in ſolcher frage/ unſer urthel vor dißmahl nicht interponiren wollen) David ſeye
nicht mehr/ als in dem handel Uriæ von GOtt abgefallen/ folget noch nicht/ daß
dieſes das gemeine aller kinder GOttes ſeye. Wir wollen aber Herr Stengern
vor dißmahl alleine vorhalten das exempel der Galater; Die waren von Paulo
durch das Evangelium aus dem Heidenthum (ſeynd einige unter denſelben auch
Juͤden geweſen/ wie faſt erſcheinet/ und ſolche nachmahl ſich wiederum der in der
beſchneidung beſchehenen wiedergeburt verluſtig gemacht/ wie Nicodemus Joh.
3. daß dahero die bekehrung Pauli die zweyte wiedergeburt geweſen/ ſo gehet
von ſeiten derſelben das exempel/ ſo viel ſtaͤrcker gegen Herr Stengers meynung)
bekehret worden/ und ſolches alſo/ daß Paulus vieles von ihnen ruͤhmet/ daß ſie
den heiligen Geiſt empfangen 3/ 3. vieles ſchon deßwegen gelitten. verſ. 4. GOtt
habe ihnen den Geiſt gereicht/ und unter ihnen thaten gethan/ v. 5. Sie ſeyn da-
mahls ſeelig geweſen. 4. 15. Jſt alſo nicht zuzweifelen/ daß damahls die rechte
erleuchtete buſſe in ihrer bekehrung geſchehen ſeye: Gleichwol war nicht nur einer
oder ander von ihnen/ ſondern die meiſten wo nicht alle/ wiederum von der war-
heit abgetreten/ und hatten ſich verfuͤhren laſſen: Daß Paulus ſagen darff; Sie
ſeyen bezaubert (Chriſtus ſeye unter ihnen gecreutziget/ ſie haben Chriſtum ver-
laſſen/ ſie ſeyen von der gnade abgefallen. Sind lauter anzeigungen/ daß nun-
mehr ſie im verdamlichen ſtand geſtanden/ und alſo todtſuͤnden begangen. Gleich-
wohl gebiehret ſie Paulus wiederum mit ſchmertzen. c. 4. v. 19. und glaubt/ daß
Chriſtus wiederum eine geſtalt in ihnen gewinnen werde: und ſolches haͤlt er vor
nichts auſſerordentliches/ weil ers an der gantzen oder vielmehr vielen gemeinen
verſucht/ und darzu hoffnung hat. Aber es bedarff nicht/ daß wir in den exem-
peln uns lange auffhalten. 4. Wird angezogen der ſpruch/ Hiob. 33. 29. Siehe das
alles
G 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/69 |
Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/69>, abgerufen am 22.07.2024. |