Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.Das sechste Capitel. sen wir entweder den Calvinisten gestehen/ daß die einmahl wiedergeborne bloßdahin aus ihrem gnaden stand nicht wieder fallen können/ welches Herr Stenger ihnen nicht einräumen wird/ oder wir müssen erkennen/ es werde in sensu com- posito geredet/ die aus GOtt gebohren sind/ so fern sie aus ihm gebohren/ und so fern und so lang sein same bey ihnen bleibet/ thun nicht sünde: welches D. AEgid. Hunnius bey solchem spruch gar fein erklähret/ wenn er die meynung des heiligen Apostels also fasset: Qui est manetque in Christo, tanquam Pal- mes in Vite, is certe non producit tribulos & spinas peccatorum regnan- tium, neque regnare sinit peccatum in mortali suo corpore, quam diu ni- mirum est & manet in Christo: und: Proinde qui ex Deo natus est, quatenus is est renatus, & quamdiu renatus permanet, peccatum certe non commit- tit: Peccatum sc. contra conscientiam & ex deliberato animi proposito consilioque profectum. Imo non potest peccare modo jam explicato, ut sc. simul peccet ac nihil ominus renatus maneat. Quin potius quan primum ex proposito sciens volensque peccat, confestim renatus esse desinit. Hieraus folget aber gar nicht/ daß deswegen der das zweytemal wiedergebohren (weil der heilige Geist kein unterscheid machet) niemal wieder in tod-sünde fallen solte können. Damit auch zugleich beantwortet ist der spruch 1. Joh. 5/ 18. Wir wissen/ daß wer von GOtt gebohren ist/ der s[ü]ndiget nicht/ son- dern wer von GOtt gebohren ist/ der bewahret sich/ und der arge wird ihn nicht antasten. Und was der Apostel 1. 5. 2. 3. sagt: Daran erkennen wir/ daß wir GOttes kinder lieben/ wenn wir GOtt lieben und seine ge- both halten. Denn das ist die liebe zu GOTT/ daß wir seine gebot halten. Es wird da beschrieben/ was der frommen kinder GOTTES nicht nur schuldigkeit sey/ sondern/ wessen sie sich auch befleissen/ nemlich/ göttli- ches wort zu halten/ damit bringen sie ihr leben zu/ als lang sie GOttes kinder seynd. Aber das stehet nicht darbey/ daß es so selten geschehe/ daß eines von den- selben von solchem weg der geboten GOttes sich abführen lasse. 2. Was den spruch anlanget Sprüchw. 4/ 18. Der gerechten pfad gläntzet wie ein liecht/ das da fortgehet/ und leuchtet biß auffden vollen tag. So ists freylich wahr daß der gerechte immer wächset in der tugend/ und suchet völliger zu werden/ so lang er auff seinem pfad gehet/ aber daß er niemahl von seinem pfad abtrette/ daß stehet nichtda. Der eigentlichste verstand ist der/ welchen der wohlverdiente Chur Sächs. Theologus D. Geyer p. 201. heraus zeucht: Piis [s]emper Lux suppetit, ad scandala ruinasque devitandas; ubi contra im- pii non possunt non in tenebris impingere, aeternumque interire. Wie nun aber nicht folget/ daß deßwegen die gottlosen nicht können auf den befind-
Das ſechſte Capitel. ſen wir entweder den Calviniſten geſtehen/ daß die einmahl wiedergeborne bloßdahin aus ihrem gnaden ſtand nicht wieder fallen koͤnnen/ welches Herr Stenger ihnen nicht einraͤumen wird/ oder wir muͤſſen erkennen/ es werde in ſenſu com- poſito geredet/ die aus GOtt gebohren ſind/ ſo fern ſie aus ihm gebohren/ und ſo fern und ſo lang ſein ſame bey ihnen bleibet/ thun nicht ſuͤnde: welches D. Ægid. Hunnius bey ſolchem ſpruch gar fein erklaͤhret/ wenn er die meynung des heiligen Apoſtels alſo faſſet: Qui eſt manetque in Chriſto, tanquam Pal- mes in Vite, is certe non producit tribulos & ſpinas peccatorum regnan- tium, neque regnare ſinit peccatum in mortali ſuo corpore, quam diu ni- mirum eſt & manet in Chriſto: und: Proinde qui ex Deo natus eſt, quatenus is eſt renatus, & quamdiu renatus permanet, peccatum certè non commit- tit: Peccatum ſc. contra conſcientiam & ex deliberato animi propoſito conſilioque profectum. Imo non poteſt peccare modo jam explicato, ut ſc. ſimul peccet ac nihil ominus renatus maneat. Quin potius quã primum ex propoſito ſciens volensque peccat, confeſtim renatus eſſe deſinit. Hieraus folget aber gar nicht/ daß deswegen der das zweytemal wiedergebohren (weil der heilige Geiſt kein unterſcheid machet) niemal wieder in tod-ſuͤnde fallen ſolte koͤnnen. Damit auch zugleich beantwortet iſt der ſpruch 1. Joh. 5/ 18. Wir wiſſen/ daß wer von GOtt gebohren iſt/ der ſ[uͤ]ndiget nicht/ ſon- dern wer von GOtt gebohren iſt/ der bewahret ſich/ und der arge wird ihn nicht antaſten. Und was der Apoſtel 1. 5. 2. 3. ſagt: Daran erkennen wir/ daß wir GOttes kinder lieben/ wenn wir GOtt lieben und ſeine ge- both halten. Denn das iſt die liebe zu GOTT/ daß wir ſeine gebot halten. Es wird da beſchrieben/ was der frommen kinder GOTTES nicht nur ſchuldigkeit ſey/ ſondern/ weſſen ſie ſich auch befleiſſen/ nemlich/ goͤttli- ches wort zu halten/ damit bringen ſie ihr leben zu/ als lang ſie GOttes kinder ſeynd. Aber das ſtehet nicht darbey/ daß es ſo ſelten geſchehe/ daß eines von den- ſelben von ſolchem weg der geboten GOttes ſich abfuͤhren laſſe. 2. Was den ſpruch anlanget Spruͤchw. 4/ 18. Der gerechten pfad glaͤntzet wie ein liecht/ das da fortgehet/ und leuchtet biß auffden vollen tag. So iſts freylich wahr daß der gerechte immer waͤchſet in der tugend/ und ſuchet voͤlliger zu werden/ ſo lang er auff ſeinem pfad gehet/ aber daß er niemahl von ſeinem pfad abtrette/ daß ſtehet nichtda. Der eigentlichſte verſtand iſt der/ welchen der wohlverdiente Chur Saͤchſ. Theologus D. Geyer p. 201. heraus zeucht: Piis [ſ]emper Lux ſuppetit, ad ſcandala ruinasque devitandas; ubi contra im- pii non poſſunt non in tenebris impingere, æternumque interire. Wie nun aber nicht folget/ daß deßwegen die gottloſen nicht koͤnnen auf den befind-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0068" n="50"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das ſechſte Capitel.</hi></fw><lb/> ſen wir entweder den Calviniſten geſtehen/ daß die einmahl wiedergeborne bloß<lb/> dahin aus ihrem gnaden ſtand nicht wieder fallen koͤnnen/ welches Herr Stenger<lb/> ihnen nicht einraͤumen wird/ oder wir muͤſſen erkennen/ <hi rendition="#fr">es werde</hi> <hi rendition="#aq">in ſenſu com-<lb/> poſito</hi> <hi rendition="#fr">geredet/</hi> die aus GOtt gebohren ſind/ <hi rendition="#fr">ſo fern ſie aus ihm gebohren/<lb/> und ſo fern und ſo lang</hi> ſein ſame bey ihnen bleibet/ thun nicht ſuͤnde: welches<lb/><hi rendition="#aq">D. Ægid. Hunnius</hi> bey ſolchem ſpruch gar fein erklaͤhret/ wenn er die meynung<lb/> des heiligen Apoſtels alſo faſſet: <hi rendition="#aq">Qui eſt manetque in Chriſto, tanquam Pal-<lb/> mes in Vite, is certe non producit tribulos & ſpinas peccatorum regnan-<lb/> tium, neque regnare ſinit peccatum in mortali ſuo corpore, <hi rendition="#i">quam diu</hi> ni-<lb/> mirum eſt & manet in Chriſto:</hi> und: <hi rendition="#aq">Proinde qui ex Deo natus eſt, <hi rendition="#i">quatenus</hi><lb/> is eſt renatus, & <hi rendition="#i">quamdiu</hi> renatus permanet, peccatum certè non commit-<lb/> tit: Peccatum ſc. contra conſcientiam & ex deliberato animi propoſito<lb/> conſilioque profectum. Imo non poteſt peccare modo jam explicato, ut<lb/> ſc. ſimul peccet ac nihil ominus renatus maneat. Quin potius quã primum<lb/> ex propoſito ſciens volensque peccat, confeſtim renatus eſſe deſinit.</hi><lb/> Hieraus folget aber gar nicht/ daß deswegen der das zweytemal wiedergebohren<lb/> (weil der heilige Geiſt kein unterſcheid machet) niemal wieder in tod-ſuͤnde fallen<lb/> ſolte koͤnnen. Damit auch zugleich beantwortet iſt der ſpruch 1. <hi rendition="#fr">Joh. 5/ 18.<lb/> Wir wiſſen/ daß wer von GOtt gebohren iſt/ der ſ<supplied>uͤ</supplied>ndiget nicht/ ſon-<lb/> dern wer von GOtt gebohren iſt/ der bewahret ſich/ und der arge wird<lb/> ihn nicht antaſten.</hi> Und was der Apoſtel 1. 5. 2. 3. ſagt: <hi rendition="#fr">Daran erkennen<lb/> wir/ daß wir GOttes kinder lieben/ wenn wir GOtt lieben und ſeine ge-<lb/> both halten. Denn das iſt die liebe zu GOTT/ daß wir ſeine gebot<lb/> halten. Es wird da beſchrieben/</hi> was der frommen kinder GOTTES<lb/> nicht nur ſchuldigkeit ſey/ ſondern/ weſſen ſie ſich auch befleiſſen/ nemlich/ goͤttli-<lb/> ches wort zu halten/ damit bringen ſie ihr leben zu/ <hi rendition="#fr">als lang ſie GOttes kinder<lb/> ſeynd.</hi> Aber das ſtehet nicht darbey/ daß es ſo ſelten geſchehe/ daß eines von den-<lb/> ſelben von ſolchem weg der geboten GOttes ſich abfuͤhren laſſe. 2. Was den<lb/> ſpruch anlanget Spruͤchw. 4/ 18. <hi rendition="#fr">Der gerechten pfad glaͤntzet wie ein liecht/<lb/> das da fortgehet/ und leuchtet biß auffden vollen tag.</hi> So iſts freylich wahr<lb/> daß der gerechte immer waͤchſet in der tugend/ und ſuchet voͤlliger zu werden/ ſo<lb/> lang <hi rendition="#fr">er auff ſeinem pfad gehet/ aber daß er niemahl von ſeinem pfad<lb/> abtrette/ daß ſtehet nichtda.</hi> Der eigentlichſte verſtand iſt der/ welchen der<lb/> wohlverdiente Chur Saͤchſ. <hi rendition="#aq">Theologus D.</hi> Geyer <hi rendition="#aq">p. 201.</hi> heraus zeucht: <hi rendition="#aq">Piis<lb/><supplied>ſ</supplied>emper Lux ſuppetit, ad ſcandala ruinasque devitandas; ubi contra im-<lb/> pii non poſſunt non in tenebris impingere, æternumque interire.</hi></p><lb/> <p>Wie nun aber nicht folget/ daß deßwegen die gottloſen nicht koͤnnen auf den<lb/> liechten weg der gerechten kommen? Alſo iſts nichts frembdes/ daß der gerechte<lb/> von ſeinem liechten weg/ ſich auff die finſtern und krummen wege der gottlo-<lb/> ſen verfuͤhren laſſe. (3.) Beruffet er ſich/ daß die exempel in der Schrifft nicht<lb/> <fw place="bottom" type="catch">befind-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0068]
Das ſechſte Capitel.
ſen wir entweder den Calviniſten geſtehen/ daß die einmahl wiedergeborne bloß
dahin aus ihrem gnaden ſtand nicht wieder fallen koͤnnen/ welches Herr Stenger
ihnen nicht einraͤumen wird/ oder wir muͤſſen erkennen/ es werde in ſenſu com-
poſito geredet/ die aus GOtt gebohren ſind/ ſo fern ſie aus ihm gebohren/
und ſo fern und ſo lang ſein ſame bey ihnen bleibet/ thun nicht ſuͤnde: welches
D. Ægid. Hunnius bey ſolchem ſpruch gar fein erklaͤhret/ wenn er die meynung
des heiligen Apoſtels alſo faſſet: Qui eſt manetque in Chriſto, tanquam Pal-
mes in Vite, is certe non producit tribulos & ſpinas peccatorum regnan-
tium, neque regnare ſinit peccatum in mortali ſuo corpore, quam diu ni-
mirum eſt & manet in Chriſto: und: Proinde qui ex Deo natus eſt, quatenus
is eſt renatus, & quamdiu renatus permanet, peccatum certè non commit-
tit: Peccatum ſc. contra conſcientiam & ex deliberato animi propoſito
conſilioque profectum. Imo non poteſt peccare modo jam explicato, ut
ſc. ſimul peccet ac nihil ominus renatus maneat. Quin potius quã primum
ex propoſito ſciens volensque peccat, confeſtim renatus eſſe deſinit.
Hieraus folget aber gar nicht/ daß deswegen der das zweytemal wiedergebohren
(weil der heilige Geiſt kein unterſcheid machet) niemal wieder in tod-ſuͤnde fallen
ſolte koͤnnen. Damit auch zugleich beantwortet iſt der ſpruch 1. Joh. 5/ 18.
Wir wiſſen/ daß wer von GOtt gebohren iſt/ der ſuͤndiget nicht/ ſon-
dern wer von GOtt gebohren iſt/ der bewahret ſich/ und der arge wird
ihn nicht antaſten. Und was der Apoſtel 1. 5. 2. 3. ſagt: Daran erkennen
wir/ daß wir GOttes kinder lieben/ wenn wir GOtt lieben und ſeine ge-
both halten. Denn das iſt die liebe zu GOTT/ daß wir ſeine gebot
halten. Es wird da beſchrieben/ was der frommen kinder GOTTES
nicht nur ſchuldigkeit ſey/ ſondern/ weſſen ſie ſich auch befleiſſen/ nemlich/ goͤttli-
ches wort zu halten/ damit bringen ſie ihr leben zu/ als lang ſie GOttes kinder
ſeynd. Aber das ſtehet nicht darbey/ daß es ſo ſelten geſchehe/ daß eines von den-
ſelben von ſolchem weg der geboten GOttes ſich abfuͤhren laſſe. 2. Was den
ſpruch anlanget Spruͤchw. 4/ 18. Der gerechten pfad glaͤntzet wie ein liecht/
das da fortgehet/ und leuchtet biß auffden vollen tag. So iſts freylich wahr
daß der gerechte immer waͤchſet in der tugend/ und ſuchet voͤlliger zu werden/ ſo
lang er auff ſeinem pfad gehet/ aber daß er niemahl von ſeinem pfad
abtrette/ daß ſtehet nichtda. Der eigentlichſte verſtand iſt der/ welchen der
wohlverdiente Chur Saͤchſ. Theologus D. Geyer p. 201. heraus zeucht: Piis
ſemper Lux ſuppetit, ad ſcandala ruinasque devitandas; ubi contra im-
pii non poſſunt non in tenebris impingere, æternumque interire.
Wie nun aber nicht folget/ daß deßwegen die gottloſen nicht koͤnnen auf den
liechten weg der gerechten kommen? Alſo iſts nichts frembdes/ daß der gerechte
von ſeinem liechten weg/ ſich auff die finſtern und krummen wege der gottlo-
ſen verfuͤhren laſſe. (3.) Beruffet er ſich/ daß die exempel in der Schrifft nicht
befind-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |