Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.ARTIC. I. DISTINCT. IV. SECTIO V. gefällig seye? Daß damit so wohl die willige unterwerffung unter seinen willen/als die nicht resistentia oder so zu reden passivitas, daß wir in geistlichen dingen nicht so wol selbs wircken als den göttlichen wirckungen nicht widerstreben/ sondern dieselbe bey uns kräfftig seyn lassen/ mit einem wort ausgedruckt wird/ und ich das- selbe so viel mehr liebe/ weil ich in keiner sprach ein gleichermassen nachtrückliches und emphatisches/ so alle diese dinge in sich begreifft/ weiß oder mich entsinnen kan/ es sind ja eben dieses lauter solche dinge/ die wir mit keinem schein leugnen mögen wir wollen dann allerdings unser gantzes Christenthum und unser Evange- lische lehr verlassen: Warum wolten wir dann eckel haben an einem unschuldi- gen wort/ welches dieselbe in sich fasset? Ferner/ was sind solche wort anders/ als da sonsten die Prediger so offt die zuhörer pflegen an zusprechen/ GOTT er- gebenen hertzen? item da wir singen/ dir uns lassen gantz und gar? So haben unsere liebe vor-eltern keinen scheu gehabt/ das wort gelassenheit als ei- nen sonderbaren titul in das gewohnlich vor den Bibeln Lutheri befindliche re- gister der materien zu setzen/ und die dicta scripturae dabey zu fügen/ und wie viel sind von unsern theuersten Theologis nach Luthero (sihe T. 7/ 8. Altenb. f. 191. b.) und Arndio, welche solches wort ohn einiges bedencken gebraucht/ ja recht hertzlich geliebt haben? Hat Weigelius und andere sich desselben in un- rechtem verstand gebraucht/ was kan das gute wort darfür/ oder wollen wir die wort glauben/ rechtfertigung/ erwehlung und andere dergleichen auch ver- werffen/ weil sie von irrigen lehrern in falschen verstand gebraucht werden. Al- so die worte verklähren und verherrlichen müssen paffiret werden/ oder wir müssen das doxazein, welches dieselbe ausdrucken/ und also des heiligen Geistes wort/ mit verwerffen: so ist die innerliche erleuchtung abermahl ein articul und wort/ welches wir so wenig verlassen können/ als einiges andere von dem heiligen Geist gebrauchte. Geben andere irr-geister unmittelbare und falsche erleuchtungen vor/ so Dann Mmmm 2
ARTIC. I. DISTINCT. IV. SECTIO V. gefaͤllig ſeye? Daß damit ſo wohl die willige unterwerffung unter ſeinen willen/als die nicht reſiſtentia oder ſo zu reden paſſivitas, daß wir in geiſtlichen dingen nicht ſo wol ſelbs wircken als den goͤttlichen wirckungen nicht widerſtreben/ ſondern dieſelbe bey uns kraͤfftig ſeyn laſſen/ mit einem wort ausgedruckt wird/ und ich daſ- ſelbe ſo viel mehr liebe/ weil ich in keiner ſprach ein gleichermaſſen nachtruͤckliches und emphatiſches/ ſo alle dieſe dinge in ſich begꝛeifft/ weiß oder mich entſinnen kan/ es ſind ja eben dieſes lauter ſolche dinge/ die wir mit keinem ſchein leugnen moͤgen wir wollen dann allerdings unſer gantzes Chriſtenthum und unſer Evange- liſche lehr verlaſſen: Warum wolten wir dann eckel haben an einem unſchuldi- gen wort/ welches dieſelbe in ſich faſſet? Ferner/ was ſind ſolche wort anders/ als da ſonſten die Prediger ſo offt die zuhoͤreꝛ pflegen an zuſprechen/ GOTT er- gebenen hertzen? item da wir ſingen/ dir uns laſſen gantz und gar? So haben unſere liebe vor-eltern keinen ſcheu gehabt/ das wort gelaſſenheit als ei- nen ſonderbaren titul in das gewohnlich vor den Bibeln Lutheri befindliche re- giſter der materien zu ſetzen/ und die dicta ſcripturæ dabey zu fuͤgen/ und wie viel ſind von unſern theuerſten Theologis nach Luthero (ſihe T. 7/ 8. Altenb. f. 191. b.) und Arndio, welche ſolches wort ohn einiges bedencken gebraucht/ ja recht hertzlich geliebt haben? Hat Weigelius und andere ſich deſſelben in un- rechtem verſtand gebraucht/ was kan das gute wort darfuͤr/ oder wollen wir die wort glauben/ rechtfertigung/ erwehlung und andere dergleichen auch ver- werffen/ weil ſie von irrigen lehrern in falſchen verſtand gebraucht werden. Al- ſo die worte verklaͤhren und verherrlichen muͤſſen paffiret werden/ oder wir muͤſſen das δοξάζειν, welches dieſelbe ausdrucken/ und alſo des heiligen Geiſtes wort/ mit verwerffen: ſo iſt die innerliche erleuchtung abermahl ein articul und wort/ welches wir ſo wenig verlaſſen koͤnnen/ als einiges andere von dem heiligen Geiſt gebrauchte. Geben andere irr-geiſter unmittelbare und falſche erleuchtungen vor/ ſo Dann Mmmm 2
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ARTIC. I. DISTINCT. IV. SECTIO V.
gefaͤllig ſeye? Daß damit ſo wohl die willige unterwerffung unter ſeinen willen/
als die nicht reſiſtentia oder ſo zu reden paſſivitas, daß wir in geiſtlichen dingen
nicht ſo wol ſelbs wircken als den goͤttlichen wirckungen nicht widerſtreben/ ſondern
dieſelbe bey uns kraͤfftig ſeyn laſſen/ mit einem wort ausgedruckt wird/ und ich daſ-
ſelbe ſo viel mehr liebe/ weil ich in keiner ſprach ein gleichermaſſen nachtruͤckliches
und emphatiſches/ ſo alle dieſe dinge in ſich begꝛeifft/ weiß oder mich entſinnen
kan/ es ſind ja eben dieſes lauter ſolche dinge/ die wir mit keinem ſchein leugnen
moͤgen wir wollen dann allerdings unſer gantzes Chriſtenthum und unſer Evange-
liſche lehr verlaſſen: Warum wolten wir dann eckel haben an einem unſchuldi-
gen wort/ welches dieſelbe in ſich faſſet? Ferner/ was ſind ſolche wort anders/
als da ſonſten die Prediger ſo offt die zuhoͤreꝛ pflegen an zuſprechen/ GOTT er-
gebenen hertzen? item da wir ſingen/ dir uns laſſen gantz und gar? So
haben unſere liebe vor-eltern keinen ſcheu gehabt/ das wort gelaſſenheit als ei-
nen ſonderbaren titul in das gewohnlich vor den Bibeln Lutheri befindliche re-
giſter der materien zu ſetzen/ und die dicta ſcripturæ dabey zu fuͤgen/ und wie viel
ſind von unſern theuerſten Theologis nach Luthero (ſihe T. 7/ 8. Altenb. f.
191. b.) und Arndio, welche ſolches wort ohn einiges bedencken gebraucht/ ja
recht hertzlich geliebt haben? Hat Weigelius und andere ſich deſſelben in un-
rechtem verſtand gebraucht/ was kan das gute wort darfuͤr/ oder wollen wir die
wort glauben/ rechtfertigung/ erwehlung und andere dergleichen auch ver-
werffen/ weil ſie von irrigen lehrern in falſchen verſtand gebraucht werden. Al-
ſo die worte verklaͤhren und verherrlichen muͤſſen paffiret werden/ oder wir
muͤſſen das δοξάζειν, welches dieſelbe ausdrucken/ und alſo des heiligen Geiſtes
wort/ mit verwerffen: ſo iſt die innerliche erleuchtung abermahl ein articul und
wort/ welches wir ſo wenig verlaſſen koͤnnen/ als einiges andere von dem heiligen
Geiſt gebrauchte.
Geben andere irr-geiſter unmittelbare und falſche erleuchtungen vor/ ſo
gehet dieſes uns nicht an/ die wir keine andere erkennen und begehren/ als die
erleuchtung des heiligen Geiſtes in unſerm hertzen durch das liecht des goͤttli-
chen worts: wie wir ſingen/ mein fuͤſſen iſt dein heilig wort ein brennen-
de lucerne ꝛc. Wo dieſer morgenſterns in uns auffgehet ꝛc. u. f. w. will
ſich einer an den andern wort ſtoſſen p. 42. Wann GOTT der heilige Geiſt
ſolches in dem er verborgenen hertzens kirche wiederholet/ andaͤchtig
und mit freuden anhoͤren ꝛc. So iſts abermahl vergebens: Dann wiꝛ muͤſ-
ſen entweder ſolches zu geben/ oder geſtehen/ daß der heilige Geiſt durch das goͤtt-
liche wort nicht laͤnger in uns wuͤrcke/ als allein ſo lange der ſchall der wor in
den ohren gehoͤret wird/ welches ja ungereimt iſt.
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