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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DIST. IV. SECT. V.
noch viel anders als wir an dieser gantzer sache nach reifflicher erwegung finden und
erkennen/ und dennoch können wir arme menschen selbs/ wo wir dieser/ plage in
der furcht des HERREN nachdencken/ unterschiedliches sehen/ wie gleich-
wol die ehre des HERREN durch vieler böser schädlicher menschen hinraffung/
hingegen anderer die wol sonsten nimmermehr wären bekehret worden/ kräfftige
bekehrung und gewinnung/ einiger gottseliger aber schwächerer hinraffung vor
den schwereren trübsalen und bevorstehenden proben/ anderer fernerer läute-
rung und geschicktmachung auf die bald einbrechende schwere gerichte/ in die-
ser harten plage auf auch uns selbst begreiffliche art möge befordert werden/ von
welcher materie ich vor einem jahr an einem lieben freund nach Leipzig einem
brieff geschrieben/ den ein vornehmer Professor Theologiae daselbst hat drucken
lassen.

Wo es nun an dem ist/ wie es dann ist/ daß auch in dieser so böse scheinen-
der sache böses ist/ so erfordert unsere schuldigkeit/ daß wir dann auch lernen unsern
guten GOTT in derselben eben so wol vor seine weißheit/ güte/ ehre/ danck zu-
sagen/ als wir ihm sonsten danck sagen/ wo er etwas dessen verfüget/ was unserem
eigenen fleisch angenehm ist. Also auch das wir zwar/ weil es gleichwol eine schwe-
re probe ist/ und ein betrübtes ansehen hat/ auch gegen die meiste warhafftig ein
zorn gericht ist/ um abwendung desselben demüthig bitten/ aber gleichwol dar-
neben uns den willen eines solchen heiligen GOTTES und barmhertzigen
Vaters gehorsamlich unterwerffen/ das nicht unser/ sondern seyn allerliebster wil-
le allein an uns und allen creaturen geschehen möge. Dabenebens wird sich
gebühren/ weil wir ohne das zu allen zeiten uns/ als unsers lebens nicht eine stun-
de gewiß/ zu der letzten reise sollen bereiten und geschickt halten/ daß wir zu einer
solcher zeit/ wo uns der todt so viel offenbahrer vor augen schwebet/ solche sorge
unsere vornemste seyen lassen/ daß wir unsere seele täglich in dem blut des Lam-
mes so wohl in hertzlichen glauben der vergebung der sünden als stäts fortsetzender
reinigung waschen/ damit wo sie der HERR von uns fordert/ wir sie getrost in
seine hände überlassen und versichert seyn mögen/ daß sie ihm ein angenehm opffer
seyen.

Jsts nun/ daß der HERR solches uns geschehen/ und also das ende unsers
lebens/ durch solche art der seuche erfolgen lässet/ so ist uns dieselbige nicht unse-
liger/ als da es durch eine andere art der kranckheit geschehen wäre/ und ist unser
vorbereitung nicht nur wohl angelegt/ sondern äusserst nothwendig gewesen.

Erhält uns aber der HErr durch seine Väterliche güte/ weil etwa das
maaß unsers leidens und unsere arbeit noch nicht erfüllet gewesen/ so haben wir
uns gleichwol auch solcher bereitung nicht reuen zu lassen/ sondern ist gewiß/ daß

sol-
Mmmm

ARTIC. I. DIST. IV. SECT. V.
noch viel anders als wir an dieſer gantzer ſache nach reifflicher erwegung finden und
erkennen/ und dennoch koͤnnen wir arme menſchen ſelbs/ wo wir dieſer/ plage in
der furcht des HERREN nachdencken/ unterſchiedliches ſehen/ wie gleich-
wol die ehre des HERREN durch vieler boͤſer ſchaͤdlicher menſchen hinraffung/
hingegen anderer die wol ſonſten nimmermehr waͤren bekehret worden/ kraͤfftige
bekehrung und gewinnung/ einiger gottſeliger aber ſchwaͤcherer hinraffung vor
den ſchwereren truͤbſalen und bevorſtehenden proben/ anderer fernerer laͤute-
rung und geſchicktmachung auf die bald einbrechende ſchwere gerichte/ in die-
ſer harten plage auf auch uns ſelbſt begreiffliche art moͤge befordert werden/ von
welcher materie ich vor einem jahr an einem lieben fꝛeund nach Leipzig einem
brieff geſchrieben/ den ein vornehmer Profeſſor Theologiæ daſelbſt hat drucken
laſſen.

Wo es nun an dem iſt/ wie es dann iſt/ daß auch in dieſer ſo boͤſe ſcheinen-
der ſache boͤſes iſt/ ſo erfordert unſere ſchuldigkeit/ daß wir dann auch lernen unſern
guten GOTT in derſelben eben ſo wol vor ſeine weißheit/ guͤte/ ehre/ danck zu-
ſagen/ als wir ihm ſonſten danck ſagen/ wo er etwas deſſen verfuͤget/ was unſerem
eigenen fleiſch angenehm iſt. Alſo auch das wir zwar/ weil es gleichwol eine ſchwe-
re probe iſt/ und ein betruͤbtes anſehen hat/ auch gegen die meiſte warhafftig ein
zorn gericht iſt/ um abwendung deſſelben demuͤthig bitten/ aber gleichwol dar-
neben uns den willen eines ſolchen heiligen GOTTES und barmhertzigen
Vaters gehorſamlich unterwerffen/ das nicht unſer/ ſondern ſeyn allerliebſter wil-
le allein an uns und allen creaturen geſchehen moͤge. Dabenebens wird ſich
gebuͤhren/ weil wir ohne das zu allen zeiten uns/ als unſers lebens nicht eine ſtun-
de gewiß/ zu der letzten reiſe ſollen bereiten und geſchickt halten/ daß wir zu einer
ſolcher zeit/ wo uns der todt ſo viel offenbahrer vor augen ſchwebet/ ſolche ſorge
unſere vornemſte ſeyen laſſen/ daß wir unſere ſeele taͤglich in dem blut des Lam-
mes ſo wohl in hertzlichen glauben der vergebung der ſuͤnden als ſtaͤts fortſetzender
reinigung waſchen/ damit wo ſie der HERR von uns fordert/ wir ſie getroſt in
ſeine haͤnde uͤberlaſſen und verſichert ſeyn moͤgen/ daß ſie ihm ein angenehm opffer
ſeyen.

Jſts nun/ daß der HERR ſolches uns geſchehen/ und alſo das ende unſers
lebens/ durch ſolche art der ſeuche erfolgen laͤſſet/ ſo iſt uns dieſelbige nicht unſe-
liger/ als da es durch eine andere art der kranckheit geſchehen waͤre/ und iſt unſer
vorbereitung nicht nur wohl angelegt/ ſondern aͤuſſerſt nothwendig geweſen.

Erhaͤlt uns aber der HErr durch ſeine Vaͤterliche guͤte/ weil etwa das
maaß unſers leidens und unſere arbeit noch nicht erfuͤllet geweſen/ ſo haben wir
uns gleichwol auch ſolcher bereitung nicht reuen zu laſſen/ ſondern iſt gewiß/ daß

ſol-
Mmmm
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[641/0659] ARTIC. I. DIST. IV. SECT. V. noch viel anders als wir an dieſer gantzer ſache nach reifflicher erwegung finden und erkennen/ und dennoch koͤnnen wir arme menſchen ſelbs/ wo wir dieſer/ plage in der furcht des HERREN nachdencken/ unterſchiedliches ſehen/ wie gleich- wol die ehre des HERREN durch vieler boͤſer ſchaͤdlicher menſchen hinraffung/ hingegen anderer die wol ſonſten nimmermehr waͤren bekehret worden/ kraͤfftige bekehrung und gewinnung/ einiger gottſeliger aber ſchwaͤcherer hinraffung vor den ſchwereren truͤbſalen und bevorſtehenden proben/ anderer fernerer laͤute- rung und geſchicktmachung auf die bald einbrechende ſchwere gerichte/ in die- ſer harten plage auf auch uns ſelbſt begreiffliche art moͤge befordert werden/ von welcher materie ich vor einem jahr an einem lieben fꝛeund nach Leipzig einem brieff geſchrieben/ den ein vornehmer Profeſſor Theologiæ daſelbſt hat drucken laſſen. Wo es nun an dem iſt/ wie es dann iſt/ daß auch in dieſer ſo boͤſe ſcheinen- der ſache boͤſes iſt/ ſo erfordert unſere ſchuldigkeit/ daß wir dann auch lernen unſern guten GOTT in derſelben eben ſo wol vor ſeine weißheit/ guͤte/ ehre/ danck zu- ſagen/ als wir ihm ſonſten danck ſagen/ wo er etwas deſſen verfuͤget/ was unſerem eigenen fleiſch angenehm iſt. Alſo auch das wir zwar/ weil es gleichwol eine ſchwe- re probe iſt/ und ein betruͤbtes anſehen hat/ auch gegen die meiſte warhafftig ein zorn gericht iſt/ um abwendung deſſelben demuͤthig bitten/ aber gleichwol dar- neben uns den willen eines ſolchen heiligen GOTTES und barmhertzigen Vaters gehorſamlich unterwerffen/ das nicht unſer/ ſondern ſeyn allerliebſter wil- le allein an uns und allen creaturen geſchehen moͤge. Dabenebens wird ſich gebuͤhren/ weil wir ohne das zu allen zeiten uns/ als unſers lebens nicht eine ſtun- de gewiß/ zu der letzten reiſe ſollen bereiten und geſchickt halten/ daß wir zu einer ſolcher zeit/ wo uns der todt ſo viel offenbahrer vor augen ſchwebet/ ſolche ſorge unſere vornemſte ſeyen laſſen/ daß wir unſere ſeele taͤglich in dem blut des Lam- mes ſo wohl in hertzlichen glauben der vergebung der ſuͤnden als ſtaͤts fortſetzender reinigung waſchen/ damit wo ſie der HERR von uns fordert/ wir ſie getroſt in ſeine haͤnde uͤberlaſſen und verſichert ſeyn moͤgen/ daß ſie ihm ein angenehm opffer ſeyen. Jſts nun/ daß der HERR ſolches uns geſchehen/ und alſo das ende unſers lebens/ durch ſolche art der ſeuche erfolgen laͤſſet/ ſo iſt uns dieſelbige nicht unſe- liger/ als da es durch eine andere art der kranckheit geſchehen waͤre/ und iſt unſer vorbereitung nicht nur wohl angelegt/ ſondern aͤuſſerſt nothwendig geweſen. Erhaͤlt uns aber der HErr durch ſeine Vaͤterliche guͤte/ weil etwa das maaß unſers leidens und unſere arbeit noch nicht erfuͤllet geweſen/ ſo haben wir uns gleichwol auch ſolcher bereitung nicht reuen zu laſſen/ ſondern iſt gewiß/ daß ſol- Mmmm

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 641. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/659>, abgerufen am 22.11.2024.